Oberhausen. Das Helios-Krankenhaus St. Elisabeth bekommt einen Anbau. Dafür muss erstmal der Bunker weg. Doch vorher besuchen wir ihn ein letztes Mal.
Der Linoleum-Boden im Untergeschoss glänzt wie frisch gewischt. Zwei Krankenschwestern laufen den Flur entlang. Falk Ostwinkel steht vor einer Tür. Er ist so etwas wie der Herr der Schlüssel. Wobei in einem modernen Krankenhaus ein Schlüssel reicht, selbst wenn es um den Zugang eines Weltkriegsbunkers geht. Kurz hält der technische Leiter der Helios-Klinik St. Elisabeth seinen Schlüssel an die Tür, dann springt sie auch schon auf. Warme Luft, grelles Licht, jetzt geht es abwärts. Willkommen in der Unterwelt.
Das St. Elisabeth-Krankenhaus in Oberhausen-Styrum ist das älteste im Stadtgebiet. 1864 wurde es errichtet, demnächst bekommt es einen Anbau. 20 Millionen Euro lässt sich die Klinik-Gruppe Helios die dreistöckige Erweiterung kosten (wir berichteten). Draußen wurde dafür schon gegraben. Zum Vorschein kam bei den Arbeiten ein Stück dunkle deutsche Geschichte: der Bunker des Krankenhauses.
Der massive Erdbau muss für den Neubau verfüllt werden. Aufgrund seiner besonderen Konstruktion – die Dächer der Gänge laufen spitz zusammen – kann nicht direkt darauf gebaut werden. Die tonnenschweren Dächer werden deshalb abgesägt, der Bunker anschießend mit Kiesmaterial verfüllt. Das soll in den nächsten Wochen passieren – und angeblich wenig Lärm machen. Bevor der Bunker zugemacht wird, darf diese Redaktion noch einmal ins Innere.
Waschbecken hängen noch an der Wand
Wer alte medizinische Geräte, Relikte aus Kriegszeiten oder Schätze vermutet, der wird enttäuscht. Der Bunker ist leer. Lange wurde er als Archiv genutzt. Vor zwei Jahren hätte er mit einer neuen Brandschutzanlage aufgerüstet werden müssen, die Verwaltung entschied sich dagegen, sie hatte andere Pläne.
Die Wärme, die auf dem Gang nach unten zu spüren war, ist nicht von Dauer. Falk Ostwinkel öffnet eine weitere Tür, diesmal ohne Schlüssel. Ab hier beginnt der Bunker. Er ist als Rundgang konzipiert, besteht aus breiten Gängen, insgesamt vier WCs und einer Art Technik-Raum. Die Toiletten sind bereits abgebaut, nur die Waschbecken hängen noch an der Wand. Immerhin ein bisschen Bunker-Grusel. Vor allem ist die Unterwelt aber: kalt und nass.
Zehn Tonnen-Stücke werden mit Lkw abtransportiert
Die Abbrucharbeiten haben bereits begonnen, in den Wänden wurden in regelmäßigen Abständen faustdicke Löcher gebohrt. Dadurch wird später eine Kette gezogen, die die 1,40 Meter dicke Decke absägt. So entstehen zehn Tonnen schwere Blöcke, die mit einem speziellen Kran abgehoben werden. „Ein Lkw schafft zwei Blöcke, dann ist er voll“, rechnet Bauleiter Ralf Konkel vor. Vier Fuhren werden sie am Tag schaffen. Stück für Stück verschwindet, was ewig stehen sollte. „Ich hab schon vieles gemacht, aber einen Bunker abgebaut noch nie“, sagt Konkel.
Ostwinkel schätzt, dass der Bunker im Zweiten Weltkrieg entstand. Genaue Zahlen gibt es nicht. In der Klinik kann sich niemand daran erinnern, dass er mal für etwas anderes als Papiere und Akten genutzt wurde. Selbst Nonne Cordula nicht, die im Krankenhaus arbeitet und lebt. Und die ist immerhin 92 Jahre alt.
Klinik-Anbau
Auf dem Areal entsteht der lange geplante Erweiterungsbau des Krankenhauses. Er soll nicht nur einen neuen OP und eine Cafeteria beherbergen, sondern auch die Bettenzahl erhöhen. In Zukunft soll es im St. Elisabeth-Krankenhaus nur noch Ein- und Zweibettzimmer geben.Fertig werden soll das Gebäude im September 2024.
Die Gänge der Bunkeranlage sind breit genug, um Krankenbetten durchzuschieben. Den zweiten Ausgang, der aus dem Bunker auf die Straße führt, muss man allerdings zu Fuß nehmen. Eine Treppe führt ans Tageslicht, in die Gegenwart, wo Bagger die Zukunft ankündigen.
In der Verwaltung gab es Überlegungen, wie sich die Vergangenheit konservieren lässt. Konkel scherzt, man könne ja ein Zehn-Tonnen-Stück aufheben. Vielleicht auf dem Schreibtisch? Besser nicht. Dann doch lieber ganz mit ihr abschließen.