Oberhausen. Abschiednehmen in Zeiten der Pandemie: Das Ambulante Hospiz hat einen Ort geschaffen, um – nicht nur – an Corona Verstorbener zu gedenken.

Als das Ambulante Hospiz am vergangenen Samstag (10. Juli) seine Gedenkstätte hinter der Friedenskirche in Sterkrade feierlich eröffnete, da stand auch Ursula Schwark auf der Wiese und blickte auf die vielen roten Grablichter, auf die schwarzen Täfelchen mit Namen darauf in weißer Kreideschrift. „Elisabeth“ stand auf einem davon, Ursula Schwarks Freundin, die nur 66 Jahre alt geworden ist. Als sie im Februar gestorben ist, nach vielen Wochen im Krankenhaus, an oder mit Corona, das weiß niemand so genau, weil sie schwer vorerkrankt war, da konnte niemand von ihr Abschied nehmen. „Daran hatte ich lange zu knacken“, sagt Ursula Schwark. Aber hier, inmitten der anderen Trauernden, da konnte sie eine Sonnenblume nehmen und ihrer Freundin „zu Füßen legen“, wie sie es liebevoll formuliert.

Mehr als 360 Corona-Tote in Oberhausen

Diese kleinen Gesten, wie sie nun an der temporären Gedenkstätte noch bis zum 25. Juli möglich sind, diese Symbolik, die es manchmal braucht, um das Geschehene wirklich begreifen zu können, haben viele Menschen seit Beginn der Pandemie schmerzlich vermisst. Mehr als 360 Corona-Tote hat Oberhausen bisher zu beklagen und es scheint, als habe sich die Trauer darüber bei vielen angestaut und noch keinen richtigen Weg gefunden, um ausgelebt zu werden. „Seit Anfang des Jahres, seitdem wieder ein bisschen Normalität eingetreten ist, haben wir sehr viele Anfragen“, sagt Sabine Schrade, die als Koordinatorin für den Verein Ambulantes Hospiz arbeitet. Der Wunsch nach Trauerbegleitung sei enorm und viele fragten explizit nach Gruppenangeboten.

Schwarz für die Trauer und leuchtend gelbe Sonnenblumen für die Zuversicht. Die Gedenkstätte war zur Eröffnungsfeier geschmackvoll geschmückt.
Schwarz für die Trauer und leuchtend gelbe Sonnenblumen für die Zuversicht. Die Gedenkstätte war zur Eröffnungsfeier geschmackvoll geschmückt. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Sabine Schrade hat es selbst erleben müssen: diese Ohnmacht, als plötzlich alles verboten war, was Trost gespendet hätte. Als ein Freund in einer anderen Stadt starb, durfte nur seine Ehefrau sich verabschieden. „Danach wurde der Sarg verschlossen und durfte nicht mehr geöffnet werden“, erinnert sie sich, „obwohl er gar nicht an Corona gestorben ist.“ Ihre Kollegin Claudia Wegner, ebenfalls Koordinatorin im Hospiz-Verein, kommt nicht über die Geschichte der Frau hinweg, die an einem Ende der Terrasse stand, ihre Kinder am anderen Ende, als sie ihnen sagen musste, dass ihr Vater gestorben ist. „Und sie konnten sich noch nicht einmal in den Arm nehmen.“

Trauern, Trösten und Abschiednehmen

Weil es viele, zu viele solcher Geschichten gibt, ist im Hospiz-Verein die Idee für die Gedenkstätte entstanden. Und dieser Ort ist ausdrücklich auch für alle gedacht, deren Angehörige nicht am Coronavirus gestorben sind – aber in einer Zeit, in der das Trauern, Trösten und Abschiednehmen nur schwerlich möglich war. Sabine Schrade und Claudia Wegner und viele andere haben versucht, verzweifelte oder einsame Menschen so gut wie möglich zu begleiten, aber sie mussten ihre Mitarbeiter, darunter auch ältere und chronisch Kranke vor einer Ansteckung beschützen.

Termine für Trost- und Trauergespräche

Es können auch weiterhin noch Namen an der Gedenkstätte hinzugefügt werden. Interessierte können diese per Mail an das Ambulante Hospiz schicken (). Oder die Tafeln werden direkt vor Ort beschriftet. Dies ist möglich jeweils mittwochs, freitags und sonntags von 15 bis 17 Uhr.

Zu diesen Zeiten werden auch Trauerbegleiterinnen des Ambulanten Hospizes anwesend sein. Sie haben ein offenes Ohr für die, die über ihre schwierigen Erfahrungen beim Abschied von einem nahen Angehörigen oder Freund sprechen möchten.

Die telefonische Trauerbegleitung sei schwierig gewesen. „Das kam nicht so gut an“, sagt Schrade. Aber die Spaziergänge, nur zu zweit, waren sehr beliebt. „Trauerbewältigung ist ja auch ein Weg, den ich gehen muss“, sagt Schrade. „Und beim Spazierengehen mache ich mich auch auf den Weg. Es kommt etwas in Bewegung, gerät in Fluss. Beim nebeneinander Herlaufen muss man sich auch nicht ständig in die Augen schauen – und trotzdem schafft es Nähe.“ Inzwischen können auch die Gruppen-Spaziergänge wieder stattfinden und es kommen sogar Menschen aus Duisburg und Essen dazu. „Weil es immer noch kaum Angebote für Trauernde gibt“, erklärt Claudia Wegner. So hätten auch die Kirchen ihre Räume oftmals noch nicht geöffnet.

Kleine und große Gesten waren ein Lichtblick

Doch auch in den dunkelsten Lockdown-Phasen, darauf legen die Hospiz-Koordinatorinnen großen Wert, habe es immer Menschen gegeben, die einander geholfen haben, die etwas möglich gemacht haben. Mit kleinen und großen Gesten wie als eine Trauerbegleiterin ans Fenster des Altenheims kommen durfte, um wenigstens einmal zu winken und ihr Gesicht zu zeigen. Oder als die Kollegen des verstorbenen Feuerwehrmannes ihr Löschfahrzeug am Friedhof für alle sichtbar parkten, wenn sie schon nicht am Begräbnis teilnehmen durften. „Da bekomme ich heute noch Gänsehaut“, sagt Sabine Schrade. Diese Geschichten will sie auch erzählt wissen, die Lichtblicke inmitten der Katastrophe.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann können Sie hier unseren abendlichen und kostenlosen Newsletter abonnieren! +++

+++ Sind Sie speziell an Corona-Nachrichten aus Oberhausen und der Region interessiert? Dann können Sie hier unseren morgendlichen und kostenlosen Newsletter abonnieren! +++

+++ Sie interessieren sich für Familien-Nachrichten aus dem Ruhrgebiet? Dann abonnieren Sie hier unseren Familien-Newsletter! +++

+++Sie suchen das beste Restaurant im Revier? Oder den schönsten Biergarten? Der neue Gastro-Newsletter gibt Antworten. Und enthält zusätzlich jede Menge News aus der Gastro-Szene im Ruhrgebiet. Hier kostenlos anmelden!+++