Oberhausen. .

Auf dem Platz „Kleiner Markt“ in Sterkrade sammeln sich regelmäßig Männer und Frauen, um Bier zu trinken. Passanten würden eingeschüchtert, klagen Geschäftsleute. Sie fordern die Politik mit einer Unterschriftenliste auf, etwas zu unternehmen.

„Unsere Geduld ist am Ende – die Bürger haben Angst, die Kunden meiden die Gegend“, ereifert sich Robbie Schlagböhmer, erster Vorsitzender der Sterkrader Interessengemeinschaft (Stig). Der Aufreger: Eine Gruppe von Männern und Frauen, die auf dem „Kleinen Markt“ ihr Bier trinkt, sorgt bei den Passanten für ein ungutes Gefühl. Erste Geschäfte sind schon weggezogen. Mit anderen Kaufleuten, deren Geschäfte sich am „Kleinen Markt“ befinden, übergab Schlagböhmer dem Bezirksbürgermeister Dieter Janßen (SPD) nun 1169 Unterschriften. Die Forderung: Bis zum Frühjahr soll die Politik dafür sorgen, dass sich an der Situation etwas ändert.

Gepinkelt, gepöbelt und gegrölt

„Im Winter entspannt es sich, aber im Sommer treffen sich hier 30, 40 Leute“, hat Martin Beutling, Inhaber der „Glocken“-Apotheke, beobachtet. Dann werde wild gepinkelt, gepöbelt und gegrölt. „Ich weiß, dass sie mir nichts tun. Frauen haben eher Angst vorbeizugehen.“ In der Tat laufen einige Passantinnen bereits einen Bogen. So wie eine ältere Dame, die ihre Besorgungen machen will. „Irgendwie tun sie einem Leid. Aber angenehm ist das nicht.“

Das Ordnungsamt und die Polizei haben den Kleinen Markt in den warmen Monaten verstärkt besucht, aber geändert hat sich an der Situation nichts. Nun will die Stig das Problem anders lösen. Mit Lautsprechern in Bäumen, aus denen Klassikmusik schallt, zum Beispiel. Oder, indem sie die Ecke einfach in einen Spielplatz umwidmen – so könne man nämlich ein Alkoholverbot aussprechen. Die kühnste Idee der Geschäftsleute: Die Stig könnte den Platz pachten, um dort Hausrecht auszuüben.

„Uns sind die Hände gebunden“, sagt der Bezirksbürgermeister

„Uns sind die Hände gebunden“, sagt hingegen Bezirksbürgermeister Dieter Janßen, „Die, die sich dort aufhalten, haben einen festen Wohnsitz. Da können wir nichts machen.“ Außerdem gebe es in diesem Bereich kaum strafbare Handlungen. Dies bestätigt die Polizei auf WAZ-Nachfrage. Man müsse diesen Menschen ein Angebot machen, sonst werde das Problem einfach verlagert. „Aber die, die sich dort aufhalten wollen, gehen auch nicht gerne in Räume, weil sie keine Lust auf Sozialarbeiter haben.“ Werde jemand beim Pinkeln erwischt, lohne auch nicht das Knöllchenschreiben – Geld ist in solchen Fällen kaum zu holen. Geschäftsfrau Monika Stietzel hat für solche Argumente kein Verständnis: „Wir als Kaufleute schauen, dass Sterkrade lebt, zahlen Steuern und erwarten von der Politik, dass sie diese Probleme löst.“

Die Männer und Frauen, um die es geht, wissen, dass sie nicht gerne gesehen sind. Mit ihrem Hund stehen sie in dem schummerigen Durchgang zu Kaufland. Für Nachschub ist gesorgt. „Gib’ ma rüber“, sagt einer, den sie René nennen und zeigt auf die Bierpulle. „Das Zeug darf doch nicht schlecht werden.“ Ihnen gefällt der Ort – und im vergleich zu vergangener Woche sei es ja auch schon gar nicht mehr so kalt. Alle haben eine Wohnung, aber da gehen sie höchstens zum Schlafen hin. „Vor uns muss man keine Angst haben. Wir sind harmlos“, sagt René und grinst ein Zahnlücken-Lächeln. Wer ihn mit seiner ollen Joppe und dem verdreckten Schalke-Schal so sieht, könnte auch anderer Meinung sein. Wahrscheinlich weiß er um seine Wirkung. Er schiebt hinterher: „Ich hab’ ein lautes Organ. Das hab’ ich von meiner Mutter geerbt. Aber wenn man mir sagt ,Schraub mal runter’, dann mach ich das auch.“

Robbie Schlagböhmer und die anderen betonen indes: „Wir haben nichts gegen die Menschen, man kann schnell in eine missliche Lage kommen. Wir wollen nur die Begleiterscheinungen abstellen.“