Oberhausen. 2023 war das erste Jahr des Bürgergeldes mit Zahlungen an Arbeitslosen praktisch ohne Strafen bei Faulheit. Das hat Folgen – auch in Oberhausen.
Obwohl Unternehmen trotz Wirtschaftskrise immer noch händeringend Fachkräfte und Helfer suchen, ist es dem Jobcenter Oberhausen in vier Jahren nicht gelungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen und anderen arbeitsfähigen Bürgergeldempfängern nennenswert abzubauen.
Seit 2018 schwankt die Zahl aller offiziell erfassten Oberhausener Arbeitslosen hartnäckig zwischen 11.000 und 11.800, 80 Prozent von ihnen werden im Jobcenter betreut. Im vergangenen Jahr, so muss der langjährige Jobcenter-Leiter Uwe Weinand beim Bilanzgespräch in der Redaktion einräumen, haben die 350 Jobcenter-Beschäftigten in der Innenstadt sogar weniger Arbeitslose in Lohn und Brot gebracht als noch im Jahr davor: 2022 wurden fast 3200 Menschen erfolgreich in Erwerbstätigkeit vermittelt, 2023 waren es nur gut 2700. Während die Zahl der Langzeitarbeitslosen im gesamten Ruhrgebiet um 1,0 Prozent abgenommen hat, stieg sie in Oberhausen um 2,1 Prozent an. Als Langzeitarbeitslose gelten alle Arbeitslosen, die länger als ein Jahr ohne Job sind.
Gründe, warum Arbeitslose keinen Job finden
Dass die Arbeit mit Langzeitarbeitslosen oftmals eine Sisyphusarbeit ist, ist klar: „Das ist kein statischer Block, wir vermitteln Arbeitslose, bekommen andere Arbeitslose aber dazu“, erläutert Weinand. So hat die schnelle Übernahme der über 3000 Ukraine-Flüchtlingen ins Bürgergeld-System des Jobcenters maßgeblich dazu geführt, dass die Arbeitslosenquote wieder über die Zehn-Prozent-Marke geklettert ist.
Arbeitsagentur-Chef Jürgen Koch und Jobcenter-Leiter Uwe Weinand nennen im Gespräch viele Gründe, warum es trotz freier Stellen nur schwer möglich ist, Langzeitarbeitslose auf einen Dauer-Job zu hieven: fehlende Deutschkenntnisse, angeschlagene Gesundheit, Alkoholprobleme, wenig Motivation, zu knappe Kita-Zeiten für alleinerziehende Mütter, geringe Qualifikation.
So erreichen knapp 60 Prozent der Oberhausener Arbeitslosen gerade mal das Anforderungsniveau „Helfer“. Ausgerechnet solche freien Jobs im Helfer- und Anlernbereich sind im vergangenen Jahr in Oberhausen stark geschwunden. Weinand gibt zudem zu Bedenken: „Selbst wenn man in der Halle als Packer oder Helfer arbeitet, geht das nicht ohne Kenntnisse.“ Und Durchhaltevermögen: Früh aufstehen, fünf Stunden durcharbeiten bis zur Mittagspause, danach weitermachen. „Unternehmer sagen uns ganz offen, mit dem oder mit der kann ich nichts anfangen“, beschreibt Koch die Lage.
Jobcenter-Chef: Eine kleine Gruppe von Arbeitslosen nutzt das System
Beide Arbeitsmarktexperten sind nach ihren Erfahrungen überzeugt davon, dass der überwiegende Teil der Arbeitslosen tatsächlich einen Job sucht, doch „eine kleine Gruppe nutzt das System aus“ (Weinand). Koch glaubt, dass der gesellschaftliche Wandel zum Wert der Arbeit auch bei etlichen Arbeitslosen dazu führt, dass der Drang, sich selbst finanziell auf den Beinen zu halten, abgenommen hat. „Früher war der Wert von Arbeit viel mehr als nur der Lohn; dazu gehörte auch das Gefühl, dazuzugehören oder wertgeschätzt zu werden. Das hat sich bei einigen deutlich geändert – und für die ist das heutige Bürgergeld zu hoch. Die sagen sich, es lohnt sich für mich wirtschaftlich nicht, für ein paar hundert Euro mehr arbeiten zu gehen.“
Grundsätzlich stimmen Koch und Weinand der Intention der Bürgergeld-Vorschriften zwar zu, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und zur Kooperation zu bewegen, doch für die kleine Gruppe von faulen Arbeitslosen bedauern beide, dass das Instrument der Sanktionen mit dem Bürgergeld zunächst weggefallen ist. „Ich bin kein Fan von Sanktionen, wir hatten auch immer eine niedrige Sanktionsquote“, sagt Weinand. „Doch bei so manchen hilft schon der Druck durch die Androhung einer möglichen Sanktion, dass diese sich bewegen.“
Bald erhalten die Jobcenter eine neue Sanktionsmöglichkeit. Das Bundeskabinett hat am 8. Januar grünes Licht für härtere Strafen für Totalverweigerer gegeben: Danach kann das Bürgergeld für zwei Monate komplett gestrichen werden, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. Weinand begrüßt dies trotz möglicher rechtlicher Hürden, ans Existenzminimum zu gehen, meint aber auch: Man solle sich keine Illusionen machen. „Wer wirklich hartnäckig die Kassen des Jobcenters ausnutzen will, schafft dies auch, wenn Sanktionen vorhanden sind.“
Hohe Zahl an Beschäftigten in Oberhausen
Trotz aller Probleme mit Langzeitarbeitslosen betrachten Koch und Weinand die Lage auf dem Oberhausener Arbeitsmarkt des Jahres 2023 als gut und zufriedenstellend. „Oberhausen ist auf einem guten Weg. Wir haben eine historisch hohe Zahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von über 70.000 und einen sehr guten Branchenmix. Wir können in den nächsten Jahren an die Mülheimer Arbeitslosenquote von 8 Prozent herankommen.“ Das wären gut zwei Prozentpunkte weniger als heute.
2023 allerdings ist die Zahl aller Arbeitslosen in Oberhausen erst einmal wieder gestiegen – um 2,1 Prozent auf 11.564 im Schnitt. Das ist aber besser als im Ruhrgebiet: Die gesamte Arbeitslosigkeit kletterte mehr als doppelt so hoch wie in Oberhausen – um 4,8 Prozent.
Denn die Wirtschaftskrise macht sich nun doch zunehmend am Arbeitsmarkt in Oberhausen bemerkbar: Die Zahl der Insolvenzen und anzeigepflichtigen Entlassung stiegen 2023 deutlich. „Die meisten finden jetzt noch schnell einen neuen Job, doch wir spüren, dass die Unternehmen viel vorsichtiger einstellen“, sagt Koch. Die Zahl der offenen Stellen ist deutlich gesunken: von über 2500 im Jahre 2018 über gut 1900 im Jahre 2022 auf nur noch 1632 im vergangenen Jahr. „Das ist ein klares Alarmsignal.“