Oberhausen. Alle Fünftklässler an der Gesamtschule Osterfeld in Oberhausen lernen im Unterricht mit iPads. Wie es sich im digitalen Klassenzimmer lernt.

Gebannt blicken die Schülerinnen und Schüler Richtung Tafel. „Sollen wir mal hören, was der GSO-Bär zu sagen hat?“, fragt Klassenlehrerin Andrea Parche. Das durch den Beamer an die Wand projizierte Bild zeigt das neue digitale Klassenzimmer der Gesamtschule Osterfeld (GSO) in Oberhausen. Mit einem Klick auf den Bären öffnet sich eine Sprachdatei, die den Kindern erklärt, dass ihre heutige Stunde ganz schön kreativ wird. Nach einigen erläuternden Worten ihrer Lehrerin folgt der Startschuss: „Dann entsperrt jetzt mal eure iPads – und los geht’s!“

„Digital fit in 5“ heißt das neue Schulfach, dass alle Fünftklässler an der Gesamtschule einmal pro Woche im Rahmen des Ganztagsprogramm fest im Stundenplan integriert haben. Alle Schüler sind mit einem iPad ausgestattet und lernen mit dem virtuellen Raum den Umgang mit modernen Medien. Heißt: Alle Schüler sitzen normal im Klassenzimmer zusammen, sind aber zusätzlich in einem virtuellen Klassenzimmer auf ihren Endgeräten unterwegs. „Damit nehmen wir eine gewisse Vorreiter-Rolle in der Stadt ein“, erklärt Projektkoordinatorin und Lehrerin Corinna Lürick nicht ohne Stolz. Denn: Das digitale Klassenzimmer entspringt dem kreativen Schaffen von acht Pädagogen der Schule und ist ganz auf das Konzept der Gesamtschule angepasst.

200 Fünftklässler an der Gesamtschule Osterfeld lernen jede Woche mit dem iPad

Im digitalen Klassenzimmer sind hinter den im digitalen Programm eingebauten Elementen wie Tafel, Turnschuh oder Rucksack verschiedene Dateien und Links hinterlegt, mit denen die Kinder arbeiten können – und das individuell und interaktiv. Heute wird es kreativ – die Fünftklässler lernen, wie sie in bunten Farben Linien und Muster nachzeichnen und schattieren können. „Es geht dabei vor allem um den verantwortungsbewussten Umgang“, erklärt Lürick, während die Kinder schon begeistert mit dem Tablet-Stift auf ihren Geräten malen. Spielerisch lernen die Schüler so grundlegende informatische Fähigkeiten und sollen im nächsten Schritt auch einen kritischen Blick auf Sicherheit, Datenschutz und Fake News gewinnen.

So sieht das digitale Klassenzimmer der Fünftklässler aus. Projektkoordinatorin Corinna Lürick und andere Pädagogen haben viele Arbeitsstunden in das Programm investiert.
So sieht das digitale Klassenzimmer der Fünftklässler aus. Projektkoordinatorin Corinna Lürick und andere Pädagogen haben viele Arbeitsstunden in das Programm investiert. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Wir haben uns dazu entschlossen, die iPads, die uns aus dem Sofortausstattungsprogramm zur Verfügung stehen, allen Fünftklässlern zur Verfügung zu stellen“, erklärt Schulleiter Gregor Weibels-Balthaus. 580 dieser Geräte sind bereits an der Schule im Einsatz, insgesamt 200 Fünftklässler arbeiten derzeit im Programm „GSOnline“. „So können die Schüler schon von Beginn an lernen, wie die Geräte benutzt werden, was mit ihnen alles möglich ist.“ Darunter fallen Basics wie E-Mails schreiben und sichere Passwörter vergeben sowie der kompetente Umgang mit der Lernplattform Iserv.

Trotz digitalem Klassenzimmer: Arbeitsblätter gibt’s auch weiterhin in die Hand

Wichtig dabei: Arbeitsblätter und gezauberte Kunstwerke werden auch ausgedruckt, die Kinder sollen lernen, digitales und analoges Arbeiten miteinander zu verknüpfen. Viele der Schüler hätten zudem keinen Drucker zu Hause – die Haptik von Blättern und Co. dürfe aber nicht verloren gehen, wissen die Pädagogen. „Die Kinder waren am Anfang des Schuljahres stolz wie Bolle, als wir ihnen die Geräte übergeben haben“, erinnert sich die Projektkoordinatorin. „Sie gehen ganz vorsichtig mit den iPads um, so wie wir uns das auch wünschen.“

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Dabei soll es aber nicht bleiben. Das Land NRW stellte EU-Fördermittel für die digitale Transformation zur Verfügung – in Oberhausen profitieren Schulen an sozial benachteiligten Standorten von einem wahren Geldsegen: Zum nächsten Schuljahr 2022/23 wird die GSO für alle ihre 1500 Schüler ein iPad inklusive Stift und Tastatur bereitstellen können – insgesamt 713.500 Euro bekommt die Schule dafür.

Schüler der Gesamtschule Osterfeld lernen auch zu Hause mit ihren iPads weiter

Das bedeutet für die engagierten Lehrerinnen und Lehrer: Ihr jetziges digitales Klassenzimmer für alle anderen Jahrgänge aufbereiten und mit altersgerechten Inhalten ausstatten. „Wir sehen Digitalisierung nicht als Feind, sondern als große Möglichkeit“, urteilt der Schulleiter. Klassenlehrerin Andrea Parche beantwortet Fragen, hilft beim Umgang mit den Geräten. Oft werde die digitale Kompetenz der jungen Generation überschätzt, meint Weibels-Balthaus. „Sie können zwar mit Smartphone und Co. umgehen, aber nur mit den Anwendungen, die sie nutzen. Manche Kinder schreiben den Inhalt ihrer ganzen Mail in die Betreffzeile oder wissen nicht, wie das Gerät an- und ausgeschaltet wird.“

Aller Anfang ist schwer: Klassenlehrerin Andrea Parche erklärt ihren Schützlingen die Aufgaben und gibt Hilfestellung.
Aller Anfang ist schwer: Klassenlehrerin Andrea Parche erklärt ihren Schützlingen die Aufgaben und gibt Hilfestellung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die 11-jährige Lara findet es auf jeden Fall aufregend, mit dem Gerät zu arbeiten. „Ich finde es schöner, mit dem iPad zu schreiben, ein Füller läuft immer aus und ein Collegeblock geht irgendwann kaputt.“ Auch in anderen Schulfächern nutzt die Klasse das Tablet bereits, unter anderem in Gesellschaftslehre und Deutsch. „Ich könnte mir vorstellen, in jedem Fach damit zu arbeiten.“ Die Schüler dürfen die iPads mit nach Hause nehmen, darauf arbeiten, lernen und sogar spielen. Für die Schülerin ein großer Vorteil. „Ich benutze gerne die Notiz-App, um damit zu lernen. Letztens habe ich mir so die Bundesländer beigebracht.“ Zum Abschluss der Stunde sind die Schüler unterschiedlich weit mit den Arbeitsaufträgen gekommen. Der Rest ist Hausaufgabe – oder wird in der nächsten digitalen Stunde im Klassenzimmer nachgeholt. „Kein Kind fällt durchs Raster“, verspricht der Schulleiter.

Zusätzlich 3,5 Millionen Euro für Oberhausen

Die Stadt Oberhausen schafft weitere 7000 Tablets und Laptops für Schülerinnen und Schüler an – mit Fördermitteln in Höhe von 3,5 Millionen Euro. Erste Geräte können nach jetzigem Stand schon Anfang 2022 geliefert werden. Möglich macht das diesmal nicht der Digitalpakt Schule, der bisher die Ausgaben für digitale Geräte geschluckt hat, sondern das Förderprogramm „EFRE REACT“ der Europäischen Union und des Landes NRW, mit dem die Auswirkungen der Corona-Pandemie abgemildert werden sollen.Die Landesregierung hat nach einem Katalog sozialer Kriterien 15 Grundschulen, die Förderschulen und jeweils eine Realschule, eine Gesamtschule und ein Gymnasium ausgewählt, an denen die Schüler mit einem Leihgerät ausgestattet werden sollen. Außerdem werden einzelne Bildungsgänge der drei Oberhausener Berufskollegs gefördert. Sollte es an einzelnen Schulen dann zu viele Tablets oder Laptops geben, will die Stadtverwaltung die geförderten Tablets und Laptops umverteilen. Die 7000 neuen Geräte kommen zu den 6000 iPads und Laptops dazu, die bereits seit Ende 2020 an den Oberhausener Schulen im Einsatz sind. Ziel sei es, dass am Ende jede Schülerin und jeder Schüler ein Leih-Endgerät erhält.