Oberhausen. Bei einer Demo haben Oberhausener Bauern ihre Nöte und Sorgen deutlich gemacht. Wie die Menschen auf der Straße reagierten.

Die riesigen Körbe, bis zum Rand mit Äpfeln gefüllt, fielen Besuchern sofort ins Auge, die sich am Mittwochnachmittag (7. Februar) vor dem Technischen Rathaus in Sterkrade eingefunden hatten. Das Obst stammte allerdings nicht mehr von Markthändlern am Morgen, sondern heimische Landwirte hatten es mitgebracht. Sie wollten mit den Bürgern über die Bauernproteste der vergangenen Wochen ins Gespräch kommen. Die frischen Erzeugnisse verschenkten sie derweil frei Haus.

Zwischendrin ergriff Christoph Köster das Wort, der sich „als Landwirt aus Leidenschaft“ vorstellte und zugleich als zweiter Vorsitzender der Kreisbauernschaft Ruhrgroßstädte (Essen, Mülheim, Duisburg, Oberhausen) fungiert. Rund 25 Landwirte habe Oberhausen noch, sieben davon betreiben die Höfe im Voll-, die übrigen im Nebenerwerb. Nur noch neun Prozent des Stadtgebiets werden landwirtschaftlich genutzt, also als Acker- oder Getreideflächen, erklärte Köster. „Das zeigt, wo der Schuh drückt.“

Eine Schar von Zuhörern hatte sich vor dem Technischen Rathaus in Sterkrade eingefunden.
Eine Schar von Zuhörern hatte sich vor dem Technischen Rathaus in Sterkrade eingefunden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Forderungskatalog an Politiker übergeben

Christoph Köster übergab im Anschluss an Vertreter von CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke einen Forderungskatalog der Kreisbauernschaft Ruhrgroßstädte.

Darin listen die Landwirte die Schritte auf, die aus ihrer Sicht in nächster Zeit notwendig sind. Unter anderem soll für den Agrardiesel eine tragfähige Lösung gefunden werden. Die Landwirtschaft soll bei nicht-fossilen Kraftstoffen von der Steuer befreit werden. Schließlich machen sich die Bauern für eine Initiative stark, auf nationaler und europäische Ebene die Landwirtschaft zu entbürokratisieren.

Er räumte ein, dass die Probleme in und mit der Landwirtschaft sehr komplex seien. Daher nahm er sich einige Beispiele vor, um den Zorn und die Wut des Berufsstandes zu erklären. Ein Landwirt mit 120 Kühen verbrauche für all seine Fahrten im Jahr 80.000 Liter Diesel. Durch den Wegfall von Subventionen „fehlen ihm jetzt 16.000 Euro“.

Aber auch die Öko-Bauern treffe der Rotstift hart. Ein solcher Landwirt dürfe nun mal keine Mittel zur Unkrautbekämpfung einsetzen, müsse stattdessen viel häufiger mit seinem Traktor und passendem Gerät über die Felder, um Unkraut zu beseitigen. „Da wird auch jede Menge Diesel gebraucht.“ Schließlich müsse man noch bedenken, dass in der Regel die Erträge von Ökoflächen deutlich niedriger ausfallen als bei der herkömmlichen Landwirtschaft. Wenn das so weitergehe, seien immer mehr Höfe gezwungen, ihren Betrieb aufzugeben.

Mit Protestplakaten hatten die Landwirte ihre Traktoren ausgestattet.
Mit Protestplakaten hatten die Landwirte ihre Traktoren ausgestattet. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Auf die in den vergangenen Wochen immer wieder heiß diskutierten Subventionen für die Landwirtschaft kam Köster ebenfalls zu sprechen. An die Zahlungen seien nämlich Bedingungen geknüpft. So sollen die Landwirte ab diesem Jahr vier Prozent ihrer Ackerfläche pro Jahr stilllegen. Im Falle einer Pacht müsse man den Betrag dafür aber trotzdem aufbringen. Schließlich gab der Landwirt zu bedenken, dass die Bauern hierzulande ihre Preise nur dank der Subventionen halten könnten, ansonsten seien sie weder national noch über Deutschlands Grenzen hinweg wettbewerbsfähig.

Wie sich aus den Worten von Köster heraushören ließ, staut sich seit Jahren auch noch an ganz anderen Stellen Frust auf. Die Bürokratie nimmt für sie Überhand. Zu allem müsse genau Statistik geführt werden, seien es Erzeugnisse wie Obst, Gemüse oder Eier, die die Hennen auf dem Hof legen. Ganze Ordner füllen sich ferner durch die Angaben, die Berufsgenossenschaft und Arbeitsschutz einfordern würden.

Auf dem Platz vor dem Technischen Rathaus in Sterkrade hatten die Landwirte zahlreiche Traktoren aufgefahren.
Auf dem Platz vor dem Technischen Rathaus in Sterkrade hatten die Landwirte zahlreiche Traktoren aufgefahren. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Während Köster sprach, warb im Publikum eine Frau um Solidarität für die Landwirte. Die Bänder, die sie verteilte, nahmen zahlreiche Besucher an und verknoteten sie an ihren Mänteln. „Ich bin ganz auf der Seite der Landwirte, denn mir ist an den heimischen Produkten sehr gelegen“, meinte etwa eine Frau mittleren Alters. „Auf keinen Fall möchte ich eines Tages auf Erzeugnisse aus einem 3-D-Drucker angewiesen sein.“ Ein älterer Herr, jahrzehntelang als Gastronom tätig, zeigte großes Verständnis für die Sorgen und Nöte der Bauern. „Ich war auch jahrzehntelang selbstständig und da muss man ganz anders denken und kalkulieren.“

Schließlich ging Christoph Köster in Gesprächen dann auch auf die Summen zu den Einkommen ein, die die Landwirte in den vergangenen Jahren erzielt haben sollen. Von 100.000 Euro ist die Rede. „Das sind aber Durchschnittswerte. Das bekommen längst nicht alle.“ Man müsse zudem bedenken, dass es sich um einen Ausnahmewert handele, in anderen Jahren „lag der Durchschnitt bei 50.000 oder 60.000 Euro.“ Davon muss aber, ergänzt der Oberhausener, eine ganze Familie leben und schließlich seien auf einem Hof auch immer wieder Investitionen fällig.

Oberbürgermeister Daniel Schranz wandte sich nach der Rede von Köster an die Zuhörerschar und versicherte, dass die Stadt an der Seite der Landwirte stehe. Als er auf das Demonstrationsrecht zu sprechen kam, das den Landwirten zustehe, das aber autoritäre Systeme meist gleich zu Beginn abschaffen würden, wenn sie an die Macht gelangen, fielen ihm mehrere Besucher lautstark ins Wort. „Was hat das denn hiermit zu tun?“, gingen ihn mehrere Zuhörer an. „Das hören wir doch jeden Abend im Fernsehen, was soll das jetzt.“ Schranz ließ sich aber nicht unterbrechen und dankte den Landwirten für ihr unermüdliches Engagement. Auf Nachfrage erklärte er, dass die Stadt die Landwirte unterstützen könne, indem Oberhausen unter anderem dafür Sorge trage, landwirtschaftliche Flächen möglichst zu erhalten.

Derweil hatten sich nach und nach die Apfelkörbe schon kräftig geleert, einige Besucher nahmen das Obst auch gerne mit - als Wegzehrung auf dem Nachhauseweg.

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