Oberhausen. Sozialverbände drohten wegen des Geldmangels mit Kürzungen in der Betreuung. Die Stadt Oberhausen reagiert. Doch der Kompromiss reicht nicht aus.
- Oberhausen schnürt ein 100-Millionen-Euro-schweres Sparpaket
- Wohlfahrtsverbände drohen daraufhin mit Kürzungen in der Kita-Betreuung
- Krisensitzung im Rathaus sorgt für Kompromiss
Können sich Eltern noch auf die gewohnten Betreuungszeiten in den Kindertagesstätten und im Offenen Ganztag an den Grundschulen in Oberhausen verlassen? Die Betreiber dieser sozialen Dienste im Stadtgebiet schlagen angesichts der Finanznöte der Stadt Oberhausen Alarm - schließlich schnürt gerade der Kämmerer zusammen mit der Politik ein 100-Millionen-Euro-schweres Sparpaket, das auch im Sozialbereich eingreifen wird.
Die Wohlfahrtsverbände, ob Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz, Caritas oder Diakonie, kämpfen aber schon in diesem Jahr mit erheblichen Kostensteigerungen beim Personal: Denn Erzieherinnen und Sozialarbeiter haben in ihren Tarifrunden deutlich höhere Lohnzuschläge inklusive Inflationsprämie herausholen können, als die Sozialverbände einkalkuliert hatten. Eines ist klar: Dauerhaft Verlust machen können und dürfen die Wohlfahrtsverbände mit ihren Angeboten nicht, ob Kinder-, Schüler- oder Schuldnerbetreuung. Das ist aber nach Angaben der Betreiber bereits geschehen, etwa bei den so wichtigen Sozialarbeitern. Deshalb drohen die Wohlfahrtsverbände damit, gezwungen zu sein, Früh- und Spätbetreuungen an Grundschulen wegfallen zu lassen, Sozialarbeitsstellen nicht mehr zu besetzen, die Schuldenberatung einzustellen und den Betreuungsumfang in den Kitas von 45 auf 35 Stunden zu begrenzen.
Krisensitzung zu Kitas und Grundschulen im Oberhausener Rathaus
In einer hochkarätig besetzten Runde der Stadtspitze haben Vertreter der Wohlfahrtsverbände im Rathaus zusammen mit Oberbürgermeister Daniel Schranz an diesem Dienstag darum gerungen, die für Familien so wichtigen Dienste aufrechtzuerhalten. „Die Sozialverbände haben nachweisen können, dass sie tatsächlich eine hohe zusätzliche Kostenlast tragen müssen“, sagte Familiendezernent Jürgen Schmidt im Gespräch mit der Redaktion. „Hauptproblem ist, dass das Land mehrere soziale Dienste nicht auskömmlich finanziert, wir aber natürlich dafür sorgen wollen, dass die sozialen Dienstleistungen insbesondere für Familien erhalten bleiben, weil sie notwendig sind.“ Und das trotz eines künftigen Finanzlochs von 100 Millionen Euro.
Die Stadt Oberhausen hat sich trotzdem dazu durchgerungen, einen guten Teil der enormen Personalkostensteigerungen im Offenen Ganztag, in den Kitas und bei den Sozialarbeitern zu übernehmen. Die Aufwendungen für die Stadtkasse sind dafür enorm: Mit über einer Million Euro rechnet Schmidt allein für die Kitas, mit 500.000 Euro für die Grundschul-Nachmittagsbetreuung. Damit seien diese Dienstleistungen immerhin bis zum nächsten Kindergarten- und Schuljahr 2024/25, also bis zum Sommer des nächsten Jahres, gesichert. Die Stadt hofft darauf, dass sich das Land im nächsten Jahr finanziell stärker engagiert. Sicher ist das aber nicht. „Wir können aber auf keinen Fall immer das ausgleichen, was das Land versäumt“, kündigt Schmidt bereits an. Nach der Krise ist also vor der Krise. Zunächst aber müssten sich die Familien keine Sorgen machen. Gegenfinanziert werden soll das Nothilfe-Paket mit der Möglichkeit, krisenbedingte Kosten vom normalen Haushalt abzuspalten.
Wohlfahrtsverbände geben noch keine komplette Entwarnung
Mauno Gerritzen, Sprecher der Oberhausener Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, kann noch keine Entwarnung für Familien und Schuldner geben, dafür sei das Problem viel zu groß und keine dauerhafte strukturelle Lösung gefunden. Und erst am 11. Dezember wird der Rat mit einer noch zu erstellenden, neuen Beschlussvorlage über die zusätzliche Finanzspritze aus der Stadtkasse an die sozialen Dienstleister entscheiden. „Wir begrüßen die konstruktiven Gespräche und freuen uns, dass sich die Stadt noch einmal deutlich gestreckt hat. Doch wir müssen hier den öffentlichen Druck aufrechterhalten, denn wir sehen schon, dass das Land nun am Zug ist.“
Die bereits von den Sozialverbänden geplante Demo unter dem Motto „Für ein soziales Oberhausen“ vor dem Rathaus am Tag der Ratssitzung, am Montag, 11. Dezember, um 14 Uhr, ist deshalb noch nicht abgesagt. Denn noch seien nicht für alle angebotenen Sozialdienste Lösungen gefunden. So ist bisher die offene Kinder- und Jugendarbeit noch ausgeklammert. Diese ist nach Beobachtung der evangelischen Kirche in diesen Zeiten enorm wichtig, denn die Anforderungen seien nach der Corona-Pandemie in den Jugendzentren rasant gestiegen. Kinder würden von Hunger berichten, würden zerschlissene Kleidung tragen.
CDU- und Grünen-Lokalpolitiker kritisieren eigene schwarz-grüne Landesregierung
Schmidt stellte bereits am Mittwoch den Lokalpolitikern im Jugendhilfeausschuss die Stoßrichtung der Nothilfe an die Wohlfahrtsverbände vor. In der Diskussion darüber scheuten die Vertreter der Parteien, die in der schwarz-grünen Landesregierung die Verantwortung tragen, vor Kritik an ihren eigenen Leuten nicht zurück. „Die Landesregierung macht keine besonders gute Figur. Der kommunalpolitische Realitätscheck hält dem nicht stand“, sagt Grünen-Politiker Sebastian Girrullis. „Es ist doch erschreckend, dass wir bereits im November darum ringen müssen, das noch bis Sommer 2024 laufende Jahr finanziell abzusichern.“ CDU-Ratsfrau Ulrike Willing-Spielmann würdigte zwar, dass die Landesregierung angesichts der Gesamtlage bereits eine 100 Millionen Euro schwere Finanzspritze zusätzlich für alle Kitas im Land angekündigt hatte, aber: „Dies ist zwar besser als nichts, aber doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“