Düsseldorf. . „Fanny und Alexander“ im Düsseldorfer Schauspielhaus: Stephan Kimmig findet treffende Bilder für eine Familie, deren Welt aus den Fugen gerät.

Eine fast vergessene Perle des schwedischen Meisterregisseurs Ingmar Bergman gräbt das Düsseldorfer Schauspielhaus aus: In seinem letzten Kinofilm „Fanny und Alexander“ (1982) beschrieb Bergman eine kalte, seelenlose Welt durch die Augen eines Zehnjährigen. Regisseur Stephan Kimmig schenkt dem opulenten Stoff eine gewisse Leichtigkeit, opfert dafür aber auch das Abgründige.

Basierend auf eigenen Kindheitstraumata, erzählt Bergman von der Familie Ekdahl, die nach dem plötzlichen Tod des Vaters aus ihrer großbürgerlichen Idylle gerissen wird und in den Bann eines herrschsüchtigen Bischofs gerät. Während sich Mutter Emilie dem neuen Familienoberhaupt zunächst hingebungsvoll an den Hals wirft, ist es vor allem ihr Sohn Alexander, der hartnäckig gegen den heuchlerischen Tyrannen aufbegehrt. Stets um eine diffuse Wahrheit und fuderweise Liebe bemüht, schlägt der Geistliche zurück: mit dem Rohrstock.

Einsatz von Puppen und Videozauber

Die quälende Züchtigung des Jungen lässt auch in Kimmigs Inszenierung am heftigsten schlucken. Ansonsten herrscht bei ihm über weite Strecken des knapp über dreistündigen Abends (mit Pause) eine verspielte Träumerei, die auf der riesigen Drehbühne (von Oliver Helf) mit geschicktem Einsatz von Puppen und viel Videozauber ausgeschmückt wird. Der Suggestion von Bergmans Bildwelten begegnet Kimmig mit ganzer Kraft und findet treffende Bilder für die existenziellen Nöte einer Familie, deren Welt aus den Fugen gerät.

Als Mutter Emilie zeigt die starke Minna Wündrich ein schwer zu Herzen gehendes Spiel. Vom höchstem Glück bis zur bebenden Verzweiflung geht Emilies Reise ins Herz der Finsternis. Erstaunlich wirkt dagegen, wie Christian Erdmann den Bischof anlegt: nicht als gefährlichen Despoten, sondern mehr als modernen Pädagogen, der lieber endlos debattiert, statt eisern durchzugreifen. Dem Bergmannschen Ekel setzt Erdmann eine weitaus weichere, heutigere Version dieser Figur entgegen, was nicht ohne Reiz ist, dem Hauptkonflikt aber auch einen Teil seiner Schärfe nimmt.

Ein Meisterstück: Alexander, gespielt von Lea Ruckpaul

Als vorzügliche Idee erweist es sich, den zehnjährigen Alexander von der immerhin schon 32-jährigen Lea Ruckpaul spielen zu lassen, der als bockiger Junge ein Meisterstück gelingt. Mit wieviel Witz und Charme sie den zornigen Sohn gibt: Das ist der größte Streich dieses Abends. Das Publikum im renovierten Schauspielhaus am Gründgens-Platz spendet herzlichen Beifall.

Termine und Karten: Tel. 0211 / 36 99 11.