Oberhausen. Das neue Oberhausener Sparpaket trifft viele Bürger, doch nur wenige kamen zum Bürgerdialog mit der Stadtspitze. Die brachten aber Spartipps mit.
„Das ist doch eine Arbeitsorganisation wie vor 100 Jahren“, ruft plötzlich ein Bürger verärgert aus, als er sein Erlebnis bei der Beantragung des Reisepasses im Oberhausener Rathaus erzählt. Erst Termin machen, dann Formular am Schreibtisch der Stadtbediensteten ausfüllen, dann zur Kasse gehen, dort warten, danach mit der Quittung nochmal zum gleichen Schreibtisch. „In dieser Zeit kann eine Angestellte doch nichts Vernünftiges machen, die wartet quasi mit mir die ganze Zeit.“ Mit anderen Worten: Das Rathaus selbst könnte viel effizienter arbeiten und Personal sparen.
Das war einer von mehreren Spartipps beim Bürgerdialog an diesem Donnerstagabend, zu dem Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) und Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras (SPD) in den dritten Stock des Bert-Brecht-Hauses geladen haben. Schließlich hat die Stadt ein dickes Sparpaket mit 34 Einschnitten für ihre Einwohner geschnürt, da will man Bürger beteiligen. Doch es ist bedauerlich, dass dem Aufruf zum direkten Gespräch gerade mal gut 40 Bürgerinnen und Bürger von 210.000 Einwohnern folgten. Viele rufen immer nach Bürgerbeteiligung, verdächtigen, dass „die da oben“ sowieso machen würden, was sie wollen - aber wenn die Chance besteht, Tacheles mit den Verantwortlichen zu reden, kommen nur wenige.
Dabei würde man im dritten Stock des Bert-Brecht-Hauses am Donnerstagabend auch den Hintergrund erfahren, wie schwierig es ist, ein 100-Millionen-Euro-Finanzloch über zehn Jahre zwischen den Einnahmen von 1,02 Milliarden Euro und den geplanten Ausgaben von 1,1 Milliarden Euro für 2024 zu schließen.
Die Anwesenden hatten sich allerdings hervorragend vorbereitet, kämpften für den Erhalt der stattlichen Buche an der Kewerstraße („Ist billiger“), das Aus oder die Wiedergeburt der Straßenbahnlinie 105 von Essen-Frintrop zum Centro oder für den Abtransport der neuen umstrittenen Fahrrad-Parkboxen im Bismarckviertel mit detaillierten Kostenrechnungen. Schranz und Tsalastras antworteten geduldig zweieinhalb Stunden lang. Hier die wichtigsten Sparideen der Bürger - und die Entgegnung der Stadtoberen.
Erstens: Warum verdient der frühere OGM-Geschäftsführer Hartmut Schmidt, jetzt ohne Aufgaben, immer noch über 210.000 Euro? OB Schranz: „Ich kann den Frust darüber nachvollziehen. Wir stehen unmittelbar vor einer Lösung, die vorteilhaft für die Steuerzahler ist.“
Zweitens: Warum verdienen die Geschäftsführer der Stadttöchter so viel Geld, in der Spitze bis zu 355.000 Euro im Jahr? „Wir müssen Leute finden, die bereit und fähig für diese Verantwortung sind. Der Verdienst richtet sich dabei nach dem, was branchenüblich ist.“
Drittens: Warum reduziert die Stadt nicht ihre gut 40 Beteiligungen mit Stammkapital und Aufsichtsräten, da für jede Rechnung dieser Stadttöchter unnötige Mehrwertsteuer anfällt? OB Schranz: „Das machen wir bereits, wie die Beispiele PBO, Ovision, BFO und OGM zeigen. Die haben wir aufgelöst. Aber andere benötigen wir als GmbH.“
Viertens: Das Centro hat in der Weihnachtszeit viel Geld eingenommen. Kann man da nicht eine höhere Gewerbe- oder Grundsteuer nehmen? Tsalastras: „Der Gewerbe- und Grundsteuersatz ist für alle gleich. Das Centro zahlt Gewerbe- und Grundsteuer, die Geschäfte zahlen Gewerbesteuer. Wir profitieren davon, wenn es dem Centro gut geht. Gleichwohl haben wir nur eine schwache Steuerkraft, weil im Strukturwandel so viele Großunternehmen weggefallen sind.“
Fünftens: Warum verzichtet man nicht auf die Fahrradboxen im Bismarckviertel, da die doch keiner benötigt, und diese durch die Betriebskosten zur Belastung werden? OB Schranz: „Die Fahrradboxen dienen nicht der Einnahme, sondern sollen alternative Verkehrsmittel wie das Fahrrad fördern, da Oberhausen eine sehr autolastige Stadt ist.“ Wie sehr die Boxen genutzt werden, werde untersucht. Tsalastras: „Das Gute ist, die Boxen sind zu 90 Prozent vom Land gefördert worden und die kann man zu anderen Standorten bringen.“
Sechstens: Warum fällt man die Buche an der Kewerstraße und macht eine neue Straßenführung, ohne dass dort ein Unfallschwerpunkt ist? OB Schranz: „Es gibt Standards bei Erneuerung von Straßen und Brücken zur notwendigen sicheren Verkehrsführung. Bisher hat uns kein Gutachter ein Vorschlag machen können, wie man dies ohne Fällung der Buche umsetzen kann.“
Siebtens: Warum gibt es Parkuhren vor allem im armen Süden, aber nicht im reichen Norden der Stadt? OB Schranz: „Wir müssen Parkgebühren dort nehmen, wo es hohen Parkdruck gibt, Das ist analysiert worden und der ist in Sterkrade-Mitte und in der Oberhausener City nun einmal höher als in Schmachtendorf. Das hat keine sozialen Gründe.“
Achtens: Warum spart man nicht die Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 ein, die 130 Millionen Euro kosten soll? Tsalastras: „Der Eigenanteil der Stadt beträgt hier nur 5 bis 10 Prozent, die Bahn hat einen viel höheren Nutzen für die Region als sie kostet, das ergeben Berechnungen. Sonst würde die Bahn nicht gefördert.“
Neuntens: Muss man bei den Sozialleistungen nicht mehr prüfen? Tsalastras: „Das machen wir sehr genau, aber wenn jemand Anspruch auf Geld hat, dann hat er auch ein Recht darauf.“
Zehntens: Kann man beim Rathaus-Personal nicht mehr sparen? Tsalastras: „Das machen wir, wir holen da zwei Millionen Euro heraus, in dem wir gewünschte neue Stellen ohne Gegenfinanzierung durch andere streichen.“
Und was ist mit diesen jahrhundertealten umständlichen Abläufen im Rathaus? Oberbürgermeister Daniel Schranz bestreitet solche Erfahrungen von Bürgern nicht. „Aber seit zwei Jahren haben wir durch die Digitalisierung vieles verbessert, wie die Online-Buchung von Terminen. Wir setzen das intensiv fort.“