Oberhausen. Die Zukunft der Geburtshilfe ist in Gefahr: Freiberufliche Hebammen in Oberhausen sind rar. NRW setzt auf mobile Praxen – nur nicht vor Ort.

Gerade freiberuflich tätige Geburtshelferinnen sind gefragt wie nie. Doch unter den werdenden Eltern wächst die Verzweiflung. Die meisten können einfach keine mehr finden. Das NRW-Gesundheitsministerium will helfen und setzt ab Sommer mobile Hebammenpraxen ein. Weshalb das keine Lösung ist und was stattdessen getan werden müsste.

Die Lage in Oberhausen ist wie überall: Wer eine Hebamme sucht, stößt im Internet zwar noch auf einige Adressen von freiberuflich tätigen Geburtshelferinnen. Doch der anfängliche Optimismus verschwindet schnell: Nur vier bieten auch eine Begleitung während der Geburt an.

Hebammen müssen hohen Versicherungsbeiträge zahlen

Johanna Weinem hat in Oberhausen allerdings das Handtuch geschmissen, als ihre beiden Kolleginnen in Rente gingen. „Die vielen Tage der ständigen Rufbereitschaft – das war alleine nicht mehr zu stemmen.“ Treu geblieben ist sie sich dennoch. Sie begleitet jetzt außerklinische Geburten in einem Dinslakener Geburtshaus. Wer dort einen Platz ergattert, hat Glück: „Während der Geburt betreuen wir die Schwangeren zu zweit.“ Interessierte Eltern kommen aus der gesamten Region, vor allem aus Oberhausen, Dinslaken, Wesel, Voerde. Dazu kommen Vor- und Nachsorge, Rückbildungsgymnastik, Stillberatung. „Bei vielen Kursen übernehmen die Kassen einen Teil der Kosten.“

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Worauf die Eltern aber stets sitzen bleiben, ist der Selbstanteil für die Rufbereitschaft. Der kann von den Hebammen frei festgelegt werden und bewegt sich zwischen 400 und 1000 Euro pro Geburt. Er ist als Ausgleich für die letzten fünf Schwangerschaftswochen gedacht, in denen sich die Geburtshelferinnen an sieben Tagen in der Woche und 24 Stunden am Tag für ihren Einsatz bereithalten. Trotz der hohen Gebühr – die Warteliste für das Geburtshaus ist lang. Johanna Weinem weiß: „Viele Frauen bleiben leider unversorgt.“

In Oberhausen keine Räume für eine Hebammenpraxis gefunden

Auch bei Nadine Hackelbörger läuft täglich das Telefon heiß. Die Oberhausenerin ist in einer Hebammenpraxis in Gladbeck tätig. Weshalb nicht in Oberhausen? „Weil wir für unsere Praxis hier keine passende Immobilie finden konnten.“ Hackelbörger bietet „alles rund um die Geburt“ an. Noch gehören auch Begleit-Beleggeburten im Uniklinikum Essen dazu. Doch die Kosten fressen sie auf. „Als Selbstständige muss ich mich freiwillig gesetzlich versichern, aktuell sind das rund 1000 Euro pro Monat.“ Dazu komme die im Januar erneut erhöhte Haftpflichtversicherung für Hebammen. „Das wären dann noch einmal zirka 1000 Euro im Monat.“ Insgesamt (plus Rentenversicherung etc.) zahle sie inzwischen etwa 2500 Euro monatlich, „nur damit ich arbeiten kann“.

Tatsächlich haben insbesondere die hohen Sätze der gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung für Hebammen dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren immer mehr freiberufliche Geburtshelferinnen aus ihrem Beruf flüchteten. Folgeschäden bei Fehlern während der Geburt sollen damit für Neugeborene und ihre Familien abgesichert werden. Zwar können Hebammen inzwischen beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Erstattung in Höhe von rund 60 Prozent beantragen und müssen damit nur noch 40 Prozent der Versicherungskosten aus eigener Tasche zahlen.

Die Oberhausener Hebamme Bettina Sommer bietet auch Beleggeburten im Kreißsaal des Ameos Klinikums St. Clemens an.
Die Oberhausener Hebamme Bettina Sommer bietet auch Beleggeburten im Kreißsaal des Ameos Klinikums St. Clemens an. © WAZ | CHARLY K.KANZEN

Doch die Hürden dafür sind hoch. Mindestens eine durchgeführte Geburt pro Quartal bei einer gesetzlich versicherten Frau müssen die Geburtshelferinnen nachweisen. Damit sie die entsprechende Genehmigung für eine solche Geburt erhalten, müssen sie im Vorfeld ein umfangreiches Qualitätsmanagement belegen. Letzteres kann bis zu zweimal jährlich von den Krankenkassen eingefordert werden. „Der Zeitaufwand ist enorm.“ Nadine Hackelbörger bleibt auf ihren Haftpflicht-Kosten im Moment alleine sitzen. „Wir hatten so viel zu tun, dass ich in den letzten zwei Jahren nur drei Geburten begleiten konnte.“ Trotz ihres Hebammenexamens im April 2020 und ihrer anschließenden Erfahrung als festangestellte Hebamme in Gelsenkirchen und Essen erfüllt die seit 2022 freiberuflich tätige Geburtshelferin die Voraussetzungen für eine Erstattung damit nicht mehr.

Hebammen: Bürokratische Hürden endlich abbauen

Bettina Sommer ist eine von den wenigen freiberuflichen Hebammen in Oberhausen, die auch vor Ort Beleggeburten anbieten (im Ameos Klinikum St. Clemens). Sie ist seit 1998 mit Feuereifer in ihrem Job tätig. Fortbildung ist ihr wichtig, deshalb absolvierte sie nach ihrer Ausbildung an einer Hebammenschule vor neun Jahren auch noch ein Hebammenstudium an der Universität in Köln. Den Bachelor stockt die 52-Jährige gerade mit einem Master in Witten auf. Alle drei Oberhausenerinnen halten die vom NRW-Gesundheitsministerium ins Rennen gebrachten mobilen Hebammenpraxen nur für einen „Tropfen auf den heißen Stein“. „Das Wichtigste in unserem Beruf ist die langfristige Begleitung“, betont Sommer. „Wir lernen die Familien kennen, kümmern uns während der Geburt um die Mutter und stehen den Eltern auch danach zur Seite – das kann keine mobile Praxis.“

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Deshalb müssten dringend andere Lösungen her. Die Fachfrauen wissen: „Es gibt viele junge Menschen, die sich für unseren Beruf interessieren, doch damit sie ihn ergreifen, müssen diese unfassbaren bürokratischen Hürden abgebaut werden.“ Wer ein Hebammen-Studium abgeschlossen hat, sollte keine Qualitätsnachweise für die Krankenkassen mehr erbringen müssen. „Die Studiengänge sind sehr praxisorientiert“, bestätigt Sommer. Außerdem: „Die Sätze der Haftpflichtversicherung für Selbstständige müssen umgehend gesenkt werden, der Erstattungsbetrag sollte bei einem Studienabschluss oder bei einer nachgewiesenen entsprechenden Berufserfahrung automatisch erfolgen.“ Für wünschenswert hielten es die Geburtshelferinnen auch, wenn der Selbstanteil der Eltern für ihre Rufbereitschaft komplett von den Kassen übernommen würde. „Eine natürliche Geburt darf nicht zum Luxusgut werden.“ Völlig unverständlich ist ihnen darüber hinaus, „dass das Hebammen-Studium mit einem Numerus Clausus verhindert, dass auch Abiturienten mit einer Drei gute Geburtshelfer werden“.