Oberhausen. .

Ob sie denn jetzt von der Schule runter müssten, haben ihre Fünftklässler Mirja Schade neulich gefragt. Und ihre Kollegin Beate Oesterdiekhoff erzählt, wie ein Zehntklässler meinte: „Schade, wenn die Schule zugemacht wird, dann kann ich meine Kinder ja gar nicht mehr hierhin schicken.“

Die beiden Frauen arbeiten als Lehrerinnen an der Albert-Schweitzer-Schule, der letzten Hauptschule im Oberhausener Norden. Am kommenden Montag soll beschlossen werden, sie und die beiden Hauptschulen im Süden, St. Michael und Alstaden, auslaufen zu lassen. Das heißt: Ab dem Schuljahr 2013/2014 sollen keine neuen Schüler mehr aufgenommen werden. Die, die noch da sind, dürfen ihre Abschlüsse machen.

Frust und Stolz

Wie fühlen sich die Betroffenen in einer Schule, die abgewickelt werden soll? Unsicherheit ist in der Lehrerrunde zu spüren, Enttäuschung, Trauer – vermischt mit Stolz auf ihre Arbeit, „die mit Füßen getreten wird“, sagt Roger Plewa.

Sie kennen ihre Klientel, „unsere Schüler brauchen diese kleinen Systeme wie Wasser und Brot“, sagt Plewa, „in einem Riesensystem können sie nicht so gefördert werden, wie sie es brauchen und stehen nicht ständig unter Beobachtung wie bei uns“.

Sein Kollege Jörg Schmitz springt ihm bei: „Man kann die Hauptschule ausradieren, aber die Schüler bleiben, diese Erkenntnis dämmert so langsam den Verantwortlichen.“

Hauptschule wird schlechtgeredet

Aber trotz der guten Arbeit an den Hauptschulen haben es ihre Absolventen schwer auf dem Ausbildungsmarkt. Da ist dieses Image, „das an einem klebt wie Kaugummi“, sagt Mirja Schade, die für die Berufsorientierung und -vorbereitung an der Albert-Schweitzer zuständig ist.

„Ich bin ja nur Hauptschüler, sagen meine Schüler“, erzählt sie, und wenn sie als Hauptschullehrerin Betriebe auf der Suche nach Praktikums- oder Ausbildungsplätzen anrufe, „ist das wie Klinkenputzen. Die Hauptschule wird seit Jahren schlechtgeredet“, so Schade.

Dieses Image lässt die Anmeldezahlen für Hauptschulen in Oberhausen (und anderswo) seit Jahren in den Keller rauschen. „Ich bin mit Leib und Seele Hauptschullehrer“, sagt Roger Plewa, „aber wir müssen zähneknirschend anerkennen, dass wir nicht mehr gewünscht sind“. „Wir können die Augen vor den Fakten nicht verschließen“, sagt auch Schulleiterin Heike Weber, „und wir brauchen Planungssicherheit“.

Sekundarschule bietet Perspektive 

Weshalb sie auch nicht dem Antrag von FDP und CDU folgt, zwei Hauptschulen in Oberhausen bestehen zu lassen. „Das führt nur zu unnötiger Konkurrenz“, so Weber. „Dann sitzen wir in zwei Jahren wieder da, damit verkommt die Hauptschule zu einer reinen Resteschule“, meint dazu Karl Aldenhoff, Vater einer Schülerin an der Albert-Schweitzer und Vorsitzender der Schulpflegschaft, „dann ist es besser alle drei zu schließen“.

Was aber nicht heißt, dass sie ihre Arbeit, ihre Schulgebäude, ihr Know-How, ihre Strukturen beerdigen wollen. Rektorin Heike Weber formuliert es so: „Wir trauern nicht dem System Hauptschule nach.“ Ohnehin sei ihre Schule gar keine klassische Hauptschule mehr, zehn Prozent ihrer Schüler seien rückgeschulte Realschüler, zehn Prozent getestete Förderschüler (Stichwort Inklusion/gemeinsamer Unterricht).

Was sie brauchen, ist eine Perspektive. Heike Weber sieht diese Perspektive in der Sekundarschule – gegen die sich die Realschulen, die dafür die Partner sein müssten, sperren. „Ich möchte den Kollegen dort sagen: Ihr braucht keine Angst vor uns zu haben. Ihr habt schon Hauptschüler in euren Reihen und wir schon Realschüler. Das sind doch genug Berührungspunkte.“

Der Süden setzt aufs Primus-Modell

„Ich bin begeisterter Hauptschullehrer, aber ich will gar nicht, dass sie in dieser Form erhalten wird“, sagt Norbert Mölders, Leiter der Hauptschule Alstaden. Wenn denn schon die Anmeldezahlen so schlecht seien und Eltern aus Angst vor dem schlechten Hauptschul-Image ihre Kinder lieber an Gesamt- oder Realschulen anmeldeten.

„Aber es gibt die Kinder, die eine besondere Berufsvorbereitung und eine besondere Vorbereitung aufs Erwachsenenleben brauchen“, sagt Norbert Mölders, „die von der Größe der anderen Systeme erschlagen werden, die Spätentwickler sind.“ Was keine Frage der Intelligenz sei. „Die sind, wenn die Hauptschulen schließen, in Zukunft entweder schlechter untergebracht oder die Stadt muss sich überlegen, ein System zu errichten, das eine gute Alternative ist.“

Für Mölders, seinen Kollegen Thomas Betting von St. Michael sowie zwei Grundschulen im Süden wäre dies die Modellschule Primus. In so einer Schule würden die Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse gemeinsam unterrichtet, starke, schwächere und schwache Schüler in einer Klasse zusammen. Das NRW-Schulministerium hat dies als Schulversuch angelegt, 15 Schulen können mitmachen. „Das können wir, dafür haben wir alle Voraussetzungen“, so Mölders. Jetzt muss die Politik mitspielen.