Oberhausen. Wer Kinder hat, ist weniger zuverlässig. Das ist nur ein Vorurteil, das Mütter besorgt. Eine Oberhausenerin berichtet von ihren Erfahrungen.

Die Gruppe junger Frauen spaziert gemächlich am Rhein-Herne-Kanal entlang. Sie sind gekommen, um sich auszutauschen, aber auch, um Hilfe zu bekommen. Wie kommt man zurück in den Beruf nach der Elternzeit? Wie geht das überhaupt, Kinder und Ausbildung unter einen Hut zu kriegen?

Es ist kein Zufall, dass der Einladung des Jobcenters und der Arbeitsagentur Oberhausen in den Kaisergarten nur Frauen gefolgt sind. „In der Regel trifft es Frauen und ganz besonders Alleinerziehende“, sagt Marion Steinhoff von der Arbeitsagentur. Frauen bleiben in Deutschland länger zu Hause. Im Schnitt beantragen sie 14,6 Monate Elternzeit, Männer hingegen nur 3,6 Monate. Auch wenn der Anteil der Männer steigt – die sogenannte „Care“-Arbeit in der Familie tragen häufig die Frauen.

„Und ich? Ich habe Windeln gewechselt“

Susanne Frentz, Mutter zweier Kinder.
Susanne Frentz, Mutter zweier Kinder. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Eine der Frauen, die übers Internet auf den ersten „Walk&Talk“ zum beruflichen Wiedereinstieg aufmerksam geworden ist, ist Susanne Frentz. Die 35-Jährige schiebt ihre zehn Monate alte Tochter im Kinderwagen. Ihr Sohn geht im August in den Kindergarten. „Ich möchte mal wieder raus, Kollegen treffen, andere Aufgaben haben“, sagt sie. „Wenn mein Mann von der Arbeit kommt und erzählt, dass ein Kollege Geburtstag hatte, denke ich: ,Und ich? ich habe Windeln gewechselt’“

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Nach dem Fachabi hat die Oberhausenerin eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht, im gleichen Bereich startete sie ein Studium. „Ich mag den Beruf“, sagt sie. Doch als die Kinder hinzukamen, sei ihr schnell klargewesen: Das klappt nicht. „Die Termine sind meist am Nachmittag und am Wochenende. Da gibt es keine Kinderbetreuung.“ Home Office ist nicht möglich als Kosmetikerin – die 35-Jährige muss sich umorientieren.

Teilzeit-Ausbildung als Chance für Mütter

Ukrainerin sucht Job

Dem Spaziergang schloss sich auch Irina an. Die 37-Jährige ist vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geflohen. In Oberhausens Partnerstadt Saporishja war sie zuletzt in Elternzeit. Sie arbeitete als Ingenieurin im Luftwesen.

Seit einem Jahr ist sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Tochter in Oberhausen. „Ich muss jetzt erstmal die deutsche Sprache lernen“, sagt sie. Ihr Mann verteidigt als Soldat die Ukraine. Die Junge Mutter hofft, schnell einen Job zu finden. „Ich kann mehr verdienen als meine Mutter.“ Diese könnte auf ihre Tochter aufpassen.

Sie möchte im Büro arbeiten, wo Heimarbeit eher umsetzbar ist. Sie hat große Sorgen davor, dass ihr das Muttersein als Nachteil auf dem Ausbildungsmarkt ausgelegt wird. „Ich habe es ja letzten Winter erlebt: Die Kinder sind ständig erkältet.“ Sie braucht deshalb einen verständnisvollen Arbeitgeber, mindestens aber einen, bei dem sie Familie und Beruf unter einen Hut kriegt.

Im Gespräch mit Marion Steinhoff erfährt sie, dass es die Möglichkeit einer Teilzeit-Ausbildung gibt. Die wöchentliche Arbeitszeit wird reduziert. Mütter haben so die Chance, ihre Kinder pünktlich aus dem Kindergarten oder von der Tagesmutter abzuholen – und eine werthaltige Ausbildung zu machen. „Ich möchte Frauen immer dazu ermutigen – man weiß nicht, was noch im Leben passiert“, sagt Steinhoff. Die Qualifikation stellt sicher, dass Frauen ein berufliches Standbein haben, wenn mal etwas nicht nach Plan läuft.

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28 oder 32 Stunden kann die Arbeitszeit betragen. Die Ausbildungsdauer verlängert sich dementsprechend. Positiv: Viele Arbeitgeber lassen die Ausbildungsvergütung unberührt. Der monatliche Lohn bleibt also gleich. Allerdings funktioniere das nur, wenn Kinder auch eine zuverlässige Betreuung haben, sagt Steinhoff.

Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt: „Noch ein dickes Brett“

Die Beraterin sieht deshalb noch einen langen Weg zur Gleichbehandlung von Mann und Frau. „Wir kommen vorwärts, aber es ist noch ein dickes Brett.“ Die Unternehmen müssten umdenken. „Auch in Vollzeit kann das Kind krank werden. Als Unternehmen muss man das akzeptieren.“ Frauen müssten von dem Stigma befreit werden, eine weniger zuverlässige Arbeitskraft zu sein als Männer. Noch immer erlebe sie, dass sich Mütter von Minijob zu Minijob hangeln, weil sie keine Chance bekommen. „Vor allem Alleinerziehende haben es schwer.“

Die Gruppe junger Mütter zieht weiter durch den Kaisergarten. Sie haben sich noch viel zu erzählen. Der Walk&Talk soll bald wiederholt werden. Vielleicht sind dann auch ein paar Männer dabei.