Oberhausen. . Kundgebung am Centro: Rund 150 Menschen forderten am Montag, Atommeiler in ganz Deutschland abzuschalten. Anschließend marschierte die Gruppe zur Innenstadt. Zeitweise war der Verkehr an der Mülheimer, Essener und Duisburger Straße lahmgelegt.

Um kurz vor sieben steht der Verkehr still: Mülheimer, Essener und Duisburger Straße – nichts geht mehr. Einige Autofahrer hupen in den länger werdenden Schlagen, weil sie trotz grüner Ampeln an der Kreuzung warten müssen. Eine Frau in pinkfarbenem Trainingsanzug diskutiert mit den Polizeibeamten. Warum es nicht weitergehe, will sie wissen. Weil 150 Menschen mitten auf einer der meist befahrenen Kreuzungen Oberhausens stehen – und schweigen. Für die Opfer der Katastrophen in Japan und für den Atomausstieg.

Vor dem Centro hatte diese zweite Mahnwache der Atomgegner keine halbe Stunde vorher an diesem Montagabend begonnen. Unter der ÖPNV-Trasse hatten sie sich aufgestellt, Vertreter von Parteien und Verbänden, die man erwartet hatte, aber auch viele Schüler und Senioren, Flaggen um die Schultern gebunden und Banner mit dem Spruch „Oberhausener steigen aus“ hochgehalten.

"Interesse nimmt schon wieder ab"

Am Rand: Drei ältere Frauen, an deren Handgelenken Plastiktaschen baumelten, wenn sie den Sprechern der Kundgebung applaudieren. Kurz wollten sie vorbeischauen, um irgendetwas zu unterschreiben, irgendwo mit ihren Namen für den Atomausstieg zu stehen. „Hier geht es um die Zukunft unserer Enkelkinder“, sagen sie. Einer, der im Alter ihrer Enkel sein dürfte, läuft vorbei, sagt: „Schwachsinn“, als die Protestierenden zur Schweigeminute auf die Essener Straße laufen.

Wie in den 80er Jahren sei das, erinnert sich danach Klaus Roll. Der schlaksige Mann mit Strickmütze hatte damals mit Gleichgesinnten die erste Anti-Atom-Initiative in Oberhausen gegründet, um den Bau von Kernkraftwerken in Hamm und Kalkar zu verhindern. 2009 der zweite Versuch, kürzlich hat Roll die dritte Initiative gegründet. „Das Interesse der Bürger nimmt schon wieder ab“, sagt der 53-Jährige, während auf der Mülheimer Straße hupende Autos an ihm vorbeiziehen. Ein Mann filmt den Protest mit seinem Handy, Anwohner starren aus den Fenstern ihrer Wohnungen. „Das zivile Engagement bis zum Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe im April aufrechtzuerhalten, wird ein hartes Stück Arbeit.“

"Weg mit Atomprogramm"

Anne Klaus will dabei bleiben. Von Studien über Krebserkrankungen rund um Atommeiler spricht sie, sie sei selbst Krankenschwester in der Onkologie. „Meine Generation ist Tschernobyl-geschädigt“, sagt die 58-Jährige. Noch genau erinnere sie sich, wie sie 1986 im Radio von der Katastrophe in der Ukraine gehört hatte. Im VW-Bus saß sie da, unterwegs zum Supermarkt, um mehr Konserven zu besorgen. „Das will ich nicht noch einmal erleben“, sagt Klaus, stimmt in den Chor ein: „Weg mit Atomprogramm.“

Anja nickt. Auf der rechten Schulter der 17-Jährigen ruht eine rote Fahne, auf der die rote Sonne der Anti-Atombewegung „Nein danke“ sagt. Irgendjemand habe ihr die Flagge gegeben, sagt die Gymnasiastin. „Das ist meine erste Demo, ich wusste nicht, was ich mitbringen sollte.“ Politisch aktiv sei sie bisher nicht gewesen, aber jetzt aktiv zu werden, „das ist wichtig“.

Vor dem Bahnhof endet der Zug. Ein paar letzte Worte vom Veranstalter, dann löst sich der Kreis auf. Ein Bahn-Mitarbeiter beobachtet das Treiben. Er sollte verhindern, dass die Demonstranten ins Bahnhofsgebäude marschieren. Als sie das nicht tun, lächelt der Mann unter seiner Schirmmütze: „Die hätten ruhig reinkommen dürfen.“