Oberhausen. Steigende Zinsen, steigende Preise, immer teurere Immobilien – der Trend trifft gerade Städte mit altem Häuserbestand wie im Ruhrgebiet ins Mark.
Im Kampf gegen die Klimakrise müssen Wohnhäuser massiv ertüchtigt werden; im Ringen um bezahlbare Mieten benötigen die Großstädte dringend neuen Wohnraum – und nun macht ein Krisenbündel die hohe Investitionsbereitschaft der Immobilienbranche zunichte. Steigende Preise für Materialien, Lieferengpässe wichtiger Bauteile, teure Grundstücke, ein Mangel an Handwerkern und schnell steigende Baudarlehenszinsen – all das pulverisiert kühne Träume von deutlich mehr neu gebauten Wohnungen und klimagerecht modernisierten Mehrfamilienhäusern.
Olaf Rabsilber ist nicht nur Vorstandsvorsitzender der Sterkrader Wohnungsgenossenschaften, sondern auch noch Sprecher aller fünf Oberhausener Genossenschaften, denen mehr als zehntausend Wohnungen mit 20.000 Mietern gehören. Er blickt besorgt auf Statistiken von Verbänden und Instituten: „Fast alle Parameter im Immobilienbereich sind negativ.“ So stiegen die Preise für Bauleistungen im Wohngebäudebereich innerhalb eines Jahres um 17 Prozent. Die Folge: Ein Drittel der geplanten Wohnungsneubauten werden von den befragten bundesweiten Immobilienfirmen nicht mehr realisiert; Wohnungsbauaufträge sind bereits innerhalb des vergangenen Jahres um zwölf Prozent eingebrochen.
Neue Mehrfamilienhäuser werden allerdings schon deshalb teurer, weil die Bauvorschriften der vergangenen Jahre mit Blick auf den Kampf gegen die Klimakatastrophe immer strenger geworden sind: Es reicht heute nicht mehr, für eine staatliche Bauförderung ein KfW-Effizienzhaus 55 zu bauen, das nur 55 Prozent der Energie eines Referenzgebäudes verbraucht. Heute müssen es bereits 40 Prozent sein – hier benötigt man mehr und teurere Materialien.
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Und so hat auch die Sterkrader Wohnungsbaugenossenschaft reagiert: „Wir haben vor zwei Jahren das letzte Mal einen Neubau bezogen.“ Deutschlands größter Vermieter, der Bochumer Dax-Konzern Vonovia, hat alle Neubau-Projekte in diesem Jahr gestoppt. Zwar lässt Rabsilber mit seinem 20-köpfigen Team ebenfalls nicht neu bauen, steckt aber noch gut sieben Millionen Euro auch mit Landeshilfe in die klimagerechte Modernisierung einiger der Altbauten in Oberhausen. Doch für den Etat erhält man immer weniger – dank Preisexplosionen.
Kein Neubau, weniger Modernisierungen – das ist natürlich kein böser Wille der Immobilienwirtschaft, sondern die Investitionen müssen sich refinanzieren. Beispielsweise über höhere Verkaufspreise von Objekten oder über höhere Mieten. Doch dies ist gerade in Märkten wie dem Ruhrgebiet schwierig: Wer mit Baukosten von 4000 bis 5000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche kalkulieren muss, benötigt eigentlich einen Kaltmiete-Preis von 16 bis 20 Euro je Quadratmeter.
Bezahlt werden solche Summen höchstens noch von kaufkräftigen Angestellten und Managern in Trend-Städten wie Düsseldorf, Köln, Hamburg oder Berlin. Für Städte im Ruhrgebiet ist das utopisch. „Schon zehn Euro Kaltmiete bei Neubauten in Oberhausen ist ein Wort“, sagt Rabsilber. Dafür zahlkräftige Mieter zu finden, ist nicht einfach. In Altbauten der Genossenschaften schwanken die Mieten schließlich zwischen vier Euro vor Modernisierungen und gut fünf Euro pro Quadratmeter nach kräftiger Ertüchtigung der Häuser. Dabei benötigt gerade das Ruhrgebiet mit einem Bestand von 60 Prozent der Häuser aus den 50er und 60er Jahren ein extrem hohes Maß an Investitionen.
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Dabei können Genossenschaften wie die Sterkrader noch eher agieren als Privatinvestoren. „Wir müssen nicht schnell hohe Renditen erwirtschaften, sondern unsere Immobilien bleiben über Generationen in unserem Eigentum, können sich also über viele Jahre hinweg refinanzieren“, sagt Rabsilber. „Aber selbst für uns wird es schwer, bei Investitionen den Spagat zu schaffen zwischen Wirtschaftlichkeit und genossenschaftlichem Auftrag.“ Und dieser Auftrag lautet: Nachhaltig sein, bezahlbaren Wohnraum schaffen, zufriedene Mieter generieren. „Wir haben auch in der Vergangenheit die Mieten nur sehr vorsichtig erhöht, haben den Spielraum bei Neuvermietungen nicht ausgenutzt: Die Oberhausener Genossenschaften wirken schon seit langem als Mietpreisbremse.“
Doch wie kommt der deutsche Wohnungsbau aus der aktuellen Misere, die Mietern und Klimaschutz am Ende schadet? Vorstandschef Rabsilber empfiehlt der Bundespolitik dringend, die staatliche Förderung drastisch zu erhöhen – und hier endlich verlässlich zu sein. Zudem sollten die Verantwortlichen intensiv überlegen, die Anforderungen für den Wohnungsbau stetig nach oben zu schrauben. „Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen wir in die Breite kommen, lieber 55er-Häuser an vielen Stellen statt in der Spitze ein paar 40er-Häuser.“