Oberhausen. Anonyme Bewerbungen könnten benachteiligten Gruppen bessere Chancen beim Vorstellungsgespräch geben, meinen Experten. Doch die Firmen sind eher skeptisch.

Migranten können kein Deutsch, Ältere sind öfter krank, Frauen bekommen Kinder und gehen in den Mutterschutz: Diese Vorurteile herrschen auch heute noch in vielen Personalabteilungen vor. Arbeitssuchende, bei denen bestimmte persönliche Merkmale in der Bewerbung auftauchen, haben eine geringere Chance, den erwünschten Arbeitsplatz zu bekommen. Diesem Umstand begegnete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem ersten Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren. Könnte das auch ein Modell für Oberhausen sein?

Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, will dies zumindest nicht ausschließen. „Ich finde dieses Projekt sehr spannend. Das Ziel, Diskriminierungen aufgrund des Alters, des Geschlechts oder anderer Merkmale zu begegnen, finde ich unterstützenswert.“ Dabei sieht sie in den öffentlichen Verwaltungen aber eher weniger Bedarf für eine Anonymisierung.

An die bestehende Vorbehalte herangehen

„Der Vorteil ist hier, dass da viele Personen über eine Bewerbung rübergucken. So beschäftigen sich Frauen- und Schwerbehindertenbeauftragte und auch der jeweilige Personalrat damit.“ In der freien Wirtschaft würde dieser Blick oftmals etwas fehlen. „Wir müssen an die bestehenden Vorbehalte der Marke ‘Ich nehme keine Frauen, weil die Kinder bekommen könnten’ herangehen“, so Costecki.

„Bisher haben wir keine anonymisierten Bewerbungen vorgenommen“, teilt Personaldezernent Jürgen Schmidt mit. „Aufgrund der Haushaltslage gibt es bei uns wenige Einstellungen. Extern besetzen wir so gut wie keine Stelle.“ Anonyme Bewerbungen sind aber nicht undenkbar. „Perspektivisch werden wir uns damit beschäftigen.“ Man wolle sich aber noch mit den Nachbarstädten absprechen, so Schmidt.

"Ergebnis hat mich erstaunt"

„Das Ergebnis des Pilotprojekts hat mich erstaunt“, sagt Dirk Grünewald, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Essen, Mülheim und Oberhausen. „Es hat gezeigt, dass bestimmte Gruppen bisher durch ein Raster fallen.“ Hier sieht Grünewald Handlungsbedarf. „Das ist nicht gut und auch nicht richtig.“ Mit anonymisierten Bewerbungen kann er sich nicht so recht anfreunden. „Unternehmer sind an vollständigen Unterlagen interessiert.“ Es müsste an anderer Stelle angesetzt werden. „Erst einmal muss man an diesen Ressentiments arbeiten.“ Das sei auch eine gesellschaftliche Aufgabe. „Es muss klar sein, dass auch Arbeiter über 50 wertvoll sein können.“

„Bei uns nicht nötig“

Beim Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO) sind anonymisierte Bewerbungen bisher noch nicht zum Einsatz gekommen, wie Pressesprecher Frank-Michael Rall mitteilt. „Auf nähere Sicht ist das auch nicht geplant.“ Man sehe bei diesem Verfahren weder Vor- noch Nachteile zur bisherigen Praxis. „Es kommt rein auf die Qualifikationen der Bewerber an.“

Ähnlich antwortet Birgit Reichel, Pressesprecherin von Oxea. „Wir stehen dem Thema anonymisierte Bewerbung neutral gegenüber, denn bei Oxea wird grundsätzlich keine Gruppierung benachteiligt. Das ist unter anderem in unseren Unternehmenswerten so festgelegt und wird auch in Realität so gelebt.“ Darum sei man sich sicher: „Nein, das ist bei uns nicht nötig.“

Bei der Stadtsparkasse hatte man bisher mit anonymisierten Bewerbungen keine Berührungspunkte. Dort halte man sich an die bestehenden Gleichbehandlungsgesetze erklärt, Pressesprecherin Janine Verbeeten. „Wir sind sowieso ein Multikulti-Unternehmen.“