Oberhausen. Schlechte Witze und doch ein amüsanter Abend. Gerburg Jahnke ist mit ihrem Schlager-Theater „Spuren im Sand“ ein seltener Kunstgriff gelungen.
Die Witze sind untererste Schublade. Dieser Carpendale erzählt sie trotzdem. Was ist dick und fliegt durch die Luft? Biene Mayo! Wer sitzt im Käfig und schießt wild um sich? Ein Colt-Hamster.
Wer jetzt noch nicht ohnmächtig geworden ist, sieht oben auf der Bühne einen Mann mittleren Alters, der genüsslich mit den Fingern seine blonde Mähne ordnet, bedeutungsschwanger die erste Sitzreihe mustert und sich mit südafrikanischem Akzent freut, nach „Akkt-und-funfzig-Jehren“ wieder in Oberhausen, in der Stadt der Liebe, wie er böse schmeichelt, aufzutreten. Wäre Karneval, würde man wohl sagen: Helau again!
Heinz-Peter Lengkeit (56) spielt Howard Carpendale (77). Aber dieser Howi heißt hier nur: Haui. Rumms, Herz und Schmerz liegen am Donnerstagabend bei der Premiere von „Spuren im Sand“ im ausverkauften Kleinkunsttheater Ebertbad nah beieinander. Die leidvollen Kalauer gehören natürlich zur Rolle. Regisseurin Gerburg Jahnke gelingt bei ihrem amüsanten Ohrwurm-Theater ein seltener Kunstgriff. Schlager, Schelte, Schabernack.
Spuren im Sand: Viele Hits, aber keine typische Musik-Revue
Dabei ist „Spuren im Sand“ (Carpendale-Hit von 1974) eher ein Zufallsprodukt. Gerburg Jahnke bastelte sich ihren Haui zuerst nur für einen Kurzauftritt in einer vorherigen Produktion zusammen. Lengkeit: „Die Perücke war sehr teuer. Da musste mehr kommen…“
Zwei Stunden dauert die Reise durch himmlische Hitparaden-Sünden: Nachts, wenn alles schläft. Tür an Tür mit Alice. Dann geh doch… Genau, das sind tatsächlich drei verschiedene Songtitel. Eine typische Musik-Revue ist die Eigenproduktion trotzdem nicht. Eine auf penible Echtheit getrimmte Tribute-Show ebensowenig. Lengkeit spielt einen Carpendale, der Jeans trägt, unter dem Sakko sein Hemd aufknöpft bis ein schlabbriges T-Shirt zum Vorschein kommt. Er weiß: „Wichtig ist der Refrain. Alles andere ist Styropor in Worten.“
Haui erzählt Karrieregeschichten, die im Kern wahr sind, aber absurd ausgeschmückt werden. Er berichtet, wie er einst am Pumuckl-Lied beteiligt war, aber mit seinem Gesang bei den Kindern scheiterte. „Viele sind eingeschlafen. Andere hatten Angst.“ Wie die grelle Original-Fassung von Hans Clarin doch gleich noch klingt, überlässt Lengkeit nicht der Fantasie, sondern gibt sie zum Besten, bis die Ohrmuschel vibriert.
Den echten Elvis Presley bei einem Presley-Talentwettbewerb („Er wurde nur Dritter“) spielt der ehemalige Elvis-Imitator (Carpendale) mit hochgeklapptem Kragen rockend und rollend hinterher. Ein Abend nur mit Schlager-Hits ist es dann doch nicht.
Spuren im Sand: Schmeichel-Arien sind kaum zu parodieren
Zwischendurch wird es immer wieder haarig. Haui sagt: „Meine Frisur hat noch keinen Krieg angefangen!“ Seinen einzigen Bühnenpartner, den vorzüglichen Gitarristen Peter Engelhardt, hat er natürlich beim Frisör kennengelernt. Doch eigentlich gibt es beim Schlager-Theater drei wichtige Akteure: Das Publikum spielt eine singende Hauptrolle. Sie lassen die Arme kreisen. Mal summen sie heimlich mit, mal aus voller Überzeugung. Vereint ergibt das: Ti amo!
Einzig, wenn es darum geht, die süßlichen Schmeichel-Arien der Schlagersänger gen Publikum zu überzeichnen, bleibt es blass. Die Originale sind die bessere Parodie.
„Spuren im Sand“ ist meist kurzweilig und witzig, richtet sich aber weniger an Edel-Fans, sondern eher an Anhänger von unterhaltsamen Bühnen-Experimenten. Je länger die Vorstellung dauert, desto mehr geht Lengkeit in seiner Rolle als kauzig-anschmiegsamer Schlagerbarde auf. Eine Paraderolle! Der Mime nimmt am Ende seine Perücke vom Kopf. Das Publikum zieht den Hut. Langer Applaus.
>>> Spuren im Sand: Weitere Vorstellungen in Oberhausen
Für die Eigenproduktion „Spuren im Sand“ folgen im Ebertbad (Ebertplatz 4) weitere Vorstellungen. Für Samstag, 15. April, um 20 Uhr und Sonntag, 16. April, um 19 Uhr gibt es Restkarten ab 25,10 Euro. Auch für den Herbst, am Dienstag, 25. Oktober, und Mittwoch, 26. Oktober, stehen weitere Termine fest.
Vorher wird das Schlager-Theater von Gerburg Jahnke und HP Lengkeit bei den „Schlossnächten“ im Hof der Ludwiggalerie gezeigt. Am Donnerstag, 27. Juli, und Samstag, 29. Juli, beginnen die Open-Air-Vorstellungen um 19.30 Uhr. Tickets kosten 22,50 Euro.