Oberhausen. Der Oberhausener FDP-Politiker Müller-Böhm kann wohl nicht mehr in den Bundestag zurückzukehren. Nun erzählt er schonungslos über seinen Alltag.

Klar, jüngster Bundestagsabgeordneter bleibt man nicht für immer. Im Falle von Roman Müller-Böhm, der 2017 mit frischen 24 Jahren für die FDP in den Bundestag einzog, gilt das nicht nur deshalb, weil allein in seiner eigenen Partei mehrere Neubewerber unter 25 Jahren aus verschiedenen Bundesländern gute Erfolgsaussichten haben. Zugleich ist schon klar, dass der heute 28-Jährige dem nächsten Bundestag überhaupt nicht angehören wird. Warum ist der Oberhausener gestrauchelt?

Roman Müller-Böhm tritt im Oberhausener und Dinslakener Wahlkreis zwar auch 2021 als Direktkandidat an, aber dass er dabei als Gewinner hervorgeht, also die Mehrheit der Stimmen holt, gilt als aussichtslos – 2017 bekam er nur 6,3 Prozent der Erststimmen. Unmöglich ist zudem, dass er über die Landesliste der FDP einzieht. Auf dieser steht der Name Müller-Böhm nicht einmal. Dabei waren die Ambitionen durchaus da, oben auf der für kleine Parteien entscheidenden Liste zu landen. „Das hielt ich auch nicht für vermessen, da ich den Job vier Jahre lang sicher nicht schlecht gemacht habe“, sagt der Noch-Abgeordnete.

Roman Müller-Böhm (FDP): „Man muss als Abgeordneter einen hohen Preis zahlen“

Eigentlich wollte Müller-Böhm die Nummer zwei der Liberalen im Ruhrgebiet werden. Allerdings musste er sich bei einer parteiinternen Vorauswahl gegen den Bochumer Olaf in der Beek geschlagen geben (Infobox). „Das habe ich dann akzeptiert und jetzt mache ich das Beste daraus.“

Müller-Böhms Niederlage

Die FDP-Landesliste setzt sich aus Vorschlägen zusammen, die der Landesvorstand aus den Bezirken erhält. Die Bezirke werden unter anderem je nach Mitgliederstärke der dortigen FDP-Verbände festgelegt. Ein solcher Bezirk ist etwa das Kern-Ruhrgebiet.

Die neun dortigen FDP-Verbände – unter anderem Essen, Gelsenkirchen, Mülheim und Oberhausen – haben den Partei-Prominenten und Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, oben auf ihre Vorschlagsliste gewählt. Für den zweiten Platz traten Roman Müller-Böhm und der Bochumer Abgeordnete Olaf in der Beek gegeneinander an. Dabei unterlag Müller-Böhm.

Auf der Landesliste ist Olaf in der Beek nun auf Platz 13. Hätte Müller-Böhm also gegen ihn gewonnen, hätte dies sein Platz sein können. Als realistisch gilt, dass etwa die ersten 20 Kandidaten der FDP-Landesliste in den Bundestag einziehen

Hätte Müller-Böhm bessere Perspektiven für die Wahl 2021, würde er vermutlich nicht so schonungslos über das Abgeordneten-Dasein sprechen. Er sagt Sätze wie „Es gibt keinen toxischeren Job als den des Politikers, wenn es darum geht, das Familienleben mit der Arbeit in Einklang zu bringen.“ Auch die Frage, ob er anderen empfehlen würde, ein Bundestagsmandat mit so jungen Jahren anzunehmen, beantwortet er überraschend mit einem klaren „Nein“: „Welches Maß an Selbstaufgabe in diesem Job steckt, kann man in diesem Alter noch nicht ganz beurteilen. Man muss schon einen hohen Preis dafür zahlen.“

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Trotzdem blicke er „sehr ehrfürchtig“ auf seine Zeit als Abgeordneter. Wie es nun weitergehen soll, sei aber noch nicht spruchreif. „Ich werde sicher versuchen, meine Kontakte, mein Netzwerk, weiter mit politischen Inhalten zu füllen“, formuliert er es noch nebulös. „Sicher ist, dass ich keine Nebentätigkeiten beginnen werde, solange mein politisches Mandat andauert.“ Klar sei zudem, dass der immer noch immatrikulierte Student sein Jura-Studium an der Fernuniversität Hagen beenden möchte. Erst Rechtsausschuss, dann Jura-Examen - die verkehrte Welt als Politik-Jüngling.

Altersfrage hat für Müller-Böhm (28) im Parlament nie eine Rolle gespielt

Im Parlament habe sein Alter allerdings nie eine Rolle gespielt, betont Müller-Böhm. „Ich hatte nie das Gefühl, mit Samthandschuhen angefasst zu werden, und kann umgekehrt auch nicht empfehlen, dass man das erwarten sollte.“ Nur außerhalb des Bundestages sei er häufig mit der Altersfrage konfrontiert worden – im Umgang mit Verbänden oder Medien, etwa dann, wenn ein Boulevardblatt aus ihm den „Milchbubi“ machte.

Roman Müller-Böhm ist Direktkandidat der Liberalen in Oberhausen und ist in der noch laufenden Legislaturperiode der jüngste Abgeordnete des Bundestages. „Mein Alter hat im Parlament nie eine Rolle gespielt“, sagt er.
Roman Müller-Böhm ist Direktkandidat der Liberalen in Oberhausen und ist in der noch laufenden Legislaturperiode der jüngste Abgeordnete des Bundestages. „Mein Alter hat im Parlament nie eine Rolle gespielt“, sagt er. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Er selbst trägt lieber das Etikett des „Tourismus-Politikers“ - es ist neben der Rechtspolitik Müller-Böhms Spezialgebiet. Und hier hat er nach seiner Einschätzung auch einige Erfolge erzielt. Dass die Reise- und Veranstaltungsbranche bei den Coronahilfen zunächst nicht, später aber dann doch berücksichtigt wurde, sei auch geschehen, weil er mit anderen Politikern Druck gemacht habe. Zudem habe er das Thema Rechtsdurchsetzung durch sogenannte Legal-Tech-Anbieter ins Parlament gebracht.

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Solche Inkasso-Unternehmen sind darauf spezialisiert, Rechtsansprüche für Verbraucher durchzusetzen - zum Beispiel, wenn ein Flug drei Stunden Verspätung hatte und Fluggäste von der Airline Geld zurückbekommen wollen. „Es ging darum, einen Rechtsrahmen für diese Anbieter zu schaffen“, sagt Müller-Böhm. Nur weil er das Thema angestoßen habe, sei es letztlich in Gesetzesform gegossen worden. Das Legal-Tech-Gesetz tritt am 1. Oktober 2021 in Kraft.

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Dass Union und SPD nicht direkt Vorschlägen der FDP-Fraktion zugestimmt haben, sondern Initiativen der Opposition kategorisch abgelehnt werden, erlebt Müller-Böhm als ein großes Defizit des heutigen Politikbetriebs. „Vor vier Jahren dachte ich, bei Politik sollte es um größtmögliche Verlässlichkeit gehen. Inzwischen bin ich da ganz anderer Meinung“, sagt er. „Wir leben heutzutage viel mehr in einer Regierungs- als in einer Parlamentsdemokratie.“ Ministeriumsmitarbeiter hätten wesentlich mehr Einfluss auf Gesetze als Parlamentarier oder Fachpolitiker – und würden nach und nach den Koalitionsvertrag abarbeiten. „Das passt nicht zu unseren dynamischen Zeiten, da muss man fundamental etwas umstellen.“

Für einen solchen Kulturwandel wird Müller-Böhm außerparlamentarisch erst mal schwerlich kämpfen können. „Ich wollte nie länger als ein halbes Leben Politik machen“, sagt er. Zeit dafür hat er noch genug – die nächste Wahl kommt bestimmt.