Oberhausen. Seit Januar ist Thomas Palotz in Oberhausen neuer Dezernent für Bauen und Umwelt. Besteht da kein Interessenkonflikt? Nein, sagt er im Interview.
Rund anderthalb Jahre lange hatte der wichtige Oberhausener Rathaus-Bereich Stadtplanung und Umwelt keine hauptamtliche Führung. Nachdem die frühere Dezernentin Sabine Lauxen (Grüne) im Juni 2020 nicht wiedergewählt worden war, blieb die Stelle lange unbesetzt. Im Januar hat Dr. Thomas Palotz Lauxens Nachfolge als Beigeordneter angetreten. Zeit für ein erstes Interview.
Herr Palotz, Sie verantworten als „der Neue“ in der Dezernenten-Riege einen riesigen Bereich, sind für die wichtigen Themen Stadtplanung, Bauen, Mobilität und Umwelt verantwortlich. Haben Sie sich schon eingelebt?
Thomas Palotz: Die ersten Tage waren in der Tat nicht leicht. Aber so langsam werde ich etwas wärmer. Man kennt jetzt das ein oder andere Gesicht und den ein oder anderen Vorgang. Nach elf Jahren in der Stadtverwaltung Dinslaken war der Wechsel nach Oberhausen schon eine deutliche Veränderung. Aber die habe ich ja auch gesucht – und gefunden.
Sie haben Oberhausen nun kennengelernt, sich sicherlich schon mit der Stadt beschäftigt. Wo sehen sie Schwachstellen? Wo hat Oberhausen Potenzial?
Ich möchte ungern von Schwachstellen und Potenzial sprechen, sondern von Chancen und Erfordernissen. Die großen Chancen liegen in der Entwicklung der Stadt, die mich sehr beeindruckt hat, vor allem die Dynamik, die Vielzahl an Entwicklungsprojekten, die hier vorangetrieben werden. Und ich bin beeindruckt, wie sehr der Oberbürgermeister Motor der Entwicklung ist. Auf der anderen Seite macht es aber gerade die Vielzahl der Projekte notwendig, dass man sortiert, priorisiert und die Dinge macht, die am schnellsten umsetzbar sind, die stadtentwicklerisch einem Leitgedanken folgen.
Können Sie ein oder zwei Beispiele an konkreten Projekten nennen, die sich zeitnah entwickeln lassen?
Jein. Stadtentwicklung ist keine Disziplin, die sich in ganz kurzen Zeiträumen realisieren lässt. Wir haben hier in Oberhausen eine dreistellige Zahl an Bauleitplanverfahren, die wir jetzt sortieren müssen. Um zu sehen, was sich wie realisieren lässt, muss ich noch genauer hinsehen.
Sie verantworten ja nicht nur den Bereich Bauen, sondern auch den Bereich Umwelt. Man könnte meinen, gerade diese beiden Ressorts knallen oft aneinander, Bauen geht oft einher mit Flächenversiegelung und Baumfällungen. Ist es eine gute Idee, beide Bereiche in ein Ressort zu stecken?
Ja, das ist eine absolut gute Idee. Stadtentwicklung ist ohne Umweltschutz ja gar nicht denkbar. Stadtplanung hat sich an den Aspekten des Umweltschutzes zu orientieren, das ist gesetzlich verankert. Dass das als Außenstehender zunächst als Herausforderung gesehen wird, kann ich gut nachvollziehen. Aber Stadtentwicklung ist ja in der Tat eine Herausforderung.
Können Sie auch nachvollziehen, dass regelmäßig ein Aufschrei durch die Gesellschaft geht, wenn irgendwo Bäume gefällt werden?
Ich habe in einer meiner ersten Sitzungen hier erlebt, wie lange man diskutiert, um einen Baum, der eventuell weichen muss, um eine Ladestation für einen Elektro-Bus zu ermöglichen. Die Stoag legt bei der Elektromobilität ein beeindruckendes Tempo vor. Im Kreis Wesel ist man meilenweit davon entfernt. Und dann erlebt man eine Diskussion, in der die Elektromobilität daran scheitern soll, weil ein Baum genau an der Stelle steht, an der ein Bus geladen werden muss. Solche Stilblüten darf das Thema nicht entwickeln. Auch wenn ich absolut nachvollziehen kann, wenn Unmut darüber herrscht, wenn große, stattliche Bäume zugunsten der Verkehrsinfrastruktur geopfert werden. Der Anspruch, alte Bäume zu erhalten, ist vollkommen gerechtfertigt.
Ist Oberhausen in Sachen Mobilitätswende denn insgesamt gut aufgestellt?
Ich bin beeindruckt, was in den vergangenen Jahren hier passiert ist. Das heißt im Umkehrschluss zwar nicht, dass wir gut genug sind und nicht noch besser werden müssen. Wir müssen uns aber immer fragen: Inwieweit ist die Stadtgesellschaft denn überhaupt bereit, Dinge mitzugehen? Es nützt niemandem etwas, wenn wir ideologisch getrieben vorgehen. Wir müssen die Dinge so entwickeln, dass der Mehrwert für die Allgemeinheit erkennbar wird und dann treffen die Projekte auch auf Akzeptanz.
Was kann man zum Beispiel tun, um mehr Menschen aufs Rad zu bringen?
Man muss den Leuten klarmachen, dass kurze Wege im Alltag durchaus mit dem Fahrrad zu bewältigen sind, also die Wege zum Einkaufen oder zur Arbeit. Wir müssen mehr Öffentlichkeitsarbeit betreiben und auch in der Stadtverwaltung besser werden. Zu den Fahrrad-Abstellanlagen am Technischen Rathaus muss ich sagen: eher mäßig. Die 2000 Euro teuren Fahrräder von heute möchte niemand mehr an den Abstellbügel ketten.
Flächenversiegelung ist auch so ein Streitthema. Oberhausen ist eine der Städte Deutschlands mit der höchsten Versiegelung. Was kann man dagegen tun?
Ich habe mir verschiedene Wohnbauprojekte angesehen: Auf dem Areal einer ehemaligen Sargfabrik sollen 100 neue Wohnungen entstehen. Die alte Albert-Schweitzer-Hauptschule wird abgerissen, auch dort entstehen Wohnhäuser. Ebenso auf dem Gelände eines ehemaligen Sportplatzes. Das sind alles Flächen, die bislang schon eine Nutzung hatten, also versiegelt waren. Solche Projekte müssen wir priorisieren. Wir werden sicherlich nicht immer vermeiden können, neue Flächen zu versiegeln, aber dies ist nicht unser oberstes Ziel.
Und wie stehen Sie zum geplanten Ausbau des Autobahnkreuzes Oberhausen. Ist der aus Ihrer Sicht nötig? Oder sollte man die Pläne noch einmal überdenken?
Dazu kann ich konkret noch nichts sagen. Grundsätzlich gehöre ich nicht zu denen, die sofort nach breiteren Straßen schreien, wenn sie im Stau stehen. Ich meine aber auch, dass man gegensteuern muss, wenn Verkehr zu dicht und so zu einem Risiko wird. Solche Risiken sehe ich zum Beispiel auf der A 42, wenn es jeden Samstag wegen des Zustroms zum Centro zu langen Rückstaus kommt. Da ist unbedingter Handlungsbedarf.
Der Verkehr rund ums Centro ist ja generell ein großes Problem.
Vor wenigen Wochen haben wir den Masterplan Neue Mitte vorgestellt. Die darin enthaltene Idee des Mobility Hubs finde ich in diesem Zusammenhang sehr gut, denn dadurch fangen wir den Verehr schon auf der Autobahn ab. Die Fahrzeuge werden außerhalb geparkt, Gäste kommen dann per Seilbahn, zu Fuß oder mit dem Leihrad in die Neue Mitte. Bei den Centro-Betreibern stoßen wir da übrigens auf offene Ohren. Würde das Centro heute neu gebaut, würde man niemals so viele Parkplätze vorhalten wie sie jetzt dort verfügbar sind. Man würde vielmehr Konzepte entwickeln, Besucher über andere Wege in die Neue Mitte zu locken. Wir können den Verkehr im Quartier nicht bewältigen, wir müssen ihn vorher abfangen.
Herr Palotz, vielen Dank für das Gespräch.
Gerne.
Thomas Palotz: Klavierspieler und Hundefreund
Thomas Palotz ist 54 Jahre alt und lebt mit seiner Frau, die in Dinslaken die Stadtbücherei leitet, in Bottrop-Kirchhellen. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Palotz ist Architekt und Stadtplaner, vor seinem Dienstantritt in Oberhausen war er Kämmerer und Baudezernent in Dinslaken.Palotz spielt Klavier und fährt gern mit seinem E-Bike. Er verbringt viel Zeit in der Natur, dafür sorgen der heimische Garten, der gepflegt werden will, und vor allem Hund Rudi. Der Spitz sei eingezogen, als die Kinder aus dem Haus waren, erzählt der 54-Jährige. „Seitdem bewegt er mich und meine Frau.“