Oberhausen. Der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck machte in seiner Wahlkampf-Tour Halt in Oberhausen. So lief sein Auftritt auf dem Altmarkt.

Dies hat der Oberhausener Altmarkt noch nicht erlebt: Zum ersten Mal vor einer Bundestagswahl nutzt ein Bundesvorstand der Grünen die Bühne des zentralen Platzes für eine Kundgebung. Und mit Robert Habeck feierte dann auch gleich einer der derzeit populärsten Grünen-Politiker des Landes Oberhausen-Premiere. Dabei stahl ihm die berühmteste Oberhausener Parteifreundin fast noch die Show.

Denn die Dramaturgie der Wahlkampf-Veranstaltung sah zunächst andere Rednerinnen vor: die sichtlich nervöse Bundestagskandidatin Stefanie Weyland und die Grande Dame der Oberhausener Polit-Szene: Bärbel Höhn. Politisch zwar „nur“ noch ehrenamtlich als Energiebeauftragte in der Entwicklungshilfe aktiv, sind ihre Reden noch immer so leidenschaftlich und mitreißend wie in ihrer aktiven Zeit als Ministerin, Landtags- und Bundestagsabgeordnete.

Stahl Robert Habeck (fast) die Show: Bärbel auf der Bühne am Altmarkt in Oberhausen.
Stahl Robert Habeck (fast) die Show: Bärbel auf der Bühne am Altmarkt in Oberhausen. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Mit viel Zwischenapplaus unterbrochen stellte sie der aktuellen Bundesregierung ein katastrophales Zeugnis in der Krisenbewältigung aus. Weder die Corona- noch die Afghanistan- noch die Klimakrise bekomme die Regierung in den Griff. Noch immer seien Klassenzimmer nicht mit Luftfiltern ausgestattet. Die mangelnde Hilfe für die afghanischen Ortskräfte sei „beschämend“ und die Klimakrise habe die Regierung, habe aber vor allem Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet jahrzehntelang negiert. „Ein Versagen auf ganzer Linie.“

Lauter als die Bauarbeiten an der Herz-Jesu-Kirche hallten Höhns Worte über den Altmarkt, rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörer hörten erst zu und stimmten in einen warmherzigen Applaus ein. Selbst dem sonst eher kontrolliert und ruhig wirkenden Grünen-Ratsherr Norbert Axt entfuhr ein kurzer Jubelschrei.

Bärbel Höhen bereitet Robert Habeck die Bühne

Der Boden war bereitet für Robert Habeck, der zwar mehr Anlauf benötigte, am Ende aber auch unter ordentlichem Applaus die runde und grün dekorierte Bühne am Altmarkt verließ. Dagelassen hat auch er viel Schimpf über die aktuelle Regierung – und Wahlversprechen, die man gerade in Oberhausen gern vernommen haben dürfte: mehr staatliche Unterstützung für arme Kommunen zum Beispiel.

Robert Habeck machte am Mittwoch, 25. August, auf seiner Wahlkampf-Tour auf dem Altmarkt in Oberhausen Halt.
Robert Habeck machte am Mittwoch, 25. August, auf seiner Wahlkampf-Tour auf dem Altmarkt in Oberhausen Halt. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Städte wie Oberhausen hätten es nicht gerade dicke, um in Spielplätze, Schulen oder Schwimmbäder zu investieren. Dabei biete gerade der Klimawandel neben immensen Herausforderungen auch „gigantische Chancen“, meint Habeck. Dafür müsse man aber in neue Technologien, in die Forschung, in die Landwirtschaft, in die Infrastruktur investieren. Mit einem „Weiter so“ des bisher eingeschlagenen Weges sei dies nicht möglich, „wir brauchen Wandel und Veränderung“. Die Welt verändere sich dabei von ganz alleine. „Doch wenn wir uns nicht ändern, dann fahren wir volle Pulle gegen die Wand.“ Mit seiner gewohnt direkten Art punktete Habeck schon in etlichen Talkshow-Runden – jetzt auch in Oberhausen.

Das ist Robert Habeck

Robert Habeck ist gemeinsam mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Bundesvorsitzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Gemeinsam bilden sie auch das Spitzenduo bei der Bundestagswahl am 26. September 2021.Habeck wurde am 2. September 1969 in Lübeck geboren, seit 2002 ist er Mitglied der Grünen. Ein fehlender Fahrradweg führte den studierten Philologen und Philosophen damals in die Politik, so schreibt er es auf seiner Homepage robert-habeck.de. Mit der Zeit seien die Aufgaben und der Verantwortungsbereich dann größer geworden.Zuletzt leitete er das Ministerium für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Digitalisierung in Schleswig-Holstein.

Als roten Faden zog sich das Thema Verantwortung durch Habecks gut halbstündige freie Rede. Der Grünen-Spitzenkandidat fordert mehr Verantwortung natürlich im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels. Aber auch in der Nutztierhaltung, für faire Löhne in Mastbetrieben und der Landwirtschaft. Er beklagt mangelnde moralische Verantwortung in Afghanistan. Er fordert mehr Verantwortung in der Steuerpolitik ein: Sehr Reiche sollen mehr zahlen, um weniger verdienende Menschen steuerlich entlasten zu können.

Robert Habeck, Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021, hier mit Stefanie Weyland, Direktkandidatin für den Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken.
Robert Habeck, Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021, hier mit Stefanie Weyland, Direktkandidatin für den Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

„Wir müssen für mehr Fairness und Gerechtigkeit kämpfen. Sonst fliegt uns der Laden auseinander.“ Der Einzelhändler an der Marktstraße müsse Gewerbesteuern zahlen, der Milliardenkonzern Amazon zahle durch geschickte Steuersparmodelle keinen Euro Steuern, obwohl er für seiner Lieferfahrten unsere Infrastruktur nutze, führte Habeck aus. Das müsse geändert werden.

Mit „Laden“ meint Habeck die Gesellschaft, die nicht weiter gespalten werden dürfe, sondern wieder gekittet werden müsse. „Vertrauen ist wichtig für eine freie Diskussionskultur, wenn wir kein Vertrauen schaffen, hat der rechte Populismus leichtes Spiel“, sagte Habeck – gefolgt von Zwischenapplaus.

Mit genau diesem rechten Populismus hatte es Habeck auch in Oberhausen zu tun: Knapp zehn Impfgegner hatten sich am Rand des Altmarkts positioniert und störten die Rede Habecks immer wieder durch laute Zwischenrufe. Doch der erfahrene Bundespolitiker reagierte souverän – mit einem Diskussionsangebot. Das nahmen die Gruppe zwar scheinbar an – an der ausführlichen Antwort Habecks auf ihre Frage nach den angeblich lebensgefährlichen Corona-Impfungen hatte sie dann aber sichtlich wenig Interesse.