Oberhausen. Premiere: Ausgerechnet am Freitag, den 13. Oktober, ausgerechnet auf einem Friedhof suchen die Oberhausener Schauspieler die „Zeit für Freude“.

Glückliches Timing: Kaum hatte die Schwedische Akademie nach Jahrzehnten mal wieder einen norwegischen Dramatiker, nämlich Jon Fosse, für den Literaturnobelpreis auserwählt, da bringt das Theater Oberhausen auch schon Fosses „Nachfolger“ mit einer deutschsprachigen Erstaufführung auf die Bühne des Großen Hauses: Diesen Ruf nämlich genießt in Skandinavien längst Arne Lygre aus Bergen, neun Jahre jünger als der designierte Nobelpreisträger.

Im hohen Norden hat der 55-Jährige inzwischen alle bedeutenden Theaterpreise gewonnen. Seine Werke wurden in 13 Sprachen übersetzt – und der reisefreudige Autor ist gespannt auf die Premiere von „Zeit für Freude“ am Freitag, 13. Oktober, um 19.30 Uhr am Will-Quadflieg-Platz.

„Sein Text fühlt sich sehr nordisch an“, sagt Kathrin Mädler. Die Intendantin legt mit der aufwendigen Produktion ihre erste große Regiearbeit der Spielzeit vor. Sie verspricht dem Publikum einen „bildstarken Abend“, für dessen optische Opulenz wieder Franziska Isensee als Ausstattungsleiterin sorgt.

Dabei hat Arne Lygre – typisch skandinavisch, möchte man meinen – für den ersten Akt seines auf drei Stunden angelegten Opus (Pause inklusive) ausgerechnet einen idyllisch gelegenen Friedhof als Schauplatz bestimmt. Dennoch sei „Zeit für Freude“ kein düster-schweres Trauerspiel, betont Dramaturgin Laura Mangels. Und so „gruselig“ wie ein Ingmar Bergman’sches Seelendrama wolle man auch nicht daherkommen.

Ausstattungsleiterin Franziska Isensee will mit Bühnenbild und Kostümen wieder für „große Bilder“ sorgen.
Ausstattungsleiterin Franziska Isensee will mit Bühnenbild und Kostümen wieder für „große Bilder“ sorgen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Schließlich bietet die Regisseurin neben vier Schauspielerinnen und vier Schauspielern aus dem Ensemble auch der Mezzosopranistin Ekaterina Isachenko einen besonderen Auftritt: Ihre strahlende Stimme kommentiert das Geschehen mit einer Auswahl von Liedern Robert Schumanns, gefasst in neue Arrangements von Bühnenmusiker Juri Kannheiser. „Im Text von Arne Lygre sind es Popsongs“, erklärt Laura Mangels.

Doch worum geht’s in diesem „Freuden“-Drama, in dem sich immer mehr einander zunächst fremde Figuren begegnen? Im Zentrum, so die Dramaturgin, steht eine Figur, die verschwindet: Aksle kappt jäh alle Beziehungen zur Familie, zu seinem Partner, mit der knappen Erklärung: „Ich muss zu mir finden.“

Große Frage: „Wer ist mir wirklich wichtig?“

Nachts, im zweiten Akt, übernehmen die acht Akteure des Ensembles neue Rollen: Jetzt ist Tim Weckenbrock, der als Aksle nur die Abschiedsszene spielt, als David, der verlassene Freund, zu erleben. „Es wird spannend“, sagt Kathrin Mädler, „das Ensemble in dieser Spiegelung zu erleben“ – in anderen Rollen, aber ähnlichen Konstellationen. Der norwegische Star-Autor habe „Zeit für Freude“ noch unter dem Eindruck der Coronazeit geschrieben, meint die Intendantin. Sein Werk sei ein Appell gegen die Sprachlosigkeit, gegen das Verstummen, mündend in der großen Frage: „Wer ist mir wirklich wichtig?“

Schumann statt Popsongs – die Autor Arne Lygre eigentlich vorgesehen hatte: Mezzosopranistin Ekaterina Isachenko.
Schumann statt Popsongs – die Autor Arne Lygre eigentlich vorgesehen hatte: Mezzosopranistin Ekaterina Isachenko. © Struck-Foto

Den „freudvollen“ Titel, versichert Mädler, dürfe man getrost ernst nehmen: „Lygre trifft ganz genau unser Zeitgefühl“ – das ja momentan wahrlich nicht vor Optimismus sprüht. Dennoch gelte für ihre Inszenierung: „Das Hoffnungsvolle ist entscheidend.“

Texte entstehen „unterwegs von Hotel zu Hotel“

Ähnlich wie der Nordire Brian Friel oder wie einst US-Nobelpreisträger William Faulkner in seinen Romanen hat Arne Lygre in seinen inzwischen 17 Schauspielen einen eigenen Kosmos kreiert, dessen einzelne Figuren er aus dem einen Drama gerne mitnimmt ins nächste – ohne jedoch „Fortsetzungsgeschichten“ zu erzählen. „Wir spielen Zeit für Freude fast ungestrichen“, betont Laura Mangels. Der Norweger, der am liebsten „unterwegs von Hotel zu Hotel“ seine Texte schreibe, schenke der Bühne lebensnahe Figuren. In Oberhausen sollen sie „Fleisch und Blut bekommen“.

Drei Stunden Theater-Freude

Die Premiere von Arne Lygres „Zeit für Freude“ steigt furchtlos am Freitag, 13. Oktober, um 19.30 Uhr – eine knapp über dreistündige Aufführung (inklusive Pause). Weitere Vorstellungen folgen am Sonntag, 22. Oktober, um 18 Uhr, Freitag, 27. Oktober, Samstag, 11. November, und Mittwoch 29. November, jeweils um 19.30 Uhr.

Premierenkarten kosten von 12 bis 32 Euro, Karten für die späteren Termine von 11 bis 23 Euro, 0208 8578 184, per Mail an service@theater-oberhausen.de