Oberhausen. Gordon Millings schneiderte mit seinem Vater Anzüge für die Beatles. Aber auch für andere Musiker – einer starb gar in einem Millings-Anzug.
Das alte Sprichwort „Kleider machen Leute“ gilt nicht nur für die besseren Kreise, von deren eigenwilligen Ritualen etwa John Le Carrés famoser Schelmenroman „Der Schneider von Panama“ kündet. Wie sich die Beatles 1962 von Lederjacke und pomadige Haare tragenden Halbstarken in adrett gekleidete Pilzköpfe verwandelten, davon berichtete am Sonntagnachmittag ihr Schneider Gordon Millings im passenden Ambiente der Linda McCartney-Ausstellung im Schloss Oberhausen.
Genauer gesagt, rekapitulierte der heute 76-jährige Brite die faszinierende Geschichte seines 1913 in Manchester geborenen Vaters Arnold, der den ungeliebten Vornamen zugunsten des schottisch klingenden Douglas an die zweite Stelle schob. Und in den frühen Sixties als „Dougie“ zum in Rock- und Pop-Kreisen hochgeschätzten Tailor avancierte.
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Dass er als Ukulele-spielender Hobbymusiker regelmäßig in angesagten Locations wie dem „Astoria“ auftrat, gab ihm die Möglichkeit, entsprechende Kontakte zu knüpfen. Etwa zu Cliff Richard, dem er einen weißen Haihaut-Anzug anmaßte – der dem später so legendären Beatles-Manager Brian Epstein dermaßen gut gefiel, dass er seine damals noch völlig unbekannten Jungs aus Liverpool zwecks angemessener Ausstattung zu Dougie Millings nach Soho schickte.
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„Nun, mein Vater verpasste ihnen kragenlose Jacken und knallenge Hosen – tight, tight, tight“, erinnerte sich Gordon Millings, der als 17-jähriger Lehrling in der Saville Row mittags seinen Daddy unterstützte: „Solche Jacken fertigten wir damals für die Stewards der großen Überseedampfer und dachten, das ist genau das Richtige für die vier.“ Der elegante Schnitt war von Pierre Cardin inspiriert und erinnerte auch an den Nehru-Stil, während die engen Hosen keine Taschen hatten. Einerseits, um die Linie zu wahren; andererseits, weil Brian Epstein verhindern wollte, dass jemand seine Hände dort hineinflegelte.
Ringo Starr wird mit Farbe überschüttet
Die Farben seien zunächst eher dezent gewesen, so Gordon Millings: „Gedecktes Beige, Grau und Blau. Der Stoff war Mohair, später haben wir auch Samt und andere Materialien verwendet.“ Eine Besonderheit seien die plissierten Rücken gewesen, höchst ungewöhnlich für jene Jahre. Angemessen – die englische Sprache hat dafür das schöne Wort „Bespoke“ – und anprobiert wurde mit zunehmendem Erfolg der Beatles bald nicht mehr im Laden, sondern bei jeder möglichen Gelegenheit, im Studio ebenso wie hinter der Bühne.
Sein Vater sei ständig unterwegs gewesen, was besonders anstrengend wurde, als die Fab Four ihren Film „A Hard Day’s Night“ zu drehen begannen. „In einer Szene bekommt Ringo rote Farbe über seine Hose geschüttet, allein dafür brauchte es schon sechs Anzüge, weil man die ja gar nicht so schnell waschen konnte“, außerdem ruiniere Waschen jeden Anzug.
Und dann schilderte Gordon Millings jenen Moment, der seinen Vater ins Kino gebracht habe: „Er trug an dem Tag einen schwarzen Anzug, weil er nachmittags noch auf eine Beerdigung musste. Und jeder fragte ihn: Warum bist Du so nüchtern und ernst gekleidet?“ So auch der Regisseur Richard Lester, der nach Dougies Erklärung kurzerhand entschied, ihn für eine Szene in den Film einzubauen: „John Lennon hatte dann jede Menge Spaß dabei, Daddys Maßband zu zerschnibbeln.“
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Bis „Sgt. Pepper“ fertigten Douglas und Gordon Milings den Beatles weit über 500 Anzüge für alle möglichen Gelegenheiten, so der sympathisch plaudernde Brite, der erst auf Nachfrage kundtat, dass die damals 35 Pfund für einen Anzug einer heutigen Kaufkraft von gut 2500 Euro entsprach – das englische Diktum „My tailor is rich“ hat Gründe. Über andere berühmte Kunden wie Sammy Davis Jr. („ein guter Freund“) sprach er nur en passant, um dann doch seine zahlreichen Zuhörer mit der Geschichte zu rühren, wie er von Roy Orbison mal einen MG-Sportwagen geschenkt bekam.
Jene Geschichte des The-Who-Drummers Keith Moon, der 1978 in einem seiner Anzüge starb, erzählte der Maßschneider leider nicht. Weshalb hier die Pointe kommt: „In fact, he hadn’t paid for it.“ Er hatte den Anzug, in dem er starb, also noch nicht bezahlt. Ob er jemals daran gedacht habe, auch für Damen zu arbeiten? „Oh no, never! Nur für Linda, aber das war ein Anzug.“
Noch bis zum 11. September hat man Gelegenheit, Gordon Millings’ Einzelstück auf Linda McCartneys Fotos in der Ludwiggalerie zu suchen – es lohnt sich.