Oberhausen/Mülheim. Deborah Stegmann ist mitten in ihrer Friseurausbildung schwanger geworden – und musste abbrechen. Wie der Oberhausener Salon Il Capello ihr half.

Anderen Menschen die Haare zu schneiden, sei schon immer ihr Traum gewesen, sagt Deborah Stegmann. Vor fünf Jahren hat die 26-Jährige eine Friseurausbildung in ihrer Heimatstadt Mülheim begonnen. Doch dann kam alles anders: Deborah Stegmann wurde im zweiten Ausbildungsjahr plötzlich schwanger, entschied sich mit ihrem Mann aber dazu, ihr Kind zu bekommen.

„Bis kurz vor der Geburt habe ich noch weiter gearbeitet“, erzählt Stegmann. Doch als ihre Tochter dann auf der Welt war, sei eine Vollzeitausbildung unmöglich gewesen. Sie musste abbrechen. Kurze Zeit später brachte sie dann ihr zweites Kind zur Welt. „Weil es mir aber wichtig war, meine Ausbildung abzuschließen, habe ich nach Teilzeitausbildungen gesucht – und im Salon Il Capello in Oberhausen eine Stelle gefunden.“

Oft abhängig von staatlicher finanzieller Unterstützung

So wie Stegmann geht es vielen jungen Müttern. Nach Angaben der Bundesarbeitsagentur haben über 50 Prozent aller Menschen mit Kindern – überwiegend sind es Frauen – keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Folge: „Die jungen Frauen sind oft abhängig von staatlicher finanzieller Unterstützung oder arbeiten im Niedriglohnbereich“, erläutert Marion Steinhoff, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur in Oberhausen. Sie wünscht sich deshalb, dass Teilzeitausbildungen keine Ausnahmen mehr bleiben, sondern zur Regel werden.

Im Il Capello in Oberhausen geht Deborah Stegmann ihrer Leidenschaft nach: Sie stylt und frisiert die Haare ihrer Kundinnen und Kunden.
Im Il Capello in Oberhausen geht Deborah Stegmann ihrer Leidenschaft nach: Sie stylt und frisiert die Haare ihrer Kundinnen und Kunden. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Für Mütter wie Deborah Stegmann sei eine Teilzeitausbildung die beste Möglichkeit, neben der Kinderbetreuung oder anderen Verpflichtungen einen Abschluss zu erlangen. In der Regel arbeiten die Auszubildenden zwischen 25 und 30 Stunden in der Woche und nehmen einmal wöchentlich regulär auch am Berufsschulunterricht teil.

Teilzeitausbildung seit 2020 für alle möglich

Die Teilzeitausbildung war bereits seit 2005 im Berufsbildungsgesetz verankert, allerdings nur für bestimmte Personengruppen, „die ein berechtigtes Interesse nachweisen können“, heißt es im Gesetz. Damit sind Menschen gemeint, die Betreuungsaufgaben, wie der Kinderpflege, nachgehen. Doch seit 2020 gibt es nun eine Neuregelung, die es prinzipiell allen ermöglicht, sich für eine Teilzeitausbildung zu entscheiden.

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Für Stegmann aber war es gar nicht so einfach, dann auch einen Salon zu finden, der diese Teilzeitausbildung anbietet: „Ich habe alle Läden in Mülheim, Duisburg und Oberhausen abtelefoniert“, erinnert sich die Azubine, die momentan im dritten Lehrjahr ist. Insgesamt habe sie nur drei Zusagen erhalten. Marion Steinhoff von der Arbeitsagentur begründet das so: „Viele Unternehmen haben Vorurteile, weil sie denken, dass die Azubis beispielsweise wegen ihrer Kinder öfter ausfallen und unzuverlässig sind.“

Auf den ersten Blick scheine dieses Modell nicht unternehmerfreundlich zu sein. „Aber ich finde es wichtig, auch mal neue Wege zu gehen“, sagt Heike Schumann, Ausbilderin und Inhaberin des Il Capello. Deborah Stegmann ist ihre erste Teilzeitazubine. Am Anfang sei zwar auch sie skeptisch gewesen. „Aber ich war damals, als ich mich selbstständig machte, ebenfalls eine junge Mutter und möchte nun andere Frauen unterstützen.“ Insgesamt hat Schumann drei Azubis.

Flexibilität hilft über viele Hürden im Berufsalltag

Marion Steinhoff (Agentur für Arbeit, li.), Heike Schumann (Unternehmerin) und Deborah Stegmann (Azubi, re.) freuen sich über die Möglichkeiten der Teilzeitausbildung im Il Capello in Oberhausen.
Marion Steinhoff (Agentur für Arbeit, li.), Heike Schumann (Unternehmerin) und Deborah Stegmann (Azubi, re.) freuen sich über die Möglichkeiten der Teilzeitausbildung im Il Capello in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die Flexibilität der Unternehmerin wurde bereits zu Beginn von Deborah Stegmanns Ausbildung auf die Probe gestellt. „Ich war gerade einmal zwei Wochen bei Il Capello, da wurde erst meine Tochter krank, dann mein Sohn und schließlich erwischte es mich selbst“, erzählt die zweifache Mutter. Sie fiel für insgesamt drei Wochen aus. „Das war mir so unangenehm, dass ich am liebsten direkt wieder gekündigt hätte“, erzählt sie rückblickend.

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Doch ihre Chefin nahm es gelassen: „Es geht alles. Wir hatten auch schon Fälle, da ist die Kinderbetreuung von meinen Mitarbeiterinnen weggebrochen und die Kinder waren plötzlich hier im Laden. Irgendjemand ist immer da und kann sie bespaßen und wenn nicht, laufen die Kinder halt hier rum und räumen die Regale leer“, erzählt Schumann und lacht.

Neun Teilzeit-Azubis 2020 in Oberhausen

Neun von insgesamt 987 Auszubildenden absolvierten 2020 in Oberhausen eine Teilzeitausbildung im Bereich der Industrie- und Handelskammer (IHK). Teilzeitausbildungen finden überwiegend im Kaufmännischen Bereich, im Einzelhandel und im Friseurbereich statt. Hinzu kommt noch die Ausbildung zum medizinischen und zahnmedizinischen Fachangestellten und bei der Stadtverwaltung.Interessierte können sich bei der Agentur für Arbeit Oberhausen unter 02088506611 und Oberhausen.BCA@jobcenter-ge.de melden.

Azubis würde die Unternehmerin inzwischen immer wieder auch gerne in Teilzeit einstellen. Denn für sie sei das eine Win-Win-Situation. „Wenn Deborah nach ihrer Ausbildung weiterarbeiten möchte, habe ich mit ihr eine gute Kraft gefunden.“