Oberhausen. Wenn Mädchen die Berufsberatung besuchen, erhalten sie oft Tipps für klassische Frauenberufe. Familienministerin Josefine Paul will das ändern.

  • In den Herbstferien beginnt die Girls Academy in Oberhausen
  • Zwanzig Mädchen sollen in Workshops für Technik-Berufe begeistert werden
  • NRW-Familienministerin Josefine Paul sieht noch viel Arbeit in der Gleichstellung

Der Verkehr bremste NRW-Familienministerin Josefine Paul auf dem Weg nach Oberhausen aus. Kein ungewöhnliches Problem im Ruhrgebiet. Und auch das, was sie durch ihren Besuch wertschätzte, musste sich in Oberhausen erst einmal durchkämpfen. Die Girls Academy soll Mädchen technische Berufe näherbringen und für mehr Gleichstellung in vermeintlichen „Männerberufen“ sorgen. Doch bis die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Britta Costecki, die Girls Academy an den Start und Josefine Paul im Schülerlabor „Lab4you“ begrüßen konnte, war es ein langer Weg.

Für bis zu zwanzig Mädchen soll ab dem Herbst durch Workshops und Unternehmensbesuche der Zugang zu den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) erleichtert werden. Die Stadt arbeitet hierfür mit dem zdi-Zentrum der Hochschule Ruhr West zusammen. Auf der Marktstraße 148 wird der Treffpunkt sein, hier werden 3D-Drucker, Laptops und Roboter für die praktische Arbeit bereitstehen.

NRW-Ministerin Josefine Paul: Klare Rollenverteilung in Ausbildungsberufen

Im Schülerlabor „Lab4you“ bauten Charlotte (links) und Leonie aus Oberhausen eine Brücke.
Im Schülerlabor „Lab4you“ bauten Charlotte (links) und Leonie aus Oberhausen eine Brücke. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Akademie nur für Mädchen ist aus Sicht von Josefine Paul ein notwendiger Schritt. „Klassische Frauenberufe sind die tragende Säule unserer Gesellschaft. Aber wir wünschen uns, dass es keine klassischen Frauenberufe mehr gibt“, meint die Grünen-Politikerin mit Blick auf die Pflegeberufe. „Gerade in Ausbildungsberufen ist es ja wie festgezurrt, was Mädchen und Jungen wählen.“ Es gelte daher, die „gläsernen Decken“ zu durchbrechen, „damit Mädchen (und Jungen) den Weg gehen können, den sie gehen wollen“. Jeder Beruf soll und muss also allen Geschlechtern offenstehen – auch in der Praxis.

Wie dick diese Glasdecken sind, zeigte sich schon bei der Errichtung dieser Girls Academy. Vor etwa zwei Jahren startete Britta Costecki auf Initiative des NRW-Ministeriums für Familie und Gleichstellung mit dem Projekt in Oberhausen. Doch der ursprüngliche Plan, Firmen aus der Umgebung als Geldgeber zu gewinnen, ging nicht auf. Die Unternehmen hätten zwar ein Interesse an der Förderung von Mädchen gezeigt, finanziell wollten sie sich aber nicht beteiligen, erzählt Costecki. Ein Grund sei die wirtschaftlich unsichere Situation während der Pandemie gewesen.

Girls Academy in Oberhausen: Suche nach privaten Förderern fällt schwer

Stattdessen springt die Stadt ein: Jährlich soll das zunächst bis 2026 laufende Projekt 47.500 Euro kosten. 36.500 Euro davon trägt die Stadt, 11.000 Euro steuern der Energieversorger EVO, die Emschergenossenschaft und die Gemeinschaftsmüllverbrennungsanlage (GMVA) bei. Private Unternehmen? Fehlanzeige. Der Tisch der Firmenpartner blieb beim Empfang der NRW-Ministerin Paul spärlich besetzt.

„In der Gleichstellung geht es nicht ohne Beharrlichkeit“, machte Paul in ihrer Rede der Gleichstellungsstelle Mut.

So können sich Mädchen bewerben

Noch sind einige Plätze frei für die Girls Academy. Interessierte können sich auf der Internetseite www.mint4u.de/girls-academy/ bewerben.

Projektleiterin ist Jiny Matty-Borlinghaus. In den Herbstferien soll es erste Treffen geben. Danach soll es mit monatlichen Workshops weitergehen. Nach rund einem Jahr endet die erste Akademie.

Dabei gibt es sehr gute Gründe für die Förderung des Projektes. Eines nannte die Präsidentin der Hochschule Ruhr West, Susanne Staude: „Uns entgeht total viel, wenn wir die Technik nicht für uns alle entwickeln.“ Es sei nicht nur wichtig, Mädchen zu fördern, damit die Gleichstellung erreicht wird, sondern auch, um die Ergebnisse zu verbessern. Dafür brauche es auch Vorbilder in der Gesellschaft. Die technische Hochschule gehe mit gutem Beispiel voran: Die Zahl der Professorinnen habe sich rasch erhöht und liege quotenmäßig höher als die der Studentinnen. „Es ist ein langer Weg.“ Ein zweites Argument führte zdi-Leiter Uwe Handmann an: Eine Girls Academy sei ein geschützter Raum. Mädchen könnten sich hier freier ausprobieren, denn häufig würden Jungen und Männer „das Wort übernehmen“

Die Teilnehmerinnen der Girls Academy können auch einen 3D-Drucker ausprobieren. Diesen Schädel hat ein solcher Drucker gemacht.
Die Teilnehmerinnen der Girls Academy können auch einen 3D-Drucker ausprobieren. Diesen Schädel hat ein solcher Drucker gemacht. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Oberhausen: Unternehmen brauchen Fachkräfte

Auch Planungsdezernent Ralf Güldenzopf, in Vertretung des erkrankten Oberbürgermeisters Daniel Schranz, unterstrich die Notwendigkeit einer Mädchen-Akademie. Zum einen leide die Wirtschaft unter dem Fachkräftemangel und brauche dringend Arbeitskräfte. Zum anderen erzählte er eine persönliche Anekdote, um die herrschende Rollenverteilung zu illustrieren. Als seine Tochter bei der Potenzialanalyse war, tippte er darauf, dass sie mit den Berufsempfehlungen „Grundschullehrerin, Journalistin und Psychologin“ heimkehren würde. „Genau so kam es.“ Dabei hätte er sich als Vater auch über die Empfehlung „Schreinerin“ gefreut.