Oberhausen. 17 Jahre alt, das Abitur in der Tasche. Doch statt in der Universität legt Anika Donicht lieber in der Werkstatt das Fundament für ihre Karriere.

Anika Donicht hat überhaupt kein Problem damit, mit schwerem Gerät zu hantieren und sich dabei womöglich schmutzig zu machen. Und sie braucht auch kein Studium, um ihren beruflichen Werdegang in erfolgreiche Bahnen zu lenken. Zwei Selbstverständlichkeiten, möchte man meinen. Doch leider kämpfen vor allem Handwerks-, aber auch andere Betriebe mit genau diesen beiden Problemen: An typische Männerberufe trauen sich noch immer viel zu wenige Frauen. Und gesellschaftliche Anerkennung gibt es zu oft ausschließlich für junge Menschen, die nach dem Abitur studieren, statt eine Ausbildung zu machen.

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Dabei habe die Ausbildung für sie so viele Vorteile, sagt Anika Donicht. Die 17-Jährige hat in diesem Jahr ihr Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium gemacht – und lässt sich nun zur Metallbauerin ausbilden. „Gerade jetzt stehen die Chancen im Handwerk besonders gut, später einmal einen Betrieb zu leiten.“ Denn aus so vielen Betrieben höre man die Klagen über den fehlenden Nachwuchs. Die alten Chefs gehen – die Jungen kommen nicht nach. Mit ihrem Abitur könne sie zudem nicht nur ihre Ausbildungszeit verkürzen, sondern habe damit auch die Voraussetzung für etliche Weiterbildungen bereits in der Tasche.

Chefs von morgen können Betriebe übernehmen

Nun hat es Anika Donicht womöglich etwas leichter, Karriere zu machen, als andere: Sie macht ihre Ausbildung im elterlichen Betrieb, Vater Jörg Donicht leitet die gleichnamige Stahl- und Metallbau GmbH an der Lindnerstraße. „Aber ich höre es doch von so vielen Kollegen“, sagt der 58-Jährige: „Der Nachwuchs fehlt, der Fachkräftemangel wird vielen Betrieben das Genick brechen. Wer sich jetzt engagiert, hat die besten Chancen.“ Er selbst habe sein Unternehmen mühsam aufbauen müssen, „die neuen Chefs von morgen müssen das nicht, sie können Betriebe übernehmen.“

Stahl- und Metallbauer Jörg Donicht und seine Tochter Anika, die beruflich in Papas Fußstapfen tritt.
Stahl- und Metallbauer Jörg Donicht und seine Tochter Anika, die beruflich in Papas Fußstapfen tritt. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Es klingt fast flehend, wenn Jörg Donicht über die Probleme seiner Branche spricht. Das Handwerk habe einen schlechten Ruf. „Im Handwerk arbeiten doch nur Menschen, die nichts im Kopf haben und deshalb körperlich zupacken müssen“: Wenn Jörg Donicht solche Sätze hört, reißt ihm die Hutschnur. „Eine Frechheit.“ Auszubildende in seinem Betrieb benötigten mindestens einen guten mittleren Schulabschluss. „Wir müssen viel rechnen und ein technisches Verständnis ist Grundvoraussetzung.“ Und selbst wenn junge Leute eine Ausbildung im Handwerk anstrebten, weil für ein Jura-Studium die Noten zu schlecht waren oder ihnen ein Job im Büro zu trocken ist: „Was ist daran bitte verwerflich?“

Zu wenig Werbung für das Handwerk

In den Augen des Oberhauseners wird für Ausbildungsberufe insgesamt, besonders aber im Handwerk, viel zu wenig geworben. „Ich sehe da vor allem bei den Gymnasien noch viel Nachholbedarf.“ Das Abitur werde immer noch als reiner Türöffner für die Universität gesehen. Nicht aber als Wegbereiter für eine gute Ausbildung. „Wohin das führt, sehen wir dann an der hohen Quote der Studienabbrecher.“ Donicht hat es selbst miterlebt: Er nahm einst einen ehemaligen Lehramtsstudenten auf, der das Studium geschmissen hatte. Heute ist der Student von damals Meister und Betriebsleiter in Donichts Unternehmen.

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Donicht fragt sich, ob die Arbeitsagentur nicht mehr tun kann – stärker und gezielt auf Gymnasien zugehen, um für das Handwerk und für Ausbildungsberufe zu werben. In der Pflicht sieht Donicht aber auch Eltern: „Wenn die ihren Kindern zu Hause suggerieren, dass Handwerksberufe minderwertig sind, dann trägt sich das in die gesamte Gesellschaft.“ Es sei höchste Zeit, gegenzusteuern. „Ein Studium allein garantiert keine Lebensfreude“.

Noch freie Stellen zu besetzen

Zum Stichtag 31. August gab es in Oberhausen noch 434 Jugendliche, die nicht mit einem Ausbildungsplatz versorgt waren. Demgegenüber hatte die Arbeitsagentur noch 307 freie Stellen in ihrer Datenbank. Unbesetzte Lehrstellen gibt es etwa in den Bereichen Lebensmittelhandwerk, in Maler- und Lackier-Betrieben, bei den Kaufleuten im Einzelhandel, der Gebäudereinigung und in der Pkw-Technik.

Kontakt zur Berufsberatung: 0208-85 06 112 (montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr, freitags von 9 bis 14 Uhr) oder per E-Mail an oberhausen.berufsberatung@arbeitsagentur.de. Kontakt zum Arbeitgeber-Service: 0800-45 55 520 (montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr), oberhausen.arbeitgeber@arbeitsagentur.de

Nicht zuletzt müsse aber auch seine eigene Branche mehr tun. Seinen Kollegen in anderen Betrieben rät Donicht, weiter auf Ausbildung zu setzen, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Gerade auch bei jungen Frauen wie seiner Tochter gebe es unglaublich viel Potenzial. Ja: Ausbildung sei anstrengend, koste Geld und eine Garantie auf qualifizierten Nachwuchs biete sie nicht. „Aber sie lohnt sich trotzdem. Man investiert in die Zukunft. Im besten Fall in die eigene.“