Oberhausen. In der Revierstadt Oberhausen scheitern überdurchschnittlich oft Ausbildungen. Fehlende Motivation bei den Auszubildenden ist nur ein Problem.
In Oberhausen scheitern auffallend oft junge Menschen während ihrer beruflichen Ausbildung. Wie ein Kurzreport der Stadt zeigt, liegt die Quote der Vertragsauflösungen seit zehn Jahren konstant über dem Landesschnitt. 2019 wurde jeder dritte Ausbildungsvertrag aufgelöst (32 Prozent). Im Corona-Jahr 2020 sank die Quote leicht um vier Prozentpunkte. Mit 28 Prozent überschritt Oberhausen aber nach wie vor den NRW-Schnitt von 25,4 Prozent. Die Gründe sind vielfältig.
Dabei ist es erstmal für viele Schulabgänger nicht einfach, überhaupt in Oberhausen eine Lehre zu ergattern – auch wenn die Chancen in den vergangenen Jahren besser geworden sind. Kamen vor fünf Jahren noch 2048 Bewerberinnen und Bewerber auf 1111 Stellen (Quote: 1,8 Interessierte auf eine Lehrstelle), waren es 2020/21 nur noch 1700 Bewerber auf 1240 Stellen (1,4 Interessierte auf eine Lehrstelle). Trotzdem bleiben viele Ausbildungsstellen unbesetzt. Im Berichtsjahr 2015/2016 blieben 55 Stellen offen. 2020/21 sind es sogar 157. Die meisten unbesetzten Stellen gab es im Bereich Lebensmittelhandwerk – Bäckerei und im Einzelhandel.
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Der oft kolportierte Mangel an Auszubildenden scheint sich nicht mit den Zahlen in Oberhausen zu decken. Zwar sinkt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber kontinuierlich. Aber gleichzeitig bleibt eine erkleckliche Zahl an Ausbildungsanwärtern unversorgt. 2020/21 gingen mehr als 200 Bewerberinnen und Bewerber leer aus. Und das ist äußerst heikel: Denn ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung steigt das Risiko, längere Zeiten der Arbeitslosigkeit im Leben erleiden zu müssen.
Corona-Pandemie verschlechtert die Lage für Auszubildende
Wie wird dieses Missverhältnis erklärt? Die Stadt ließ dafür einen 42-seitigen Bericht anfertigen, in dem Vertreterinnen und Vertreter aus dem Ausbildungsmarkt interviewt wurden. Der Bericht beleuchtet nur die Situation vor Corona. Allerdings scheint sich durch die Pandemie die Lage eher verschlechtert zu haben. In einer Befragung des DGB gaben 34,6 Prozent der Befragten an, sie seien in großer oder sehr großer Sorge, ihre Ausbildung nicht erfolgreich abzuschließen. Die Ausbildung sei zudem schlechter geworden, die Bezahlung ebenfalls.
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Die Stadt befragte für ihren Bericht Vertreter aus dem Ausbildungsmarkt, darunter das Zentrum für Ausbildung und Qualifikation (ZAQ), das Hans-Sachs-Berufskolleg, die IHK, die Jugendberufshilfe und die Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA).
Auszubildenden fehlt oft die Motivation
Die Unternehmen beschweren sich vor allem darüber, dass ein großer Anteil der Jugendlichen erhebliche Mängel bei sozialen und inhaltlichen Kompetenzen habe. Ihre Motivation fehle oft. Eine Ursache: zu wenig Unterstützung von Familien und Freunden. „Die Azubis sind oft lustlos“, beobachten Chefs.
Dass die jungen Leute es allerdings bei der Berufswahl recht schwierig haben, zeigen die anderen Antworten der Interviewten. Die Ansprüche der Unternehmen und reale Fähigkeiten der frischen Schulabgänger klaffen weit auseinander. Gerade im Handwerksbereich bestehen offenbar zu hohe Erwartungen. Betriebe suchen deshalb lieber Bewerber mit höheren Qualifikationen. Dieser Trend wiederum erschwert Jugendlichen mit geringerem Bildungsabschluss den Zugang zum Arbeitsmarkt.
Hotel- und Gastronomiebranche stellt hohe Ansprüche
Auch das Hotel- und Gastronomiegewerbe stellt hohe Ansprüche an die Auszubildenden. Sie müssten etwa zu Zeiten arbeiten, in denen andere frei haben. Die Branche kämpft nach Darstellung der Interviewten besonders mit dem Risiko, dass ihre Lehrlinge den Vertrag lieber vorzeitig auflösen.
Insbesondere kleinere Betriebe machen sich Gedanken über ihr Arbeitsklima. Hierarchien und traditionelle Ausbildungsbestandteile müssten hinterfragt werden. Sie müssten „auch lernen, dass wenn sie Ausbildungen anbieten, auch Zeit für Auszubildende brauchen“, wird ein Interviewter im Bericht zitiert. Die Bedingungen bei großen Betrieben werden gemeinhin besser bewertet.
Abhilfe schaffen könnten beispielsweise Maßnahmen zur Berufsorientierung, die schon in der 8. Klasse einsetzen, schlägt die Koordinierungsstelle „Kein Abschluss ohne Anschluss“ vor. Dadurch würden Schülerinnen und Schüler frühzeitig erkennen, welche Stärken und Schwächen sie haben, und was sie von einer Ausbildung erwarten dürfen. Schulen sollten auch vermehrt Sozialkompetenzen einüben, die für die spätere Ausbildung relevant sind. Aber auch die Betriebe sind gefragt: Mehr Toleranz und Entgegenkommen beim Übergang. Denkbar wäre auch eine Art Halbtagsausbildung, um den „Praxisschock“ zu verhindern.