Oberhausen. .

59 Schüler verlassen in diesem Jahr die Albert-Schweitzer-Hauptschule in Oberhausen. Wir wollten wissen, mit welchen Wünschen und Perspektiven sie jetzt in die Zukunft gehen.

Tugay Özcan freut sich. Zunächst, weil er die Schule nun hinter sich lassen kann. Dann aber auch, weil er zu den Glücklichen mit guten beruflichen Aussichten gehört. „Ich mache ein Jahrespraktikum, dann beginne ich meine Ausbilung zum Maler und Lackierer“, erzählt der 16-Jährige selbstbewusst. Der Betrieb, in dem sein Vater als Karosseriebauer tätig ist, gibt auch ihm eine Chance.

Auf unzählige Bewerbungen hat Melanie Meneses bereits ebenso viele Absagen erhalten. Mathe, Chemie und Englisch seien ihre Schwachstellen, gibt die 17-Jährige zu. Und: „Ich habe einfach zu viele Vierer auf meinem Zeugnis.“ Doch sie gibt nicht auf. „Ich versuche, bei der Volkshochschule einen besseren Abschluss hinzubekommen.“ Floristin will sie werden. Einen Praktikumsplatz in einem Blumenladen hat sie in der Tasche.

Traumberuf Arzt

Philipp Kolb sitzt ganz gelassen auf seinem Platz. Kann er auch. Der 18-Jährige gehört zu den zwei Absolventen, die gleich in die Oberstufe durchstarten können. Er will jetzt an der Gesamtschule Weierheide sein Abitur machen. Traumberuf: „Arzt“.

Charline in het Panhuis gehört zu den zehn Förderschülern unter den Abgängern. Auch sie beendet die Schule, hat damit aber noch keinen „vollwertigen Schulabschluss“ in der Tasche. „Als Förderschülerin bekomme ich hier nur den Hauptschulabschluss der 9. Klasse“, sagt die 16-Jährige. Deshalb will sie nun ans Berufskolleg wechseln. „Denn ich möchte Sozialhelferin werden - und dafür brauche ich einen richtigen Abschluss, also mindestens den normalen Hauptschulabschluss 10a.“

Schulleiterin Heike Weber (59) ist sich sicher: „Charline schafft das, sie ist unglaublich zielbewusst, hat parallel ein Jahrespraktikum in einem Kindergarten gemacht und sich dort als sehr zuverlässig erwiesen.“

Über super Noten auf seinem Zeugnis kann sich Marwan Kadi freuen. Doch so richtig glücklich wirkt der 16-Jährige trotzdem nicht. Dazu fehlt ihm die passende Ausbildung. Kfz-Mechatroniker würde er gerne werden. „Aber mit einem 10a-Abschluss wird das nix.“ Deshalb hat er sich erst gar nicht beworben, sondern wechselt gleich ans Berufskolleg, um dort ein Berufsvorbereitungsjahr zu machen.

"Da habe ich zugegriffen"

Auch Ahmed Omeirat hat - trotz durchweg guter Noten - keine einzige Bewerbung abgeschickt. „Ich habe auch nur den 10a-Abschluss, damit nimmt mich eh keiner.“ Der 15-Jährige will aber nicht resignieren, macht jetzt die Fachoberschulreife. Schafft er die, darf er den Lehrvertrag gleich unterschreiben. „Durch ein Praktikum in den Osterferien habe ich inzwischen einen guten Kontakt zu einer Firma. Dort kann ich dann eine Ausbildung als Bürokaufmann anfangen.“

Die Fachoberschulreife oder den 10b-Abschluss hat Justin Baschista schon geschafft. Auf eine Lehrstelle brauchte der 16-Jährige nicht lange zu warten. „Ich habe meine Bewerbung bei Mannesmann abgegeben und den Einstellungstest schon bestanden“, freut er sich. Elektroniker habe er eigentlich werden wollen, aber dann habe ihm der Betrieb eine Lehrstelle als Industriemechaniker angeboten. „Da habe ich zugegriffen.“

Die Zwillinge Melanie und Natalie Mecer (beide 16) drückten gemeinsam die Schulbank und beginnen nun ihre Ausbildung im gleichen Beruf - und selbstverständlich im selben Unternehmen. „Wir lassen uns bei einer Firma in Bottrop zu Textilreinigerinnen ausbilden“, erzählen sie lachend. Der Bruder arbeite dort ebenfalls. „Das ist jetzt fast so etwas wie ein Familienbetrieb.“ Die zuständige Berufsschule befindet sich in Frankfurt. Auf den Blockunterricht dort sind die Zwillinge schon sehr gespannt.

Zwei Minuten Fußweg von zu Hause beginnt für Saskia Becker der Berufsalltag. Die 17-Jährige hat mit ihrem 10a-Abschluss in Schermbeck eine Lehrstelle zur Hotelfachfrau ergattert. „Meine Mutter arbeitet in einem Hotel, sie hat mich als Kind oft mitgenommen.“ Drei Tage lang zeigte Saskia in ihrem Wunschberuf auf Probe, was sie kann, dann war der Arbeitgeber überzeugt.

Keine klagen über Schülermangel

380 Schüler besuchen aktuell die Albert-Schweitzer-Hauptschule. 42 Anmeldungen gibt es bereits jetzt für die fünfte Klasse. „Im Laufe der Sommerferien werden es erfahrungsgemäß noch mehr“, sagt Schulleiterin Heike Weber.

Über Schülermangel könne sich ihre Hauptschule also nicht beklagen. „Vielleicht liegt es ja auch daran, dass wir in Oberhausen die einzige Hauptschule mit integrativen Lerngruppen sind“, meint die 59-Jährige. Unter den diesjährigen 59 Schulabgängern sind zehn Förderschüler, zwei Schüler wechseln in die Oberstufe, 15 haben bereits einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. 45 Abgänger haben den 10a-Abschluss, also den normalen Hauptschulabschluss. 20 davon wollen bis zur Fachoberschulreife (FOR) weiterlernen.

Die überschaubare Schülerzahl sei genau das, was die Schule auszeichne, meint Norbert Knüdeler, stellv. Schulleiter. „Nur deshalb können wir uns so intensiv um die Jugendlichen hier kümmern“, ist sich der 64-Jährige sicher.

Die Diskussionen über die Abschaffung der Hauptschule verfolge das Kollegium mit großem Interesse, weiß Heike Weber. „Es ist nicht zu leugnen, dass diese Schulform im Laufe der Jahre allgemein eine Wandlung von der Schule für alle zur Negativ-Auslese gemacht hat: Das hat der Hauptschule den Hals gebrochen.“ Denkbar sei es deshalb, dass auch die Albert-Schweitzer-Schule künftig zu einer Stadtteilschule werden könnte.

Handwerklich gut drauf

Bleiben müsste allerdings die intensive Betreuung. „Es gibt hier viele Kinder, die handwerklich richtig gut drauf sind, aber mit dem 10a-Abschluss von kaum einem Arbeitgeber eingestellt werden, aus Sorge, sie könnten die Berufsschule nicht packen“, sagt Deutsch-Lehrer Roger Plewa. Richtig sei zwar, dass die Anforderungen in der Berufsschule hoch seien. „Aber mit der entsprechenden Förderung schaffen unsere Schüler das auch mit dem normalen Abschluss.“ Nur die Mühe wolle sich heute kaum ein Betrieb machen, stellt Sabine Wiese (Biologie-Lehrerin) fest.

„Umso wichtiger ist der Rückhalt von Elternhaus und Schule“, betont Chemie-Lehrer Jörg Schmitz. Denn sonst resignierten die Schüler bereits, bevor sie die erste Bewerbung geschrieben haben. „Das gibt es auch bei uns immer wieder“, so Schmitz. Und weiter: „Denken die Jugendlichen, ihnen gibt eh keiner eine Chance, nehmen die Fehlzeiten zu - und damit graben sie sich selbst das Wasser ab.“