Oberhausen. .

Um Kinder hat Sven Andermahr früher einen großen Bogen gemacht. Sind laut, machen Dreck, kosten Geld - dafür war in der Karriereplanung kein Platz. Andermahrs Gesicht kannte man aus der Zeitung: Gestärkter Hemdkragen, Verkäuferlächeln, nett, aber reserviert.

Heute ist dieses Gesicht ausgerechnet Kindern besonders lieb geworden: An der Marienschule engagiert sich Andermahr ehrenamtlich für förderungsbedürftige Schüler im offenen Ganztag - mit solcher Hingabe und Geduld, dass Leiterin Susanne Schopp über ihn sagt: „Er ist für uns alle ein Geschenk.“

Nach Unfall halbseitig gelähmt

Verändert hat den Königshardter ein kalter Tag im Februar vor sieben Jahren: Seiner Frau hatte der damals 34-Jährige zum Valentinstag einen Urlaub an der Mosel geschenkt; nur ein paar Tage Urlaub hatte er an der Mosel gemacht, denn den eigenen Betrieb wollte er nicht zu lange aus den Augen lassen. Andermahr führte ein Autohaus in Holten mit rund 15 Mitarbeitern. Einen Monat nach der Rückfahrt aus dem Urlaubs wachte er auf: halbseitig gelähmt, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma nach einem Autounfall. „Ich dachte, das ist wie eine Grippe, das wird schon wieder“, erinnert sich der heute 42-Jährige. Langsam spricht er, wie eine leiernde Kassette, aber eloquent: Sieben Jahre hat er diese Grippe bekämpft, Folgeschäden sind geblieben.

Details zur Aktion von WAZ und RWW

„Menschen machen’s möglich“ heißt in diesem Jahr wieder die Aktion der WAZ-Lokalredaktio Oberhausen n und der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW).

Wir stellen Ihnen neun Menschen aus Oberhausen vor, die sich ehrenamtlich für andere Menschen einsetzen. Danach können Sie, liebe Leser, entscheiden, wer besonders preiswürdig ist. Die Preise, 3000, 2000 und 1000 Euro, fließen in die Projekte, für die sich die Preisträger engagieren. Der Aufruf zur Abstimmung erfolgt, wenn alle neun Porträts gelaufen sind.

Dass er nicht aufgegeben hat, habe er auch seiner Tochter Aleyna zu verdanken: Der Mann, der keine Kinder haben wollte, wird 2005 Vater. „Ich habe vieles mit meiner Tochter gelernt. Zu laufen, zu sprechen, ohne Hilfe zu essen.“ Instinktiv habe das Baby auf sein Handicap reagiert. „Wenn ich sie gewickelt habe, hielt sie still. Bei anderen war sie eher unruhig.“ Auch die Nachbarskinder verhielten sich bald anders: Haben sie ihm früher im Hausflur ein artiges, „Tag, Herr Andermahr“ zugemurmelt, ist es heute der kumpelhafte Ruf „Hallo, Sven“. „Erwachsene schauen dir nach, weil du komisch läufst oder sprichst. Kinder gehen auf dich zu und fragen nach. Das finde ich toll.“

Mit den Kindern im Unterricht

Mit diesen Erfahrungen stand Sven Andermahr 2010 bei Harald Elke auf der Matte. Elke vermittelt Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, an Einrichtungen, die Hilfe brauchen. Auch wenn Sven Andermahr berufsunfähig ist – tatenlos herumsitzen wollte er nicht. An der Marienschule werden 69 Kinder im offenen Ganztag betreut; Andermahr kümmert sich um besonders förderungsbedürftige Erst- und Drittklässler. Er hilft ihnen mit den Hausaufgaben - vor allem mit Mathe. Besonders gut kann er das, weil sich Sven Andermahr auch vormittags in die Klassen setzt. „Ich wollte wissen, wie die Kinder etwas Neues lernen, damit ich ihnen noch besser helfen kann.“

Immer dienstags und mittwochs sitzt er ab 10 Uhr in Klassen, hilft bei Gruppenarbeiten, beaufsichtigt die Schüler in Pausen, merkt sich Rechenwege, um sie in der Hausaufgabenbetreuung geduldig immer wieder zu erklären. Den Kindern hört er auch mal zu, wenn sie andere Sachen auf dem Herzen haben als das Einmaleins, er spielt mit ihnen, hilft, wenn der Schuh drückt, und engagiert sich bei Schulaktivitäten. Susanne Schopp, die den offenen Ganztag mit rund zehn Mitarbeitern leitet, schätzt Sven Andermahr dafür sehr: „Er unterstützt unser Team mit vollem Engagement.“