Oberhausen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die seit Schulstart in Quarantäne müssen, steigt fast täglich. Schulen und Politiker fordern neue Regeln.
Es ist eine beunruhigende Entwicklung an den Schulen und Kitas in Oberhausen – die Quarantäne-Fälle steigen rasant an. Am Dienstag, 31. August, standen 479 Schüler und vier Lehrer unter Quarantäne, in den Kindertageseinrichtungen waren 84 Kinder betroffen. Das Gesundheitsamt könnte bei weiter steigenden Zahlen an seine Kapazitätsgrenze kommen.
Dabei hatte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer für dieses Schuljahr lediglich eingeschränkte Regelungen angekündigt: Eigentlich sollen nur Schülerinnen und Schüler in Quarantäne geschickt werden, die in unmittelbarer Nähe vor, neben oder hinter einem infizierten Schüler saßen. Die Realität sieht anders aus: Die Stadt weist darauf hin, dass dieses Vorgehen nur gelte, wenn alle Maßnahmen inklusive Maskentragen, Lüften und Abstandsregeln eingehalten wurden. Wo das nicht gewährleistet werden kann, werden derzeit weiterhin ganze Klassen unter Quarantäne gestellt.
„Die Verordnung der Ministerin widerspricht dem Lebensalltag der Kinder“, meint auch Landtagsabgeordnete Sonja Bongers (SPD). „Die Kinder spielen, rennen und essen miteinander. Da ist es schwer, eine vernünftige Grenze zu ziehen. Wir brauchen lebensnahe Regeln.“
Schüler können sich nicht aus der Quarantäne freitesten
Eine Häufung von Corona-Fällen an einer bestimmten Schulform, also von der Grundschule bis zur weiterführenden Schule, könne bisher allerdings nicht festgestellt werden, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. Und: Es gibt Schulen, die bislang noch recht glimpflich davon gekommen sind. Auch Sabine Schumann, Leiterin der Ruhrschule, schätzt sich in diesen Tagen glücklich. „Wir haben derzeit nur vier Schüler in Quarantäne, weil wir so große Räume haben und gut durchlüften können.“
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Die Quarantänemaßnahmen seien dennoch gerade für Grundschulen eine logistische Mammutaufgabe. Denn: Im Gegensatz zu den Antigen-Schnelltests, die an allen anderen Schulformen tagesaktuell gemacht werden, wird in den Grundschulen mit PCR-Tests gearbeitet. „Das ist zwar sicherer, dauert aber auch länger“, erklärt Schumann. Die Testergebnisse würden oft spät abends oder sogar erst am nächsten Morgen bei der Schule ankommen. Sei dann ein Test aus dem „Pool“, also einer Klasse, positiv, müssen alle Kinder zunächst in Quarantäne.
Erst nach einem negativen Einzeltest dürfen die Kinder wieder in die Schule – aber auch nur, wenn sie sich nicht in unmittelbarer Nähe eines positiven Schülers aufgehalten haben. Ansonsten gilt die Quarantäne für 14 Tage, selbst wenn der Schüler negativ getestet wurde.
Das sorgt für Protest: „Ich verstehe nicht, wieso Kinder sich nicht freitesten lassen können“, sagt die Schulleiterin. „Urlauber dürfen das ja auch nach fünf Tagen.“ Auch NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty hatte die Möglichkeit zum „Freitesten“ bereits gefordert. Die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW bezeichnete die Quarantäne-Kriterien in ihrer aktuellen Pressemitteilung als „Distanzunterricht durch die Hintertür“.
Gesundheitsamt Oberhausen könnte an seine Grenzen kommen
Doch die schnell steigenden Zahlen bringen weitere Probleme mit sich. Vor kurzem hatte der Fall einer Schule in Dortmund Aufsehen erregt, da das dortige Gesundheitsamt einer Schule die komplette Verantwortung zur Ermittlung der Quarantäne übertragen hatte. Das Amt sah sich wegen Überlastung nicht in der Lage, die Schüler selbst unter Quarantäne zu stellen. In Oberhausen sieht das derzeit noch anders aus: Das Gesundheitsamt arbeitet mit den Schulen zusammen. So werde jeder gemeldete Fall individuell bearbeitet, die Schulen würden Kontaktlisten und Informationen zur Raumsituation vor Ort übermitteln.
Stress sorgt for Schlafproblemen bei Lehrern
Die Test-Situation in den Schulen sorgt weiterhin für Stress, erklärt Schulleiterin Sabine Schumann. Die Direktorin findet klare Worte: „Ich weiß, dass viele Lehrer Schlafstörungen haben. Jeden Abend gucken wir bis spät in den Abend nach, ob die Testergebnisse da sind, schlafen unruhig und sind teilweise um halb fünf Uhr morgens schon wieder wach, um nachzusehen.“ Denn auch die Eltern müssten zeitnah darüber informiert werden, ob ihr Kind in Quarantäne ist oder nicht. „Nicht alle Eltern haben Großeltern in der Hinterhand, die im Notfall einspringen können. Diese knappen Zeitfenster machen die Organisation täglich zu einer logistischen Aufgabe.“
Das Gesundheitsamt bewerte die Informationen separat und spreche dann die Quarantäne aus, teilt der Fachbereich auf Nachfrage mit. „Durch ein strukturiertes Vorgehen bei der Bearbeitung und die sehr gute Zusammenarbeit mit den Schulen gelingt es uns zurzeit noch gemeinsam, die Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten.“ Wie lange das Amt allerdings noch auf diese Weise arbeiten kann, bleibt abzuwarten: „Bei einem weiteren Anstieg des Infektionsgeschehens werden auch wir in Oberhausen bald die Grenze des Machbaren erreicht haben.“