Oberhausen. Hunderte Menschen wollen sich am Mittwoch in Oberhausen impfen lassen. Stadt fordert Polizei zur Unterstützung an, Impfwillige ziehen genervt ab.
Mit ungläubigem Blick schaut die Oberhausenerin auf die lange Warteschlange vor dem Impfzentrum in Oberhausen. Geschätzt 100 Meter, bis zur Grenzstraße, stauen sich die Impflinge an diesem Mittwoch. „Aber ich habe doch einen Termin“, sagt die Frau hörbar fassungslos durch ihre FFP2-Maske. „Ja, den haben die Anderen auch“, wird ihr am Eingang der Willy-Jürissen-Halle mitgeteilt. Kopfschüttelnd schreitet sie die Schlange der Wartenden ab – und reiht sich ganz am Ende ein.
So wie sie wundern sich viele Impfwillige an diesem Tag über die in ihren Augen schlechte Organisation. Zur Erinnerung: Ende Juli hatte die Stadt den Betrieb im Impfzentrum in der Willy-Jürissen-Halle zunächst eingeschränkt. Zu gering sei die Nachfrage der Oberhausenerinnen und Oberhausener an der Corona-Impfung mittlerweile geworden, hieß es zur Begründung aus dem Rathaus. Geimpft wird zunächst nur noch an drei Tagen, in dieser Woche zwar täglich, dafür aber nur halbtags von 14 bis 20 Uhr.
Zwei Stunden Wartezeit für Mutter mit Kleinkind
Daran erinnern sich auch die Wartenden in der Schlange – und schimpfen über die in ihren Augen falsche Entscheidung. „Nach Impfmüdigkeit sieht das hier aber nicht aus.“ Die ersten verlieren derweil die Geduld und zücken ihr Handy. „Kannst du mich abholen, ich mach das hier nicht mit.“
Auch Annelie Schmücker gibt an diesem Mittwoch genervt auf. Sie begleitet eine junge Frau mit Kleinkind ins Impfzentrum. Sie hat einen festen Termin für die Zweitimpfung. „Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, man müsse eine Wartezeit von über zwei Stunden einplanen“, schreibt Schmücker später in einer E-Mail an die Redaktion. „Und das mit einem Kleinkind? Wir haben es vorgezogen, ohne Zweitimpfung wieder zu fahren. Eine so schlechte Organisation erhöht ganz sicher nicht die Bereitschaft der noch zu Impfenden!“
Stadt spricht von unvorhersehbaren Wartezeiten
Krisenstabsleiter Michael Jehn begründet die lange Wartezeit auf Nachfrage mit den vielen Impfwilligen, die entweder ohne Termin im Impfzentrum erscheinen oder sich nicht an die fest vereinbarten Termine halten. Dadurch würden sich unvorhersehbare Wartezeiten ergeben.
169 Erwachsene kommen am Mittwoch ohne Termin für eine Erstimpfung in die Willy-Jürissen-Halle, zudem 142 Kinder und Jugendliche, 122 von ihnen unter 16 Jahre. Für die Zweitimpfung kommen 600 Personen – viele von ihnen nach Auskunft der Stadt spontan statt zum eigentlich verabredeten Zeitpunkt. Macht unterm Strich 911 Impfungen an einem Tag, im Schnitt muss das Impfteam also alle 24 Sekunden eine Spritze setzen.
An den verkürzten Öffnungszeiten von 14 bis 20 Uhr hält die Stadt auch in der kommenden Woche fest. Um längeren Wartezeiten entgegenzuwirken, soll das Impfzentrum täglich öffnen, allerdings weiterhin von 14 bis 20 Uhr – also genau so wie in dieser Woche. Und auch am Konzept, Impfungen auch ohne festen Termin zu ermöglichen, wird die Stadt nichts ändern, „um auch weiter möglichst viele Menschen zu erreichen“, sagt Jehn. Der Krisenstabsleiter erinnert in diesem Zusammenhang auch noch einmal an die mobilen Impfteams, die seit Donnerstag wieder unterwegs sind, beispielsweise am Freitag am Sterkrader Tor und am Samstag auf dem Osterfelder Marktplatz.
Keine Eskalation dank Polizei und Impfteam
Zurück zur Warteschlange am Mittwoch vor dem Impfzentrum. Dort harrt seit einer halben Stunde ein Paar mit seinen zwei kleinen Töchtern aus, denen die Situation sichtlich zu schaffen macht. „Papa, ich habe so einen Durst.“ Obwohl das Nervenkostüm bei den Wartenden immer dünner wird, kippt immerhin die Stimmung nicht. Was wohl auch auf die Präsenz der Polizei zurückzuführen ist: Die Stadt hatte angesichts der sich bildenden Warteschlange um Unterstützung gebeten, „um auch weiterhin einen geregelten Zugang ins Impfzentrum zu gewährleisten“, erklärt Michael Jehn.
Doch auch das Impfteam vor Ort leistet einen erheblichen Beitrag: Ein Mitarbeiter geht durch die Reihen, schaut, wie es den Menschen geht, bleibt ruhig, beantwortet Fragen. Eine Kollegin verteilt derweil Klemmbretter mit den Einwilligungserklärungen, die einige Impflinge noch ausfüllen müssen. „Damit es gleich schneller geht“, erklärt sie ruhig.
Impfwillige können weiter Termine vereinbaren
Es besteht weiterhin die Möglichkeit, einen festen Impftermin zu vereinbaren. Darauf weist die Stadt Oberhausen hin. Terminbuchungen wickelt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ab: online auf termin.corona-impfung.nrw/home sowie telefonisch unter 116 117 oder die zusätzliche Rufnummer für das Rheinland: 0800-116 117 01.
Wer bereits einen Termin hat, sollte diesen unbedingt auch einhalten und nicht zu einem anderen Zeitpunkt ins Impfzentrum kommen, rät die Stadt. In ihren Praxen bieten Hausärzte und Kinderärzte ebenfalls Impfungen an. Mobile Impfteams sind seit Donnerstag im Stadtgebiet unterwegs, eine Übersicht der Termine gibt es auf oberhausen.de/impfen.
Der Mitarbeiter des Wachdienstes, der den Einlass kontrolliert und bei den Wartenden die Temperatur misst, ist besonders aufmerksam und reicht dem Paar mit den durstigen Kindern einen Pappbecher mit Mineralwasser. Wenig später dürfen sich die Mädchen ausnahmsweise auch am internen Bonbon-Vorrat der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedienen. Im sensiblen Impfbereich herrscht keine Hektik; den Druck, unter dem das Impfpersonal bei der Masse an Corona-Impfungen stehen muss, gibt es nicht an die Impflinge weiter.
Und dennoch: Mit schweißnassen Haaren verlässt die Frau, die vor anderthalb Stunden so ungläubig auf die ellenlange Warteschlange geblickt hat, sichtlich geschafft das Impfzentrum, am Oberarm klebt das kleine Pflaster, das die Einstichstelle der Impfung verdeckt. Sichtlich erleichtert zieht sie sich die Maske vom Gesicht, atmet tief durch, und geht frisch geimpft nach Hause.