Oberhausen. Was hat Oberhausen mit der Seidenstraße zu tun? In einer neuen Ausstellung der St. Antony-Hütte spannt Fotograf Bernard Langerock den Bogen.
Denkt man an die Seidenstraße, ziehen Kamele vor dem geistigen Auge über Karawanenwege. Bieten Händler ihre Stoffe, Gold und Silber in den Städten Asiens und des Orients an. Fallen einem Namen ein wie der des venezianischen Globetrotters Marco Polo. Aber Oberhausen? Die Wiege der Ruhrindustrie dürften die wenigsten mit den sagenumwobenen Handelswegen in Verbindung bringen. Wohl aber eine neue Ausstellung in der St. Antony-Hütte: In dieser geht es um die neue Seidenstraße, um die Handelsrouten Chinas, die – an Oberhausen vorbei – bis nach Duisburg reichen sollen. Auf der Route: Arbeitersiedlungen, die der Fotograf Bernard Langerockfestgehalten hat. Seine Bilder sind ab Samstag in der St. Antony-Hütte zu sehen, der Geburtsstätte der Eisen- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet.
Der Düsseldorfer Fotograf Bernard Langerock ist um die halbe Welt entlang der Seidenstraße gereist – von China über Polen bis ins Ruhrgebiet – „auf den Spuren einer Wohn- und Lebensform, die so verschiedene Kulturen und Generationen des Industriezeitalters miteinander verbindet“, heißt es in der Ankündigung des LVR Industriemuseums. Seine Reise begann mit dem Blick aus dem Zugfenster und führte viele tausend Kilometer entlang der Seidenstraße zu drei Arbeitersiedlungen: ins chinesische Chongqing, ins polnische Zabrze und in die Oberhausener Siedlung Eisenheim.
Das Zusammenleben in einer Arbeitersiedlung
„Arbeitersiedlungen zeichnen sich durch eine besondere Art des Zusammenlebens aus und ihre Architektur prägt ganze Stadtteile“, erklären die Macher der Ausstellung. Die Siedlung Eisenheim in Oberhausen ist demnach die älteste von ihnen, mit einer wechselvollen Geschichte zwischen Aufbau, Zerstörung, drohendem Abriss und der Auszeichnung als Baudenkmal.
Mit der Veränderung der Arbeitswelt und dem Weg ins digitale Zeitalter verblassen die Spuren der industriellen Ära immer mehr, auch in der Siedlung „Borsigwerk“ im Stadtteil Biskupice von Zabrze in Polen. Von 1863 bis 1871 wurde sie für oberschlesische Bergleute errichtet und nach dem Industriellen August Borsig benannt. Obwohl auch hier Satellitenschüsseln und andere Utensilien der Moderne von der Gegenwart künden, strahlen die großen Backsteingebäude der Siedlung noch immer eine Ahnung der schweren Arbeit und des harten Lebens in der Hochzeit der industriellen Epoche aus.
Chinesische Regierung lässt Wohnhäuser abreißen
Ganz anders hat es der Düsseldorfer Fotograf Bernard Langerock in der Arbeitersiedlung Tongyuanju wahrgenommen: Dort sei „die Zukunft eingezogen“. Die alten Wohnhäuser sind zum größten Teil abgerissen. Wie einst in Eisenheim hatten sich die Einwohner von Tongyuanju in den letzten Jahren gegen den Abriss der Siedlung gewehrt. Doch ihr Protest war vergeblich. Stattdessen greift die Riesenmetropole Chongqing nach den Grundstücken, um moderne Hochhäuser an die Stelle der alten Backsteinbauten zu setzen.
„Bernard Langerock fängt den Wandel von Leben und Alltag in allen drei Siedlungen mit seiner Kamera ein, zeigt Trennendes und Verbindendes dieser so weit voneinander entfernten Orte“, kündigt das Museum an. Neben den künstlerisch-dokumentarischen Aufnahmen richte Bernard Langerock seinen Blick auf Details, spüre an jedem Ort Besonderheiten nach und zeige Orte des Verweilens, Bekenntnisse der Fußballleidenschaft und verschwindende Alltagsphänomene, wie den Zuckerschläger in China.
Ebenfalls zu sehen, quasi als Rahmen, sind Landschaftsbilder, die Langerock auf seiner langen Reise mit dem Zug gemacht hat – von Chongqing über Zabrze bis nach Oberhausen. Er verknüpft die drei Stationen zu einer Reiseerzählung, die den Mythos der Seidenstraße aufgreift. Entstanden sind dabei mehr als 250 Bilder von denen das LVR-Industriemuseum St. Antony-Hütte 51 zeigt.