Oberhausen. Zum Aufgebot der Frauenfilmtage „Visuelle“ zählt großer Produktionsaufwand aus dem kleinen Dänemark. Und „The King’s Man“ zündelt am Weltenbrand.

Das Kinojahr 2021 begann – reichlich verspätet nach langem Lockdown – im Juli mit einer großen Regisseurin: mit Oscar-Gewinnerin Chloé Zhao und ihrem US-Epos „Nomadland“. Das neue Kinojahr 2022 startet – jedenfalls im Lichtburg Filmpalast – mit einer großen europäischen Regisseurin, der Dänin Charlotte Sieling. Ihre „Königin des Nordens“ ist die aufwendigste Filmproduktion die je im Land der einstigen „Dogma“-Regie-Revoluzzer produziert wurde.

Oberhausens Frauenfilmtage „Visuelle“ haben das Historienwerk, das an die kurze Einheit Skandinaviens in einem Großreich am Ausgang des Mittelalters erinnert, ins Programm gehoben. Der Film-Hit aus dem hohen Norden vereint Verrat und Intrigen mit der magischen Hauptdarstellerin Trine Dyrholm in einem exzellent gefilmten Historiendrama über jene Margarethe I. (1353 bis 1412), die offiziell nie zur Königin gekrönt worden war – und dennoch die drei Reiche Dänemark, Norwegen und Schweden unter ihrer Herrschaft in der „Union von Kalmar“ vereinte. In der Lichtburg jeweils um 20.15 Uhr.

Englisches Flair anno 1924: Szene mit Colin Firth, Odessa Young und Olivia Colman in „Ein Festtag
Englisches Flair anno 1924: Szene mit Colin Firth, Odessa Young und Olivia Colman in „Ein Festtag". © dpa | Tobis Film

Ebenfalls präsentiert von „Visuelle“ zeigt auch „Ein Festtag“ nach der Erzählung des großen britischen Romanciers Graham Swift kultivierte Frauenpower auf der Leinwand: Es ist für die französische Regisseurin Eva Husson ihr Debüt im englischsprachigen Film. Sie erzählt die Geschichte eines Dienstmädchens, das zur Schriftstellerin wird. Ein Film voller Melancholie und mit der 23-jährigen Australierin Odessa Young als überragender Hauptdarstellerin. In der Lichtburg jeweils um 18 Uhr.

Begegnung von Jane Birkin und Bette Davis

Britisches par excellence bietet auch der Dienstagsfilm am Dienstag, 4. Januar, um 18 Uhr in der Reihe „Best of Cinema“: Mit altweltlichem Gentleman-Charme zum Tropenhelm und Einstecktuch besticht Sir Peter Ustinov in der 1978er Verfilmung von Agatha Christies „Tod auf dem Nil“. Cineasten dürfte allerdings nicht nur die skurrile Gestalt des Ermittlers Hercule Poirot beglücken, sondern auch die Begegnung zweier Aktricen ganz unterschiedlicher Herkunft: der damals 32-jährigen Jane Birkin und von Hollywoods 70-jähriger Grande Dame Bette Davis.

Spionage anno 1914: Ralph Fiennes als Duke of Oxford in „The King's Man – the Beginning
Spionage anno 1914: Ralph Fiennes als Duke of Oxford in „The King's Man – the Beginning". © Twentieth Century Fox / dpa

Um einen großen Namen ist auch die Vorpremiere am Mittwoch, 5. Januar, um 20 Uhr nicht verlegen: „The King’s Man – the Beginning“ trumpft auf mit Ralph Fiennes. Das Action-Spionage-Abenteuer erzählt mit einem Sprung zurück in die 1910er Jahre die Vorgeschichte der schlagkräftigen „Kingsman“-Organisation. Ganz anders als die nuanciert erzählende Dänin Charlotte Sieling betreibt hier Regisseur Matthew Vaughn Geschichtsschreibung (oder eher -klitterung) aufs Plakativste.

Historische Figuren, hübsch verzerrt

Der junge Conrad wird vom Duke of Oxford in die britische Spionage eingeführt. Dabei trifft er auf (hübsch verzerrte) historische Figuren wie General Kitchener und den serbischen Attentäter Gavrilo Princip sowie den mysteriösen Russen Rasputin, der gemeinsam mit dem geheimnisvollen Hirten und den Monarchen George V., Wilhelm II. und Nikolaj II. eine Verschwörung ausgeheckt hat, die die Welt ins Verderben stürzen könnte. Genauer gesagt: in den Ersten Weltkrieg.

Nordischer Jahresauftakt auch im Walzenlager-Kino

„Nordisch by nature“ präsentiert sich auch das Kino im Walzenlager, wenn’s am Donnerstag, 6. Januar, wieder losgeht an der Hansastraße 20: Denn dann läuft, jeweils um 18 Uhr, „Gracious Night – eine Nacht in Helsinki“ von Mika Kaurismäki. Der 66-jährige Grande des skandinavischen Autorenkinos erzählt von drei Männern, die sich bei Wein und Diskussionen in einer langen Nacht näher kommen. Diese Nacht könnte die letzte für ihre Kneipe sein, die wegen der Pandemie in Finanznot geriet.

Dem hohen Norden Deutschlands schließlich widmet das Walzenlager seinen ersten Sonntagskino-Termin des Jahres. Am 9. Januar um 16 Uhr durchdringt „Der Atem des Meeres“ als poetischer Kinodokumentarfilm das beeindruckende Universum des größten Marschlandes der Welt: das Wattenmeer.

Wie’s wirklich war, erzählt der große Historiker Christopher Clark hinreißend in seinem Sachbuch-Bestseller von 2012. Schade nur, dass sich aus dem Titel „Die Schlafwandler“ kein Agenten-Reißer schnitzen lässt.