Oberhausen. Für die Orgel im ältesten evangelischen Gotteshaus Alt-Oberhausens war eine umfassende Reinigung fällig. Der neue Orgelsound dürfte überraschen.
Nur gut, dass große Orgeln selbst in den protzigsten Privathaushalten nicht unterzubringen sind. Sie wären nämlich der Alptraum für jede Frühjahrsputz-Crew: Sieben Wochen gewissenhafter Arbeit für vier bis sechs hoch qualifizierte Orgelbauer beansprucht allein die Hey-Orgel in der Christuskirche. „Darin steckt unfassbar viel Handarbeit“, sagt Danny Neumann bewundernd.
Der Kantor der evangelischen Gemeinde in Alt-Oberhausen nutzt zudem die Chance des erstmals fälligen „Großreinemachens“ an der 2001 erbauten Orgel, um dem prächtigen Instrument einen neuen Klang maßzuschneidern: weniger auftrumpfend barock und damit etwas leiser und gemeindefreundlicher. „Die Veränderungen werden nicht nur Kennern auffallen“, verspricht Danny Neumann.
Auf ein gewichtiges Datum der Oberhausener Stadtgeschichte verweist die moderne, 20 Jahre junge Orgel schon mit der Zahl ihrer Pfeifen: Vom mächtigen, fünf Meter hohen Tieftöner bis zum kleinsten Piccolo sind es genau 1864 – entsprechend dem Baujahr des ältesten evangelischen Gotteshauses in Alt-Oberhausen. Und sämtliche 1864 Pfeifen waren seit dem 10. Januar auszubauen, zu reinigen, neu zu stimmen und zu intonieren und schließlich wieder einzubauen. Wer könnte das besser als jene Orgelbauer, die 2001 bereits das königliche Instrument nach Maß für die Christuskirche fertigten? „Ich war damals beim Bau schon dabei“, sagt denn auch Thomas Hey, der Sohn des Firmenchefs aus Ostheim vor der Rhön. Die Hey-Dynastie im nördlichsten Winkel Bayerns gebietet über eine 300-jährige Orgelbau-Tradition.
Maßarbeit für einen „mittleren fünfstelligen Betrag“
„Wir sind mit der Firma Hey hochzufrieden“, betont denn auch der seit 2020 in Alt-Oberhausen wirkende Kantor. Die Christuskirchengemeinde mit ihrer stolzen kirchenmusikalischen Tradition hatte für die teure, aber nach 20 Jahren fällige Reinigung eigens Rücklagen gebildet, um sie jetzt aus dem Posten „Gebäudeerhalt“ ausgeben zu können: Einen „mittleren fünfstelligen Betrag“, so Danny Neumann, wird die Maßarbeit insgesamt kosten. Denn abgesehen vom Gehäuse (das ebenfalls gereinigt wird) bauen die Handwerker jedes einzelne der vielen tausend Teile aus, um es zu säubern und zu überprüfen: jede Taste am Spieltisch, dazu Motor, Windladen und Traktur.
Auch die Elektrik gilt es nach neuesten Vorschriften zu prüfen. Den Kantor freut die – nicht nur sparsamere, sondern vor allem kühlere – LED-Beleuchtung. Jetzt droht die Wärme der Lichtquellen nicht mehr einzelne Pfeifenbündel zu verstimmen. Inzwischen sind die Arbeiten fortgeschritten bis zum für den Organisten spannendsten Kapitel: „Wir sind jetzt bei der Nachintonation“, erklärt Thomas Hey. „Jetzt am Schluss braucht man Ruhe.“
Nur mit Handschuhen arbeitet der Orgelbauer mit den empfindlichen, aus einer Zinn-Blei-Legierung geformten Pfeifen. Den Klang bestimmt das „Labium“, die Kante an jenem schmalen Spalt, an dem sich der Luftstrom bricht. Malgenommen mit 1864 ergibt das den orchestralen Pomp dieser „Königin der Instrumente“. Und für den hatte der 29-jährige Kantor eine „Wunschliste“ – die ähnlich schon sein Vorgänger Konrad Paul angestoßen hatte: „Für die Gemeinde war die Orgel zu laut“, erkannte Danny Neumann.
Die Schärfen des Barocksounds abgemildert
Die spätbarocke Disposition der Hey-Orgel samt „Nachtigall“ und „Cymbelstern“ klang oft zu forsch für die stilleren Momente des Gottesdienstes nach Noten. „Das ist nicht einfach mit einem Regelschalter korrigiert“, weiß der Kantor. „Jede Stimmung ist ein Kompromiss.“ Und die hohe Kunst der Orgelbauer besteht darin, für ein in der Summe ausgewogenes Klangbild zu sorgen. Die Schärfen des Barocksounds sind jetzt abgemildert. Die Orgel eignet sich nun besser auch für die Musik späterer Epochen – und vor allem für das Zusammenspiel mit Chören und Orchestern.
Drei Kantoren musizieren zur Wiedereröffnung
Zur Wiedereröffnung plant Danny Neumann ein festliches Orgelkonzert, das am Sonntag, 6. März, um 17 Uhr die reichen Klangfacetten der frisch gereinigten Hey-Orgel vorstellen wird. Neben dem seit 2020 amtierenden Kantor spielen dann auch sein Vorgänger Konrad Paul (heute in Münster) und sein Vorvorgänger Klaus Müller, der aus Berlin anreist, und der 2001 die Orgel mit entworfen hatte.
Der Hey-Orgel gebührt eine eigene Webseite: christuskirche-oberhausen.de/kirchenmusik/die-hey-orgel. Außerdem berichtet Kantor Neumann für die Gemeinde fortlaufend in Text und Bildern über die Arbeiten auf der Orgelempore.
„Ich bin fast jeden Tag hier“, sagt der Kirchenmusiker. Auch der Orgel-Sachverständige der Landeskirche verfolgte die mit der Reinigung verbundenen Fortschritte: „Mehrere Ohren hören noch genauer hin.“ Für die Orgelbaubetriebe wird die Pflege ihrer Instrumente zum entscheidenden Aspekt ihrer Handwerkskunst. „Seit 15 Jahren haben wir immer weniger Orgelneubauten“, bestätigt Thomas Hey. Oberhausens zweite Hey-Orgel, in der katholischen Kirche St. Johannes Evangelist, wird bald „umziehen“, weiß der Meister aus Bayern. Die Pfarrei St. Marien nimmt Abschied von der Kirche im Schladviertel – und von ihrer romantisch gestimmten Orgel. Und die hochmusikalischen Handwerker begleiten ihr Werk auf Reisen.