Oberhausen. Drei Operationen stehen an: Die Ärzte nehmen im neuen OP-Saal des Friedensdorfs Oberhausen die Arbeit auf – und sind begeistert. Die Kinder auch.

Perfekte Arbeitsbedingungen, Bewährungsprobe bestanden: Mit drei operativen Eingriffen hat das neue Medizin-Zentrum im Friedensdorf sein Aufgabenspektrum am Samstagvormittag komplettiert. Während die Reha-Abteilung bereits im Mai in die obere Etage des Neubaus eingezogen war, hat ein Ärzteteam die untere Etage, die für die Durchführung von Operationen vorgesehen ist, nun in Betrieb genommen.

Dass es sich dort hervorragend arbeiten lässt, bestätigten die Mediziner, die die ersten drei jungen Patienten behandelten. Sie sind angetan von der Ausstattung und dem Ambiente der neuen Räumlichkeiten. Durch Bilder an den Wänden, bunte Schriftzüge und farbliche Akzente ist es gelungen, den Räumen ein freundliches Flair zu geben, ohne die Funktionalität zu vernachlässigen. „Eine Qualität, die den OPs von Krankenhäusern entspricht und über die sich manch eine ambulante Praxis freuen würde – dieser sogenannte Eingriffsraum ist perfekt, vom Baulichen wie auch von der Einrichtung her“, sagt Dr. Heinz Grunwald, der das Friedensdorf seit nunmehr fast 30 Jahren unterstützt.

Der Hand- und Unfallchirurg, der in Emmerich seit 1996 Klinikchef ist, hatte auch die Idee, dass es praktisch und für die Kinder und ihre Betreuer angenehm wäre, wenn Operationen, die ambulant durchgeführt werden können, direkt vor Ort stattfinden könnten. „Es hat viele Jahre gedauert bis zur Realisierung“, sagt Grunwald. Der von ihm gegründete Förderkreis Kriegskinder e.V. unterstützt die Friedensdorf-Arbeit. Für Grunwald ist sie ein Herzensanliegen. Deshalb war es für ihn auch wichtig, am ersten OP-Tag im neuen Zentrum vor Ort zu sein.

Nur diese Amputation sichert Elianos Zukunft

Kollege Dr. Walter Schäfer, Handchirurg aus Gummersbach, muss Eliano (10), der aus Angola kommt, den kleinen Finger amputieren. „Er war 2014 schon einmal bei mir in der Klinik“, verrät er. „Damals hatte er schlimme Verbrennungen und eine komplett kontrahierte Hand, wir haben sie in mehreren OPs rekonstruiert, auch Hauttransplantationen waren notwendig.“ Dagegen ist der kleine Finger jetzt eine Kleinigkeit. „Er wird ihn nicht vermissen“, ist der Mediziner überzeugt. Im Gegenteil: „Ohne ihn wird er mit der Hand wieder alles machen können.“ Das sei wichtig für Elianos künftiges Leben. „Wenn er erwachsen ist, wird er wahrscheinlich, wie die meisten Männer in seiner Heimat, von einer handwerklichen Tätigkeit leben müssen“, sagt Claudia Peppmüller, Friedensdorf-Mitarbeiterin und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Wie ruhig und entspannt Eliano vor seiner OP auf einer Liege im Vorbereitungsraum liegt und seiner OP offensichtlich zuversichtlich entgegensieht, zeigt, dass er gut vorbereitet worden ist. Er vertraut darauf, dass es ihm nach der Operation besser gehen wird. Die Zeit in der Gummersbacher Klinik und die anschließende Reha-Zeit im Friedensdorf, die er als kleiner Junge erlebte, hat er nicht vergessen.

Kinder aus anderen Ländern werden Freunde

Dr. Schäfer wird wiederkommen und weitere ambulante OPs vornehmen, samstags oder mittwochs, ehrenamtlich. „Man hat mich gefragt und ich hab’s versprochen.“ Dr. Grunwald lobt das außerordentlich kooperative Verhalten der jungen Patienten, die er im Rahmen seiner Arbeit fürs Friedensdorf bisher behandelte. „Das ist eine völlig andere Mentalität als wir sie von unseren Kindern kennen.“ Den Friedensdorf-Friedensgedanken sieht Grunwald erfüllt. „Wenn die Kinder aus Deutschland in die Heimat zurückkehren, haben sie die fremde Welt gesehen. Sie haben mit Kindern aus anderen Ländern zusammen gelebt und gesehen, dass der Nachbar eben nicht der Feind ist.“

Einzelfallhilfe für schwer kranke Kinder

Erstes Aufgabenfeld der Friedensdorf-Arbeit ist die Einzelfallhilfe für verletzte und kranke Kinder, deren Versorgung in den Heimatländern nicht möglich ist. Zweiter Schwerpunkt ist die Planung und Organisation von Hilfsprojekten in Kriegs- und Krisengebieten zur Verbesserung der medizinischen Versorgung vor Ort. Im April 1987 kamen erstmals afghanische Kinder aus einem Flüchtlingslager in Pakistan nach Deutschland. Anfang 2010 fand bereits der 60. Hilfseinsatz am Hindukush statt. Nach der Machtübernahme der Taliban befand sich ein Friedensdorf-Team in Kabul, um einen Transport nach Deutschland vorzubereiten. Es konnte in die usbekische Hauptstadt Tashkent gelangen und am 18. August weiter nach Frankfurt fliegen. Das Friedensdorf will alles daran setzen, die Hilfe in Afghanistan fortzusetzen.

Grunwald reist selbst mit, wenn Kinder für den Aufenthalt in Deutschland ausgewählt werden. „Die Kollegen vor Ort treffen eine Vorauswahl, fragen an, ob eine Behandlung möglich ist. Manchmal schicken sie Röntgenbilder mit. Wir geben dann eine Handlungsempfehlung. Was ist dringend, was hat noch Zeit? Bevor die Kinder ins Flugzeug steigen, werden sie aber noch einmal untersucht.“ Am ersten Arbeitstag im neuen Friedensdorf-OP behandelte das Ärzteteam außer Eliano ein kleines Mädchen, dem eine Metallplatte aus dem Bein entfernt wurde und einen Jungen mit Leistenbruch – der bei einer anderen Behandlung aufgefallen war.