Oberhausen. Erfolgs-Unternehmer Christian Becker will am Oberhausener Rhein-Herne-Kanal neue Wohnungen bauen – Prunkstück: die alten Newag-Industriehallen.
- Nicht nur Oberhausener suchen händeringend nach bezahlbaren Wohnungen.
- Auf dem ehemaligen Gelände rund um die Industriehallen des Lokomotiv-Reparateurs Newag will der Oberhausener Abbruch-Unternehmer Christian Becker ein ganzes Wohnquartier bauen – mit bezahlbaren Mietwohnungen.
- Die Stadt Oberhausen unterstützt das Vorhaben – und will gleich drei große Grundstücke am Rhein-Herne-Kanal zu einem eigenen Stadtviertel mit Wohnungen, Lebensmittelmarkt, Cafés, Büros, leisem Gewerbe, Veranstaltungsstätte und Künstler-Ateliers machen.
- Wir konnten uns auf dem ersten Grundstück in der Nähe des Hauses Ripshorst umschauen – ein exklusiver Einblick in eine faszinierende Industriehalle, die unter Denkmalschutz in Oberhausen steht.
Zäune, Stahl-Schiebetore, Videokameras – normalerweise darf dieses Gelände an der Ripshorster Straße 321 von niemanden betreten werden. Doch auf dem früheren Areal des Lokomotivenbauers und -Reparateurs Newag, ziemlich nahe am Oberhausener Rhein-Herne-Kanal gelegen, soll ein neues Wohnquartier mitten im Grünen entstehen – und deshalb zeigt Christian Becker, Geschäftsführer des erfolgreichen Abbruch-Spezialisten BST Sanierungstechnik immer wieder mal potenziellen Investoren und neugierigen Journalisten das 30.000 Quadratmeter große Gelände.
Eigentlich ist das Grundstück sogar 130.000 Quadratmeter groß, aber der weitläufigste Teil mit vielen Birkenbäumen gehört den Essener Projektentwicklern der Thelen-Gruppe. Becker hatte privat den linken Part des Grundstückes nach der Insolvenz des Maschinenbauers Newag im Jahre 2020 in einem Bieterwettbewerb erworben – zusammen mit seinem Geschäftsführer-Kollegen Michael Pfeiffer, den Bottroper Architekten Stefan Höing und einem weiteren Privatinvestor. Sie gründeten die „PLG-Projektgesellschaft Lokschuppen“.
Industriehallen auf dem Newag-Gelände stehen unter Denkmalschutz
Im Mittelpunkt des Becker-Areals steht das Prunkstück, das allerdings seit der Insolvenz von Newag im Jahre 2018 vor sich hin modert: die gigantisch groß wirkenden Industriehallen von Newag, in denen Loks gebaut, repariert und mit Funksteuerungsanlagen ausgestattet wurden. Sie alleine nehmen bereits 7000 Quadratmeter ein – das ist etwa ein Fußballfeld groß. Sie sind von der Stadt unter Denkmalschutz gestellt worden – als Teil der wichtigen Industriegeschichte des Ruhrgebiets.
„Wir sind für alles offen, wir blockieren nichts, wir können uns hier vieles vorstellen. Man kann die große Halle ja unterteilen und Verschiedenes hineinbauen: ein Café, einen Lebensmittelmarkt, Wohnungen, Co-Working-Spaces, Künstler-Ateliers, Veranstaltungsstätte“, berichtet Becker beim Spaziergang um die Halle über seine Vorstellungen. Auf dem Weg muss man aufpassen: Scherben liegen auf dem Boden, Löcher gehen in die Tiefe, verrostende Gleise führen in die Halle oder nirgendwo hin.
Und dann haben dort noch Menschen gewütet, die nachts in ihren Augen Wertvolles sogar aus dem Boden holten: Mühsam schaufelten sie mit alten Schüppen Gräben aus, um Kupferkabel zu stehlen. Mit dem gleichen Ziel sind sogar die Betonböden im Halleninneren mit Abbruchhämmern aufgebrochen worden. „Wir mussten hier überall Video-Überwachungskameras aufstellen – wenn diese nun jemanden sehen, wird schnell die Polizei gerufen, die eilt dann hierher.“ Deshalb habe sich die Einbruchslage stark gebessert. „Sonst wäre hier der gesamte Hallenboden mit Gräben durchzogen“, ist sich Becker sicher.
Der gebürtige Bottroper ist mittlerweile 40 Jahre alt und hat eine erstaunliche Unternehmer-Karriere in Oberhausen hingelegt: Vor elf Jahren kaufte der gelernte Industriekaufmann aus einem anderen Betrieb die Abbruch-Sparte auf und gründete mit Michael Pfeiffer die BST Becker Sanierungstechnik. Das kleine mittelständige Unternehmen hat seine Zentrale heute noch am Bruchsteg 47 in Holten, baut aber in Bottrop neu. Es startete anfangs mit nur 20 Mitarbeitern und 2,5 Millionen Euro Jahresumsatz. Der Betrieb nahm von Jahr zu Jahr mehr Fahrt auf – und entwickelt sich zu einem bundesweit operierenden Spezialisten komplizierter Abbrucharbeiten.
Innerhalb von elf Jahren erstaunlich schnell gewachsen – die BST Becker Sanierungstechnik
360 Beschäftigte erarbeiten mittlerweile einen Jahresumsatz von 55 Millionen Euro mit Niederlassungen in Köln, Bottrop und Frankfurt. Sie lassen alte Gebäude Schritt für Schritt in ihre Bestandteile zerlegen, entfernen Schadstoffe und recyclingfähiges Material und machen sie am Ende den Erdboden gleich – ob Fabriken, Wohnbauten, Jugendzentren, Hochhäuser oder Kraftwerke. Die nächste Aufgabe ist das dann „deutschlandweit größte Abbruch-Objekt“: eine so nicht mehr benötigte Produktionshalle von BMW in München.
Nun will er in Oberhausen („In dieser Stadt habe ich mein halbes Leben verbracht“) in den nächsten fünf Jahren ein Bauprojekt mit Hilfe von Projektentwicklern hochziehen – auch um seiner Heimatstadt etwas zurückzugeben. „Von unserer Arbeit sieht man am Ende ja naturgemäß nichts mehr, doch hier besteht die Chance, etwas Bleibendes zu schaffen.“
Lohnt sich das denn in diesen Zeiten stark gestiegener Baupreise, eine alte Industriehalle umzuwandeln? „Es ist schwierig, aber möglich. Das Projekt muss natürlich wirtschaftlich sein, aber es kommt hier nicht auf die Rendite an, wir wollen hier nicht alles bis auf den letzten Cent herausquetschen“, gibt Christian Becker an. „Wir wollen hier etwas Schönes schaffen, das Oberhausen nützt und den Menschen hier hilft.“ Deshalb spricht sich der Unternehmer auch dafür aus, dass hier Wohnungen und Häuser auf dem Gelände geschaffen werden, die bezahlbar sind. Die Stadt Oberhausen sieht das Newag-Gelände als Teil eines Großprojektes: Zusammen mit dem hinteren Teil des Stahlwerksgeländes soll ein neues Stadtquartier entstehen – mitten im Grünen, am Kanal. Dies ist auch ein Vorschlag des Masterplans Neue Mitte vom Frankfurter Büro „Albert Speer & Partner“ (AS+P).
Für die Übergangszeit kann sich Becker auch vorstellen, dass hier ein Elektro-Club für zwei bis drei Jahre einzieht. „Strom, Wasser – alles muss aber erst einmal gelegt werden, das kostet ordentlich Geld.“ Wer weiß, vielleicht meldet sich jemand mit einer tollen Idee – denn Becker wiederholt es noch einmal: „Wir sind für alles offen.“