Oberhausen. Ein Blick auf die Intensivstationen in Oberhausen zeigt: Corona ist eine Pandemie der Jungen und Ungeimpften geworden. Ärzte warnen.

Freiheit für alle? Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert die Aufhebung aller Corona-Beschränkungen zum 30. Oktober. Doch kann das angesichts einer deutschlandweiten Impfquote von 63,1 Prozent (Stand: 20.09.2021) gut gehen? Ein Blick auf die Intensivstationen in Oberhausen belegt: Corona ist längst eine Pandemie der Jüngeren und der Ungeimpften geworden. Mit bekannten Folgen. Zehn Kinder und Jugendliche mit einem Long-Covid-Syndrom müssen aktuell am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen behandelt werden.

Die Sieben-Tage-Inzidenz vor Ort ist auch am Montag, 20. September 2021, weiter gesunken und liegt jetzt bei 85,9. Einen Grund zur Entwarnung gibt es aber nicht. Wer sich den nach Altersangaben aufgeschlüsselten Wochenbericht (vom 16.09.2021) des Robert-Koch-Institutes ansieht, erkennt auf einen Blick: In den Altersgruppen der Fünf- bis 19-Jährigen liegen die 7-Tage-Inzidenzen bei über 170. Auch das Durchschnittsalter auf den Intensivstationen ist gefallen: Die meisten Patienten mit schweren Covid-Verläufen sind zwischen 35 und 59 Jahre alt, gefolgt von der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen und den 15- bis 34-Jährigen. Dazu kommt: Die Krankenhausbehandlungen aufgrund schwerer Verläufe sind laut RKI im Vergleich zur Vorwoche um zehn Prozent gestiegen. In Oberhausen liegen 19 Covid-Patienten im Krankenhaus, davon befinden sich sechs auf der Intensivstation, drei müssen beatmet werden (20.09.2021).

Auch im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO) sind die Covid-Patienten jünger geworden. „Aktuell behandeln wir sieben Erkrankte, davon fünf auf der Intensivstation“, sagt EKO-Sprecherin Pia Voigt. Das Durchschnittsalter der Patienten liege bei 62 Jahren. „In der Klinik für Kinder und Jugendliche im EKO betreuen wir seit Anfang des Jahres außerdem zehn Kinder mit Long-Covid-Symptomen, zunächst stationär und anschließend regelmäßig in unseren ambulanten Sprechstunden.“ Dennoch gibt sich Dr. Hassan Issa, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche, verhalten optimistisch: „Je jünger die Kinder sind, umso geringer scheinen sich zumindest die Langzeitfolgen der Erkrankung auszuwirken.“

Durchschnittsalter liegt bei rund 50 Jahren

Sieben Patienten (Stand 17.09.,10:30 Uhr) werden auf der Ameos-Isolierstation behandelt – mit einem vorwiegend leichteren bis mittelschweren Krankheitsverlauf. „Im Vergleich zum Vorjahr fällt jedoch auf, dass auch bei uns die Patienten deutlich jünger sind“, sagt Ameos-Sprecherin Annette Kary. Während die Patienten in der ersten Welle durchschnittlich 72 Jahre alt gewesen seien, liege das Durchschnittsalter nun bei rund 50 Jahren. „Dabei handelt es sich vorwiegend um Ungeimpfte, vereinzelt sind aber auch vollständig Geimpfte darunter.“

Dr. Thomas Butz (Ärztlicher Direktor bei Ameos) warnt deshalb eindringlich vor zu frühen Lockerungen. Abstandsregeln und medizinische Masken zum Selbst- und Fremdschutz hätten sich bewährt und sollten beibehalten werden. „Erst wenn die Impfquote in Oberhausen weiter steigt, sinkt das Risiko für alle.“ Butz geht davon aus, dass in den Herbstmonaten die Anzahl der Covid-19 Patienten steigt. Noch seien auf der Covid-19 Station und im Covid-19 Bereich der Intensivstation ausreichend Kapazitäten vorhanden, aber das könne sich auch ganz schnell wieder ändern.

Sauerstoff für eine unter 30-Jährige, die nicht geimpft war

Im Johanniter Krankenhaus Oberhausen werden fünf Covid-Patienten behandelt, zwei davon auf der Intensivstation. „Das Durchschnittsalter beträgt 53 Jahre, der älteste ist 78 Jahre, der jüngste 23 Jahre alt“, sagt Stefan Wlach, Sprecher des Evangelischen Klinikums Niederrhein (zu dem das Johanniter Krankenhaus gehört). Trotz der steigenden Infektionszahlen in der Region bewegen sich auch die Patientenzahlen mit schwer verlaufenden Covid-19 Infektionen in der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen noch auf einem niedrigen Niveau. Aktuell werden dort zwei positiv getestete Corona-Patienten behandelt (Stand: 14.09.2021). Dazu kommt ein über 70-jähriger vollständig geimpfter Patient mit schweren chronischen Vorerkrankungen, der nun auf der Intensivstation liegt und eine nicht geimpfte unter 30-Jährige auf einer Normalstation, die mit Sauerstoff versorgt werden muss.

Insgesamt 262 Covid-Patienten hat Helios in Oberhausen bislang behandelt, 39 davon sind verstorben. „Patienten, die stationär aufgenommen werden müssen, sind in der Regel so schwer erkrankt, dass eine Indikation zur Sauerstoffpflicht und zur medikamentösen Therapie besteht“, führt Helios-Sprecherin Nadine Formicola aus. Immerhin: „In den letzten Monaten hatten wir jedoch, im Vergleich zu Ende 2020/Anfang 2021 deutlich weniger beatmete Intensivpatienten, kaum noch hochbetagte Patienten und keine Patienten, die an Covid-19 verstorben sind.

Sonderimpfaktion beim Trödelmarkt im Bero-Zentrum

Die Stadt Oberhausen bietet am Wahlsonntag, 26. September, eine weitere Sonderimpfaktion an: Von 11 bis 16 Uhr können sich alle Interessierten beim Trödelmarkt im Bero-Zentrum spontan und ohne Termin impfen lassen.Weitere Informationen zu Impfungen für alle ab 16 Jahren und für Kinder ab 12 Jahren sowie zur Terminvergabe und den Downloads zu den notwendigen Impfdokumenten stehen auf www.oberhausen.de/impfen.

Für Formicola steht fest: „Diese Entwicklung ist eindeutig ein Erfolg der Impfung.“ Gerade deshalb mache der schleppende Impffortschritt den Verantwortlichen bei Helios große Sorgen: „Die Zahl der Ungeimpften ist noch sehr hoch und wir sehen die Tendenz, dass bei einem schweren Verlauf die Anzahl der Ungeimpften eine deutliche Mehrheit ausmacht.“ Impfangebote gebe es genug. „Man muss sie nur nutzen.“