Oberhausen.. Das Centro in Oberhausen wird größer. Am Mittwoch soll der Grundstein zum Anbau gelegt werden. Wir haben uns im Einkaufsparadies, das jährlich 23 Millionen Besucher ansteuern, umgesehen - und nachgehorcht, warum es die Menschen herzieht.

23 Millionen Besucher pro Jahr. Am Mittwoch wird der Grundstein für den Centro-Anbau gelegt. Ein Bummel durchs Zentrum.

Unscheinbar. Tobias Haase steht vor dem Eingang des Centros und blinzelt in den Nieselregen. Drei Stunden war er mit dem Zug gefahren, von Höxter mit der Regionalbahn, weil das mit dem Studententicket nichts kostet.

Freunde hatten ihm das Einkaufszentrum mit dem schrägen O empfohlen, jetzt wollte er es selbst sehen. „Unscheinbar“, findet der Student der Wirtschaftswissenschaften die Fassade eines der zwölf größten Einkaufszentren des Landes. Vor fast 15 Jahren ist die Neue Mitte für rund 1,15 Milliarden Euro auf einer ehemaligen Industriebrache entstanden; kaum eröffnet, waren innerhalb weniger Tage eine Million Menschen ins Centro hergekommen. Heute zählt das Einkaufszentrum jährlich 23 Millionen Besucher.

200 Geschäfte

Tobias Haase ist zum ersten Mal da. Durch den kalten Zigarettenrauch vor den großen Glastüren geht es hinein, warme Luft, Stimmengewirr und Fischgeruch: Auf der Rolltreppe beißt jemand in ein mit Zwiebeln belegtes Brötchen von Nordsee, das junge Pärchen auf der nächsten Stufe streitet mit unterdrückten Stimmen, bis über den Köpfen der beiden eine Leuchtreklame immer größer wird und sie vor dem Wegweiser des Einkaufszentrums verstummen: 200 Geschäfte auf 72.300 Quadratmetern. Bald sind es mehr.

An der Brüstung neben dem Aufgang lehnt Olaf Gerzelak. Die Hände über das Geländer und die Köpfe der wenigen Besucher an diesem Montag gestreckt, hat er seine Augen auf die Bäumen gerichtet, die sich unter ihm zwischen den Ladenfronten aufreihen. „Etwas Blühendes wäre ganz schön“, überlegt der 51-Jährige, als er von der Erweiterung des Centros erfährt.

Jeden Montag komme er mit seiner Frau hierher, „jedes Mal ist es für uns ein Erlebnis“, sagt er und schiebt dabei seine Hände in die Taschen seiner Kapuzenjacke. Gerade erst sei er mit seiner Frau in diesem neuen Geschäft da unten gewesen, weist Gerzelak mit einem Kopfnicken auf die Hollister-Filiale, vor der an anderen Tagen Hunderte Jugendliche für ihren Einkauf anstehen. Die Kritik, dass die Mode im Centro meist bei 40 Jahren Schluss macht, teilt er nicht: „Ich kleide mich selbst eher jugendlich, da finde ich hier immer etwas zum Anziehen.“

Zuhauf Ausverkauf

Vor der Sportarena macht Tobias Haase halt, um etwas in sein Handy zu tippen. In dem Ladenlokal selbst schieben Kunden Metallbügel über zahlreiche Verkaufsstangen, an denen zuhauf Ausverkauf betrieben wird. Wegen des neuen Anbaus, sagt eine Verkäuferin, die umgeben vom Gummigeruch einer Schulsporthalle leere Plastikboxen übereinander stapelt. Sportartikel, Spielzeug und Kinderbekleidung sollen der Centro-Erweiterung weichen und Teil des Kaufhofs werden, das war schon vor zwei Jahren klar, sagt ein Mitarbeiter der Kidzworld, in der sich ein Mädchen im pinkfarbenen Tütü gegen ihre Mutter aufbäumt, weil sie nicht das Brettspiel bekommt, was sie schon immer haben wollte.

2004 hat der Rat der Stadt den Bebauungsplan des Centro-Geländes geändert und damit die Erweiterung des Einkaufszentrums um ein Viertel Verkaufsfläche genehmigt. Klagen der Nachbarstädte gegen die Erweiterung wies das Oberverwaltungsgericht zurück, geplant war der Neubau für Herbst 2010. Die Finanzkrise funkte dazwischen, der Grundstein soll nun am Mittwoch gelegt werden – vor den Toren von Kidzworld und Sportarena.

Viele Bänke für Senioren

Davon hat Lotti Bittscheidt noch nichts gewusst. Aus müden Augen schaut die 83-Jährige von einer Holzbank auf, während sie ihren rechten Fuß weiter über dem Natursteinboden der Einkaufshalle kreist. Ein Mann passiert ihren Blick, an seiner Hand baumelt eine Packung Toilettenpapier. Gleich wolle sie auch noch zum Drogeriemarkt, erinnert sich die Seniorin. „Aber bis dahin muss ich erst noch einmal etwas verschnaufen“.

Deshalb möge sie das Centro, „hier sind so viele Bänke, das hat die Innenstadt nicht.“ Ins Einkaufszentrum kommt die Osterfelderin immer wieder, zum Zeitvertreib und Kaffeetrinken, selten zum Kaufen. „Wenn, dann gehe ich zu den Kaufhäusern. Die Gänge der Boutiquen sind mir zu eng“, sagt sie zum Abschied. Dann richtet sie sich auf, läuft mit kleinen Schritten zur Drogerie, bis sie zwischen einer lauten Familie verschwindet.