Oberhausen. Hat sich das Wagnis Dachgewächshaus auf dem Jobcenter in Oberhausen gelohnt? Oder entpuppt sich das Vorzeigeprojekt als Kostenfalle?
Europaweit einzigartig: Das Dachgewächshaus auf dem Jobcenter in Oberhausen findet immer mehr Nachahmer. Eine ähnliche Anlage ist am begehrten Karlsplatz in Düsseldorf geplant. Für die Strahlkraft des Vorzeigeprojektes spricht auch das große Interesse an den Tagen der offenen Tür im Mai und jetzt im August. Dutzende Menschen fachsimpelten dabei schon in luftiger Höhe über den Anbau von Salat, Tomaten, Paprika und Kräutern. Im Juni dieses Jahres heimste die Stadt für ihren Dachgarten auch noch den „Nike-Architekturpreis“ ein. Doch hat sich das Wagnis wirklich gelohnt? Oder entpuppt sich das hochgelobte Leuchtturmprojekt eher als alljährliche Kostenfalle für die Stadtkasse?
Yusuf Karacelik, Fraktionsvorsitzender der Oberhausener Linken, wollte es genau wissen und stellte eine kleine Anfrage zum Thema. Jetzt liegt die schriftliche Antwort der Stadt vor.
Darin heißt es: Bewirtschaftet wird das Gewächshaus auf dem Dach des Oberhausener Jobcenters von der Exner Grüne Innovation GmbH, die dafür eine jährliche Pauschale aus der Stadtkasse erhält. Gedacht ist das Geld für die Pflege der Pflanzen, der Wege und die Bewässerung des Vertikalgartens, aber auch für die Aufsicht und Planung der Anlage.
Dazu kommen alle von dem städtischen Tochterunternehmen Servicebetriebe Oberhausen (SBO) finanzierten Kosten, die für den laufenden Betrieb des Dachgartens nötig sind. So lieferte, installierte und betreibt Exner etwa zwei kleine Düngermischer, baute die Grauwasseranlage und die Lüftungsanlage um, übernahm Anschlussarbeiten, verlegte Kabel und installierte Schaltschränke und Pumpen.
Ein für ganz Europa einzigartiger Ansatz
Mit dem Dachgewächshaus entstand in Oberhausen ein Projekt, mit dem europaweit städtebauliches Neuland beschritten wurde. „Der Altmarktgarten ist dabei nicht nur Produktionsstätte für frische und nachhaltige Lebensmittel“, heißt es in der Antwort der Verwaltung. „Sondern auch ein Ort für Innovation.“ Denn durch dieses Projekt seien europaweit erstmals Gebäudetechnologien und Haustechnik mit der Lebensmittelproduktion mitten in der Stadt vernetzt worden. Ziel: Frische Nahrungsmittel nah beim Verbraucher produzieren und sofort in der Stadt konsumieren.
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„Die technischen Anforderungen in Bezug auf die damit verbundenen Luft-, Wasser- und Wärmekreisläufe übersteigen deutlich die Anforderungen an die Technik für ein herkömmliches Gebäude“, ziehen die Experten der Stadt inzwischen ein durchweg positives Fazit.
Aufgrund der Corona-Pandemie konnten weitere Entwicklungsmöglichkeiten des Vorzeigeprojektes in den Jahren 2020 bis Anfang 2022 allerdings nicht umgesetzt werden. Aktuell werde verstärkt daran gearbeitet, öffentliche Institutionen stärker einzubinden. „Hier ist beispielhaft die bereits bestehende Kooperation mit dem Elsa-Brändström-Gymnasium zu nennen sowie der Besuch einer Kindertageseinrichtung, bei dem die Kinder Salat anpflanzen und mit nach Hause nehmen.“ Die enge Zusammenarbeit mit einer anderen Kommune sei ebenfalls geplant, die Abstimmung dazu laufe.
Die Vermarktung nimmt Fahrt auf
Die Vermarktung der im Gewächshaus erzeugten Produkte habe an Fahrt aufgenommen. „Schon jetzt beziehen Restaurants im Umfeld des Altmarktes frische Ware vom Dach des Jobcenters.“ Auch eine Anfrage eines Einzelhändlers von der Marktstraße liege vor. „Für diese Kooperation wird jedoch ein Qualitätsmanagement-Zertifikat benötigt, das die Betreiber des Dachgewächshauses derzeit erarbeiten.“ Auch die Kult-Gaststätte Gdanska ist von dem neuen Ansatz überzeugt und bietet auf ihrer Speisekarte mit Erfolg einen „Jobcenter-Salat“ an. Ein Caterer versorgt mit den Lebensmitteln vom Dach inzwischen sogar die Kantine der Sparkasse.
Herber Rückschlag durch die Corona-Pandemie
Eröffnet worden war der Dachgarten auf dem Jobcenter am Altmarkt im September 2019. Als Vorzeigeprojekt für eine Landwirtschaft mitten in der Stadt lockte der Garten Forscher, Architekten und Studenten nach Oberhausen. Durch die Corona-Pandemie musste die Produktion dann aber wieder heruntergefahren werden.
Die Forschungen durch das Fraunhofer-Institut Umsicht konnten dennoch weiterlaufen. Im Dachgarten wachsen Kräuter, Erdbeeren, Salate und auch Gemüse – gespeist mit Ressourcen, die das Gebäude selbst produziert. Regenwasser wird aufgefangen, die Abwärme nach oben geleitet. 4,6 Millionen Euro hat der Bau des Dachgartens gekostet – 2,3 Millionen Euro stammten aus Fördermitteln.
Die Stadt ist überzeugt: Diese Investition lohnt sich. In konkreten Zahlen bedeutet das: Die Exner Grüne Innovation GmbH erhält für den Betrieb und die Pflege der Anlage eine jährliche Pauschale in Höhe von 5000 Euro, auf die die gesetzliche Mehrwertsteuer noch einmal aufzuschlagen ist. Dazu kommen die Kosten der SBO für die Warenbeschaffung in Höhe von monatlich rund 3200 Euro. Unterm Strich ergeben sich damit alljährliche Gesamtkosten in Höhe von etwa 43.400 Euro.
„Die SBO erhält im Gegenzug sämtliche Verkaufserlöse für die erzeugten Produkte“, ergänzt Stadtsprecher Frank Helling auf Nachfrage dieser Redaktion. In welcher Höhe, stehe noch nicht fest. „Bedingt durch die Pandemie konnten hier noch keine belastbaren Zahlen ermittelt werden.“ Die sollen aber spätestens bis zum Jahresende vorliegen.