Oberhausen. Die Schallplattenbörse begeistert ihre 700 Fans mit kleinen Preisen und teuren Sammlerstücken. Manche kaufen rasante Designs auch als Wandschmuck

Polyvinylchlorid kennt kaum einer. Und trotzdem sorgt dieses Material für Musik in den Ohren. Vinyl, der kreisrunde, herrlich analoge Tonträger, sorgte am Sonntag in der Luise-Albertz-Halle von Oberhausen für strahlende Gesichter. Schon am frühen Morgen warteten Sammler vor den Türen. 50 Aussteller stellten schicke Schätze in einfache Pappkartons. Und das gleich reihenweise.

Ulrich Lauber (72) ist sozusagen der Großmeister der Vinyl-Träume. Seit 1985 veranstaltet Lauber die Schallplattenbörse. Hat vom ersten Hype über die Versenkung bis hin zum Comeback alles mitgemacht. Die allererste Plattenbörse startete in der Stadthalle Hagen, auch in Oberhausen gastiert er mit klangvollen Waren seit Jahrzehnten - zwischendurch im Revierpark Vonderort. Er sagt: „Die Herzkammer der Plattenliebhaber befindet sich im Ruhrgebiet. Das liegt nicht nur an den kurzen Wegen, sondern an der regen Sammlerszene.“

Schallplattenbörse Oberhausen: Zurück zum Analogen - und zur Qualität

Schallplatten sind einfach nicht platt zu kriegen. Im Gegenteil. Mit Wonne sezieren hunderte Finger die Plattenkisten. Klassiker liegen hier neben Neuerscheinungen. 2011 wurden hierzulande nur 700.000 Platten verkauft. Im vergangenen Jahr waren es bereits 4,3 Millionen. „Wer Musik nicht nur nebenbei hört, sondern Wert auf feine Details und originalgetreue Instrumente legt, hört die Schallplatte“, meint Lauber. In Zeiten von Streaming und Digitalisierung wird der analoge Tonträger durch seine Klangeigenschaften immer beliebter. Knarzen hin oder her. Musikwelt verkehrt.

Das schlägt sich auf die Preise nieder. Die Ein-Euro-Kisten sind nicht das Hauptaugenmerk für Profi-Sammler. Diese suchen Raritäten. Beim Kraftwerk-Album „Die Mensch-Maschine“ aus dem Jahr 1978 klebt noch der Karstadt-Sonderpreis auf dem Cover. 16,90 DM kostete die Scheibe der Düsseldorfer Elektro-Pioniere damals. Heute werden im gebrauchten Zustand 45 Euro fällig.

Frank Zappas zweites Solo-Album „Hot Rats“ kostet 20 Euro. Das blaue Beatles-Album „1967-1970“ rund 15 Euro. Zum Vergleich: Erweitert auf drei Langspielplatten gibt's die neue Version des "blauen Albums" ab 80 Euro. Pink Floyds Debütalbum „The Piper at the Gates of Dawn“ kostet an den Börsentischen wieder 40 Euro. Der Preis ist abhängig von Auflage und Zustand. Das gehört zum kleinen Sammler-Einmaleins. Der Kurs geht in Oberhausen hoch bis mehrere hundert Euro pro Platte.

Schallplattenbörse Oberhausen: Händler sorgen sich um Einkaufspreise

Auch aktuelle Stars wie Taylor Swift pressen längst wieder auf Vinyl. Neuerscheinungen bereiten Händlern aber auch Sorgen. „Das Vinyl kostet uns im Einkauf oft zwischen 25 und 30 Euro. Wie viel soll eine neue Platte dann für die Kunden kosten?“, sagt Jens Bartel aus Hessen. Er hat sich auf Heavy Metal, Punk und Indie spezialisiert. Er sagt: „Gerade die Metal-Schallplatten sind besonders begehrt. Gebrauchte Platten sind im Ankauf kaum noch zu bekommen.“

Der Markt leide darunter, dass es zu wenig Presswerke gebe. Unbekanntere Indie-Bands hätten mit kleinen Auflagen oft Probleme, ihre Aufträge loszuwerden - vor allem in Deutschland. Im Ausland sehe es etwas entspannter aus. „Made in Poland“ sei in Plattenkreisen mittlerweile ein Qualitätsmerkmal.

Auch Horst Achten aus Bergheim beobachtet den Sammlermarkt aus der Expertensicht. Bei ihm stehen Schallplatten der Genre-Großmeister. Er sagt: „Ganz gleich in welcher Stadt wir verkaufen, AC/DC geht immer.“ Der Sammler staunt aber immer noch, trotz jahrelanger Erfahrung. „Auf der Plattenbörse hatte ich sogar Kunden, die Schallplatten für Sammler aus der Mongolei erstanden haben.“ Bruce Springsteen sei dabei gewesen. Der Boss auf dem Sprung nach Asien.

Schallplattenbörse Oberhausen: Junge Fans nutzen Plattencover als Zimmerschmuck

Ein Hobby nur für Veteranen ist die Plattenleidenschaft auf keinen Fall. Viele junge Gesichter sieht man in Oberhausen stöbern. Darunter junge Frauen. Achten: „Ich habe mehrere Kundinnen, die um die 20 Jahre alt sein. Sie kaufen die Schallplatten, obwohl sie gar keinen Plattenspieler besitzen. Sie hängen die Plattencover wie Bilder in ihre Zimmer.“ Darunter seien schräge Motive, wie der Soundtrack zum Horror-Klassiker „Nightmare on Elm Street“. Oder die bunten Aufdrucke aus Disney-Filmen wie „Aladdin“.

Börsen-Chef Ulrich Lauber sieht die Plattenbörse nicht nur als Schnäppchenmarkt, sondern als entschleunigten Szene-Treff. „Viele Besucherinnen und Besucher verbringen den halben Tag bei uns, gehen zwischendurch zum Essen und kehren danach zurück.“ Ein Fachsimpel-Epizentrum. Mit heißer Nadel ist hier nichts gestrickt.

>>> Oft nur noch Ramsch: CDs sind klar in der Unterzahl

Neben Schallplatten lagen auch CDs in den Auslagen der Händler. Die digitalen Silberlinge machen aber nur noch 20 Prozent des Sammlermarktes aus. Dabei sind sie doch eigentlich das Nachfolgeformat der ersten Plattenwelle.

Zwar gibt es auch hier wertvollere Fundstücke, doch nicht selten werden CDs regelrecht verramscht. Ulrich Lauber: „Die Börsenpreise beginnen dann bei 50 Cent.“