Oberhausen. Im Lockdown explodiert die Nachfrage nach Haustieren. Experten fürchten, dass viele Tiere bald ausgesetzt werden – erste Fälle gibt es schon.

Die drei jungen Katzen haben selbst Tatjana Hoenisch entsetzt. Sie arbeitet seit 38 Jahren als Tierarzt-Helferin in Oberhausen und hat schon viel Tierleid sehen müssen. Die drei schwarzen Katzenjungen waren der traurige Höhepunkt: Am Montag dieser Woche kam Carina Borchert in die Tierarztpraxis Büttner in Sterkrade, die gerade ihr Soziales Jahr in der Apostelgemeinde in Tackenberg macht. Am Morgen lag ein Stoffbeutel vor der Kirche. Darin waren drei Katzenbabys – eingesperrt in einem fest verschlossenen Koffer. Borchert kümmerte sich um die Katzen und brachte sie noch am selben Tag in die Praxis. „Wären die Katzen noch länger im Koffer gewesen, sie wären erstickt“, sagt Hoenisch.

Expertinnen und Experten in Tierarztpraxen, Tierschutzvereinen und Hundezüchtern blicken mit Sorge auf die Zeit nach dem Lockdown. Sie erzählen, dass noch nie so viele Hunde, Katzen und Kaninchen gekauft wurden wie seit dem Ausbruch der Pandemie – und sie erwarten, dass viele Menschen mit den Haustieren überfordert sein werden. Dass der Fall von den drei kleinen Katzen bloß ein Vorbote ist.

Lesen Sie hier: Wo man seinen Hund in Oberhausen von der Leine lassen darf

Nachfrage nach Hunden und Katzen steigt in Oberhausen seit Corona

Die drei geretteten Katzenbabys
Die drei geretteten Katzenbabys © Bessenbach | WAZ

„Es ist der absolute Wahnsinn, wie viele Leute in unsere Praxis kommen“, sagt Hoenisch. Derzeit versorgen die Mitarbeiter täglich über 100 Patienten. Vor Corona waren es 60. Sie machten gerade alle Extra-Schichten, teilweise sind sie bis 22 Uhr im Dienst. Vor den Tierarzt-Praxen in Oberhausen bildeten sich immer wieder Schlangen: „Das geht auf keine Kuhhaut.“ Die Preise für Haustiere seien enorm gestiegen. „Leute zahlen für eine normale Katze 900 Euro, für einen Labradoodle 3000 Euro.“

Den Hype spürt auch Petra Barth, die Vorsitzende des Tierschutzvereins in Oberhausen. „Wir haben so wenig Tiere in der Vermittlung wie schon lange nicht mehr“, sagt sie. Für einen Rassehund habe es kürzlich etwa 200 Anfragen gegeben. Im Normalfall hat der Verein Schwierigkeiten, Hunde zu vermitteln. „95 Prozent der Anfragen kann ich aber sofort ad acta legen. Manche sagen am Telefon nicht mal ,Guten Tag‘.“ Zur Zeit meldeten sich viele Menschen, die kaum Erfahrung mit der Aufzucht von Hunden und Katzen hätten.

Tierschützerin: Es wird sicher passieren, dass viele Hunde und Katzen ausgesetzt werden

Barth nennt als Grund für die hohe Nachfrage, dass Leuten im Homeoffice langweilig sei. Viele würden wohl auch denken, ein Hund sei eine tolle Beschäftigungstherapie für die Kinder. „Ich kann mir auch vorstellen, dass ein Haustier ein Trostpflaster ist in der Krise.“ Hoenisch, die Tierarzt-Helferin, sagt: „Manche kauften auch einfach nur einen Hund, um die Ausgangssperre zu umgehen.“ Obendrein haben viele Menschen durch den Lockdown wohl Geld angespart, das sie nun in Haustiere stecken.

Der Wunsch nach einem Haustier sei so groß sei, dass Leute auch Tiere kauften, die nicht geimpft seien oder Krankheiten wie Herzwürmer hätten, sagt Hoenisch. „Bei uns landen immer wieder Hunde aus Rumänien – gekauft an Autobahnrastplätzen.“ Ein weiteres Problem: Viele machten sich vor dem Kauf keine Gedanken, dass sie langfristig einen Hund erziehen und versorgen müssen. „Die sind komplett überfordert.“

Vereine sind finanziell angeschlagen – doch es kommt wohl viel Arbeit auf sie zu

Daher erwartet Hoenisch, dass viele Corona-Haustiere bald ein ähnliches Schicksal ereilt wie den drei Katzenbabys. „Den Leuten fällt plötzlich auf, dass sie allergisch sind auf Tierhaare oder, dass ein Tier ja doch mehr Zeit und Geld kostet als gedacht.“ So sieht es auch Barth: „Dass Leute ihre Tiere abgeben oder sogar aussetzen, wird sicher kommen. Erst diesen Montag habe ich Kaninchen übernommen – die wurden auch einfach freigelassen.“

So kann man günstig seine Katze kastrieren lassen

Wer seine Katze oder seinen Kater in Oberhausen kastrieren möchte, kann dank einer Aktion des Tierschutzvereines viel Geld dabei sparen. Interessierte haben noch bis Ende Juni die Möglichkeit, sich dafür beim Tierschutzverein zu melden. Er stellt daraufhin einen Gutschein aus, den man bei der Tiertafel an der Leopoldstraße 18, in der Nähe des Bero Zentrums, abholen kann. Dies teilte die Vorsitzende des Tierschutzvereines, Petra Barth, mit.Der Gutschein berechtigt, einen Termin beim Tierarzt des Vereins zu buchen, der die Kastration durchführt. Anschließend erstellt der Arzt den Chip und registriert ihn. Für gewöhnlich müssen Katzenbesitzer für solche Operationen zwischen 70 und 150 Euro bezahlen, für Chip und Registrierung zusätzlich etwa 30 Euro. Der Gutschein des Tierschutzvereins kostet lediglich 45 Euro für die Kastrierung von Katern und 70 Euro für die von Katzen. Interessierte melden sich bei Petra Barth unter: 0177 4643155.

Damit käme viel Arbeit auf Tierschützer zu und träfe sie in einer empfindlichen Phase: Wegen der Pandemie sind Vereine finanziell angeschlagen. Sie konnten kaum Spendenaktionen organisieren. Wie blickt Barth auf die kommenden Monate? „Bisher haben wir jedes Problem gelöst – irgendwie“, sagt sie. „Aber Corona macht es uns noch mal schwerer.“