Oberhausen. .

In einem umfangreichen Fall von organisierter und ausgesprochen dreister Betrügerei, der derzeit am Amtsgericht verhandelt wird, hat sich der Hauptangeklagte wohl in den Untergrund abgesetzt. Nachdem er am gestrigen Verhandlungstag nicht erschienen war, sprach die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den 39-Jährigen aus.

Den Mann hatte die Polizei zwar bereits im Januar gestellt. Weil sich der Berliner aber eine schwere Verletzung zugezogen hatte, die im Justizvollzugskrankenhaus nicht behandelt werden konnte, sollte er ein reguläres Hospital aufsuchen; nun scheint er untergetaucht zu sein. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

84 Vorwürfe

Der Berliner soll in Mülheim und Oberhausen mit einem Kumpanen und mehreren „Angestellten“ zwei vermeintliche „Meisterbetriebe“ zur Reparatur von defekten Haushaltsgeräten geführt haben. Vorgeworfen wird ihnen, Wucherpreise für nicht reparierte Geräte kassiert sowie Neugeräte verkauft zu haben, ohne diese auszuliefern. Anzahlungen der Kunden steckten sie sich kräftig ein. 84 Straftaten soll der 39-Jährige von 2007 bis 2010 begangen haben; 26 sind Thema der Hauptanklage, die gestern verhandelt wurde.

Neben dem Berliner ist ein Oberhausener in 15 Fällen angeklagt. Gemeinsam sollen sie die Betriebe „Deutsch Kundendienst“ und „Hoffmann Kundendienst“ betrieben haben; zwei ihrer „Angestellten“ aus Oberhausen sind ebenfalls angeklagt; sie sollen in zwei bzw. drei Fällen beteiligt gewesen sein.

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Lediglich diese beiden Männer tauchten am Freitag auf, so dass nur die ihnen vorgeworfenen Taten verhandelt wurden. Beide schwiegen. Nur mit einem Zwischenruf, dass bis zu 80 Mitarbeiter bei der Firma beschäftigt waren, gab einer zu, zumindest von betrieblichen Abläufen gewusst zu haben.

Die Taktik der Angeklagten war stets die gleiche: Überraschend tauchten sie bei den meist betagten Kunden auf, die durch Anzeigen und Werbesendungen auf die „Meisterbetriebe“ aufmerksam geworden waren. Im Gespräch schätzten die Männer schnell ab, über wie viel technisches Verständnis ihr Gegenüber verfügte, wurden dann aktiv: So berichtete ein 73-Jähriger, dass ein „Techniker“ die Spülmaschine seines Sohns als irreparabel bezeichnete und ihm 100 Euro Anzahlung für ein neues, nie ausgeliefertes Gerät abnahm - obwohl nur die Sicherung der Steckdose herausgesprungen war, das alte Gerät also funktionierte.

Maschine samt voller Trommel mitgenommen

Einer Düsseldorferin hat der „Kundendienst“ eine Waschmaschine mitsamt Wäsche und Wasser in der Trommel aus dem Haus getragen. Einem Mülheimer brachte die Firma im Februar 2008 seinen Fernseher vermeintlich repariert zurück; anschalten solle er das Gerät in ein paar Stunden - wenn es sich an die Zimmertemperatur angepasst habe. Der Mülheimer erkannte einen der beiden Angeklagten.

Manch Anwesender im Saal schmunzelte über die Zeugenberichte. Richter Peter Dück hingegen machte deutlich: „Manchmal neigt jeder dazu, leichtgläubig zu sein. Man denkt, das passiert nur anderen. Genau das ist die Gefahr.“

Kommenden Freitag geht die Verhandlung weiter.