Oberhausen. Ärzte möchten übrig gebliebene Impfdosen nach Tansania spenden, sogar auf eigene Kosten. Sie dürfen aber nicht. Nun landen die Impfdosen im Müll.
Statt in Tansania Menschen eine Impfung gegen das potenziell tödliche Coronavirus zu ermöglichen, müssen Oberhausener Ärzte übrig gebliebene Impfdosen in den Müll werfen. Das Haltbarkeitsdatum etlicher Ampullen ist abgelaufen. Die Mediziner wollten die Dosen zwar rechtzeitig an ein Partnerkrankenhaus in Tansania spenden. Doch der Bund hat dies untersagt.
Ende Juli schlugen die Oberhausener Ärzte, wie berichtet, bereits Alarm: Vor allem die Impfstoffe der Hersteller Astrazeneca und Johnson & Johnson würden zu Ladenhütern. Vorschlag: Impfdosen nach Tansania spenden, wo die Menschen sehnlichst auf eine Impfung warten. Doch der Bund, bei dem die Besitzrechte des Impfstoffes liegen, lehnte ab.
Ärzte dürfen Corona-Impfstoff nicht selbst kaufen
„Wir würden den Impfstoff ja sogar aus eigener Tasche kaufen und selbst nach Afrika bringen, um die Kühlkette unter fachmännischer Aufsicht aufrecht zu erhalten“, sagt Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Oberhausener Kreisstelle der Ärztekammer Nordrhein. Keine Chance. Ähnliche Spenden-Anfragen aus anderen Teilen des Landes hatte der Bund mit der Begründung abgelehnt, dass zunächst die Frage nach der Haftung geklärt werden müsse.
Kaup sind Trauer und Wut über diese Haltung am anderen Ende der Telefonleitung im Gespräch mit der Redaktion deutlich anzumerken. Sogar Biontech-Dosen, die ihm noch vor wenigen Monaten aus den Fingern gerissen worden wären, habe er in seiner Praxis nun schon entsorgt. Niedergelassene Ärzte dürfen übrig gebliebene Dosen weder ans hiesige Impfzentrum noch an den Bund zurückgeben. „Wir sind das letzte Glied der Kette, entweder wir finden jemanden, den wir impfen können, oder wir müssen die Impfdosen in die Tonne kloppen. Das ist eine Frechheit.“
Impfen unter Polizeischutz
Der Mediziner erinnert sich noch ganz genau an den Start der Impfkampagne in Oberhausen. „Wir haben unter Polizeischutz geimpft. Die Menschen hatten Tränen der Dankbarkeit in den Augen.“ Bei den Ärzten impfte nach seiner Schilderung immer auch das schlechte Gefühl mit: Wenn ich Person A impfe, geht Person B vielleicht leer aus, infiziert sich und verstirbt womöglich. „Und genau diesen so kostbaren Impfstoff müssen wir nun einfach wegschmeißen.“
Mindestens 1000 Dosen betroffen
Wie viele Dosen bereits im Müll gelandet sind, kann Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein, auf Nachfrage am Donnerstag noch nicht beantworten. Am späten Nachmittag fehlte ihm noch ein Überblick über sämtliche Praxen in Oberhausen. In seiner eigenen Praxis musste er jüngst 50 Dosen Biontech-Impfstoff entsorgen.
Mitte Juli, als Ärzteschaft und Krisenstab die Idee fassten, nicht benötigte Dosen zu spenden, ging man noch von mindestens 1000 Dosen allein des Herstellers Astrazeneca aus.
Ärzten in Tansania bleibt indes nicht mal diese Wahl. Sie müssen sich nicht für Patienten A oder Patienten B entscheiden. „Sie haben überhaupt keinen Impfstoff“, erklärt Kaup. Die Oberhausener Impfdosen sollten nach Willen der Ärzteschaft an das Nyakahanga Hospital in Tansania gehen, ein Partnerkrankenhaus des Evangelischen Krankenhauses in Oberhausen (EKO). Dr. Britt Hornei, Chefärztin der Klinik für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie am EKO, pflegt den Kontakt nach Afrika, hat einen persönlichen Bezug, und hätte die Lieferung der Impfdosen auch begleitet.
Doch statt sehnsüchtig erwarteter Impfdosen schickt Oberhausen nun immerhin Schutzmasken und medizinische Handschuhe nach Tansania. „Schwere Verläufe der Infizierten kann das aber nicht verhindern“, sagt Dr. Peter Kaup enttäuscht. „Unser großes Ziel ist es nun, Druck auf den Bund aufzubauen, damit sich an der Bürokratie und den strengen Regeln etwas tut.“ Andere Städte hätten bereits ihre Unterstützung zugesagt. Vielleicht lenke die Politik ja noch ein, hofft der Arzt. „Wir müssen doch menschlich denken!“