Oberhausen. Gitarristin Heike Matthiesen präsentierte Komponistinnen aus zwei Jahrhunderten. Ein musikalisches Vergnügen mit Lehrwert im Gdanska Oberhausen.
Wie schön ist das denn – eine Frau auf kleiner Bühne, die ohne ein einziges Wort zu singen einfach nur Gitarre spielt. Das geriet beim Gitarrenfestival Oberhausen im Gdanska Theater zum ganz besonderen Erlebnis, weil die klassische Saitenkünstlerin Heike Matthiesen – über zwei Jahrhunderte hinweg – ausschließlich Stücke von Komponistinnen spielte. Auf das in dem Zusammenhang häufig als „Doppel-Moppel“ verwendete Attribut „weiblich“ verzichten wir getrost; berührt es doch außermusikalische Aspekte persönlicher Natur, was die angestrebte Gender-Correctness unfreiwillig arg karikiert.
Schwer zu entscheiden, wovon man bei dem einzigen klassischen der vielen Gitarren-Konzerte im Festivalprogramm mehr begeistert war. Bot doch Heike Matthiesen einerseits ganz unmissionarisch eine hochinformative Lehrstunde zur kaum beachteten Geschichte (wir warnen mit Woody Allen: „Oh, ach, das schlimme Wort“) weiblicher Gitarrenkunst, die von den bis heute das Musikleben dominierenden Männern im besten Fall einfach ignoriert wurde.
Breites Spektrum der klassischen Gitarrenklänge
Pointiert dargestellt anhand böser Zitate sogenannter Gitarren-Päpste („Kein ernsthafter Musiker würde sich damit abgeben“) und fabelhaft konterkariert von der 1969 in Braunschweig geborenen Interpretin, die vergleichsweise spät, nämlich erst mit 18 Jahren, zu ihrem Instrument fand. Womit wir beim Andererseits sind. Illustrierte Heike Matthiesen die kenntnisreichen Ausführungen zu Komponistinnen von Emilia Guiliani (1813-1850) bis Lilith Guegamian (*1971) doch mit zwischen trauter Gelassenheit und rasanter Virtuosität schwebenden Ausdeutungen ihrer entdeckungswürdigen Stücke.
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So erklangen in einer Rossini-Variation der unehelichen Tochter des italienischen Gitarren-Virtuosen Mauro Giuliani etwa die von dieser erfundenen Doppelflageoletttöne in flirrender Pracht. Noch spannender wurde es bei Madame Sidney Pratten (1821-1895), die als Gitarre-spielende Tochter Catharina Josepha des Musikpädagogen Ferdinand Pelzer ein vielbeachtetes Wunderkind war und nach ihrer Verehelichung mit einem Engländer, unter dessen Namen sie fortan auftrat, in Großbritannien als hervorragende Gitarrenlehrerin bekannt wurde. Wohl auch wegen so prominenter Schülerinnen wie Prinzessin Beatrice, dem jüngsten Kind der Königin Viktoria.
Eine eigene Konzertreihe für klassische Gitarristinnen
Um das allseits bekannte, von vielen Komponisten verwurstete Thema mit dem schönen Text „Ein Mops schlich in die Küche“ entbrannte in der Pause gar eine amüsante Diskussion. Ob nicht doch „Mein Hut, der hat drei Ecken“ der richtigere Text sei? Nun denn, der wahre Musikkenner hält es klar mit Loriot: „Ein Leben ohne Mops ist vorstellbar, aber sinnlos.“
Heike Matthiesen erwies sich in Oberhausen als derart überzeugende Advokatin der Komponistinnen-Zunft, dass der rührige Gitarrissimo-Macher Jürgen Reinke spontan entschied, künftig klassischen Gitarristinnen eine eigene Konzertreihe zu widmen. Auch so gesehen, war es ein gelungener Abend im Gdanska Theater, das sich perfekt für intime Kammermusik eignet.
Das Finale von Gitarrissimo
Das Gitarrissimo-Oktoberfest(ival) 2021 endet am Freitag, 29. Oktober, im Gdanska mit einem Konzert der Bochumer Band „Held der Arbeit“. Die präsentiert ab 20 Uhr u.a. mit Piano, Zitter, Gitarre und Violine eine eigenwillige Mischung zwischen 80er, Folk, Pop und Steampunk, was Partystimmung verspricht. Der Eintritt beträgt 20 Euro, es gilt die 2G-Regel. Eine Reservierung via gdanska.de wird empfohlen.