Oberhausen. Eine Knocheninfektion bei Kindern ist eigentlich gut zu behandeln, doch in Kriegsgebieten ist das oft unmöglich. Das Friedensdorf springt ein.
- Das Friedensdorf Oberhausen hilft Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten weltweit
- In Deutschland erhalten sie eine medizinische Versorgung und Hoffnung für die Zukunft
- Ein Rundgang gewährt Einblicke in das Leben im Dorf und die Arbeit der Helferinnen und Helfer
In einer Welt, die von Konflikten und Krisen geprägt ist, erstrahlt das Friedensdorf International als ein strahlendes Symbol der Menschlichkeit. Seit 1967 rettet und rehabilitiert diese Organisation Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten, die in ihren Heimatländern keine angemessene medizinische Versorgung erhalten. Nach einer langen Pause aufgrund der Pandemie öffnete das Dorf nun wieder seine Türen für Besucher.
Acht Menschen nahmen am ersten von zwei geplanten Dorfrundgängen teil. Claudia Peppmüller, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, empfing sie freudig: „Endlich können wir wieder zeigen, was wir tun und wofür die Spenden verwendet werden.“
146 Kinder aus sieben Ländern - Afghanistan, Angola, Gambia, Irak (Kurdistan), Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan - nennen das Dorf ihr derzeitiges Zuhause. Während des Rundgangs bot sich den Besuchern ein buntes Treiben einer fröhlichen Kinderschar, das sich erst auf den zweiten Blick von anderen Spielplätzen unterschied: Kinder mit Gehhilfen, externen Fixateuren, deren Metall hervorlugte und in Rollstühlen, die riskant von anderen Kindern um die Kurve manövriert wurden, Kinder mit fehlenden Gliedmaßen und mit Gesichtsmasken, die schlimme Verbrennungen verbargen.
Aureo aus Angola: Knochenentzündung brachte ihn nach Oberhausen
Einer von ihnen ist der 13-jährige Aureo aus Angola. Er kam mit einer Knochenentzündung und muss mit einem speziellen Orthopädie-Schuh laufen. Alle jungen Patienten im Friedensdorf sind nur Gäste auf Zeit und Aureo wird mit 23 anderen in der kommenden Woche die Heimreise antreten. Für ihn gibt es keinen Grund, traurig zu sein. Er freut sich darauf, seine Familie nach sechs Monaten wiederzusehen.
Friedensdorf-Mitarbeiterin Peppmüller berichtet den Teilnehmern des Rundgangs von ihren Reisen. Sie weiß, dass sich die Lage in armen Ländern keineswegs verbessert hat. Vor allem Corona und der Krieg in der Ukraine haben die Situation verschärft. So wurden Grundnahrungsmittel teurer und viele arme Menschen haben Probleme ihre Familie zu ernähren, an Geld für Krankenhausaufenthalte ist da gar nicht zu denken.
Das Friedensdorf ist mehr als eine medizinische Einrichtung; es ist ein temporäres Zuhause für Kinder, die fernab ihrer Heimat lebenswichtige medizinische Hilfe, Bildung und psychologische Unterstützung erhalten. Neben der Einzelfallhilfe und der Bildungsarbeit entsendet die Organisation regelmäßig Missionen in Länder wie Angola oder Afghanistan, um vor Ort direkt zu helfen. Dort arbeiten Mitarbeiter zusammen mit lokalen Partnern und bereiten Kinder auf die Reise nach Deutschland vor. Anfang Mai kamen 74 Kinder aus Angola, darunter einige „Härtefälle“, also schwer kranke Kinder, die hoffentlich hier gerettet werden können.
Kinder aus dem Gaza-Streifen gibt es derzeit nicht im Friedensdorf
Doch nicht überall kann das Friedensdorf helfen. Kinder aus Gaza gibt es, anders als noch 2014, derzeit nicht im Dorf, da es an einer Partnerorganisation vor Ort fehlt. Die Betreuung fremder Kinder setzt das Vertrauen der Eltern voraus. Dieses Vertrauen kann nur durch Personen gesichert werden, die im Heimatland die Kommunikation aufrechterhalten.
Die ausgewählten Kinder leiden unter Krankheiten, die in Deutschland gut behandelt werden können, wie zum Beispiel eine Knochenentzündung. Ohne medizinische Versorgung kann diese Krankheit zu einer Amputation führen. Ärzte in Deutschland bemühen sich, jeden noch so kleinen Knochen zu retten. Dies führt zu schwierigen Operationen, komplizierten Behandlungen und die Rehabilitation dauert lange.
Gulahmad, ein siebenjähriger Patient aus Tadschikistan, kennt all das. Er kam vor zwei Jahren mit einer Knochenhautentzündung im linken Bein nach Deutschland und erhält nun dreimal pro Woche Physiotherapie. Bei unserem Besuch befindet er sich in der beeindruckenden Reha-Abteilung des Friedensdorfs. Er liegt unter den heilenden Händen der Mitarbeiterin Minori Nakaoku. Freudestrahlend begrüßt er die fremden Erwachsenen.
Friedensdorf benötigt auch künftig Gratis-Behandlung in Krankenhäusern
Die Reha-Übungen finden bewusst mit einfachen Mitteln statt. So trainiert zum Beispiel die 11-jährige Marie Isabel. Sie hat eine Schiene am linken Bein und übt mit Glasmurmeln, die sie mit dem Fuß aufheben und in eine Schale legen muss. „Auf diese Weise“, so Claudia Peppmüller, „können die Kinder ihre Übungen später auch zuhause fortführen.“ Sie betont, dass heute mehr medizinische Versorgung direkt im Friedensdorf stattfindet, da die Krankenhausaufenthalte aus Kostengründen kürzer geworden sind. Sie sorgt sich um die bevorstehende Gesundheitsreform, die es schwieriger machen könnte, kostenlose Behandlungen in Kliniken zu erhalten.
Der offene Dorfrundgang zog auch Gäste aus dem Emsland an, drei herzensgute Menschen des Bonifatius-Hospitals, die die 135 Kilometer aus Lingen aus einem einzigen Grund zurücklegten: Sie hatten über Monate den kleinen Fabio aus Angola in urologischer Behandlung. Der Dreijährige hat ihre Herzen erobert und wurde von Birgit Schmidt, Ulrike Herzog und Beate Krüp nach Strich und Faden verwöhnt. Nun wollten sie mit eigenen Augen sehen, wie gut es ihm geht.
Die Kinder im Dorf sind nach Alter und Geschlecht, aber nicht nach Nationalität getrennt. So lernen sie sich untereinander und andere Länder kennen und entwickeln Toleranz. „Das berührt mich“, sagte die Besucherin Daniela Wied. Sie war beeindruckt vom friedlichen Zusammenleben unabhängig von Nation, Ethnie oder Religion. Sie war als Oberhausenerin neugierig auf das Friedensdorf, von dem man so viel hört.
Im Friedensdorf International finden kleine Geschichten großen Mut. Hier, in der sicheren Umgebung von Oberhausen, werden Wunden geheilt und neue Freundschaften geschlossen. Kinder aus unterschiedlichsten Ländern lernen hier nicht nur laufen oder spielen, sondern auch, was es bedeutet, Teil einer globalen Gemeinschaft zu sein. Das Dorf ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Mitgefühl und Unterstützung Hoffnung geben können.
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