Oberhausen. Als Zoom-Treffen startet am Sonntag, 16. Mai, die Arbeit von Theaterfaktorei, Stadtarchiv und vielen Oberhausenern. Der Premierentermin steht.

In genau einem Jahr – am 8. Mai 2022 – soll die Premiere steigen. Noch hat das Drama keinen Titel, noch hat die Autorin und Regisseurin ihre Arbeit nicht aufgenommen. Auch das Gros der weiteren Theatermacher wird sich erstmals am Sonntag, 16. Mai, um 16 Uhr begegnen – in einer Zoom-Konferenz.

Kein Wunder, dass dieses – obendrein noch namenlose – Projekt, dem Leiter des Stadtarchivs hörbaren Respekt abverlangt: „Ich finde das nicht langsam“, sagt Magnus Dellwig mit Understatement. Wohl zum ersten Mal in Oberhausen treffen Historiker und Theaterleute zusammen, um mit möglichst vielen Bürgern gemeinsam ein Schauspiel zu produzieren, das in seinem Anspruch über die bekannten Formate von Laientheater weit hinausweist. Im Kulturausschuss hat man den beiden Sphären bereits zu ihrer wegweisenden „Kooperation zwischen Kunst und Wissenschaft“ gratuliert. Jetzt wird es ernst mit dem digitalen „Kick off“.

Migration und Bildung – ein bis heute höchst relevantes Thema. Gerade der Kontakt zu Schulen ist Theaterfaktorei und Stadtarchiv wichtig.
Migration und Bildung – ein bis heute höchst relevantes Thema. Gerade der Kontakt zu Schulen ist Theaterfaktorei und Stadtarchiv wichtig. © Stadtarchiv Oberhausen

Magnus Dellwig nennt’s einen „ersten Meilenstein, um sich einzubringen“. Herzlich eingeladen sind drei ganz unterschiedliche Zielgruppen: Zeitzeugen, die von sich oder ihrer Familie über die eigene Zuwanderung erzählen können, Rechercheure, die entweder die Zeitzeugen oder die Dokumente im Stadtarchiv befragen wollen – und schließlich jene, die auf der Bühne oder in den Kulissen aktiv werden.

Geschichten mit ganz viel Herz

„Natürlich haben wir schon vorher so weit wie möglich unsere Fühler ausgestreckt“: So beschreibt Daniel Simon Böhmer das gemeinsame „Networking“. Der 35-jährige Historiker pflegte bereits in den Vorjahren die Kontakte zwischen Schulen und dem „Gedächtnis der Stadt“ – und kann sich nun dank der regionalen Kulturförderung des Landschaftsverbands LVR bis Ende 2022 dem neuen Großprojekt widmen.

Als Theaterfaktorei haben wir ein schönes Netzwerk in die Stadt hinein“, ergänzt Amira Bakhit. Sie setzt darauf, dass die persönliche Ansprache bei engagierten Bürgern das gemeinsame Anliegen bereits bekannt gemacht hat. „Das Feedback ist absolut positiv“, so die Leiterin der Faktorei. „Viele sagten uns, das hätte es viel früher geben müssen.“ Den Anspruch die Vielfalt der Zuwanderungen aus 150 Jahren Oberhausener Stadtgeschichte abzubilden, nennt Amira Bakhit „ein Mammutprojekt“.

Sie heißen Rechercheure willkommen: Magnus Dellwig (re.) und Daniel Simon Böhmer haben das Stadtarchiv wieder geöffnet.
Sie heißen Rechercheure willkommen: Magnus Dellwig (re.) und Daniel Simon Böhmer haben das Stadtarchiv wieder geöffnet. © Funke Foto Services GmbH | Kerstin Bögeholz

Aber es soll ja sinnliches Theater entstehen, keine wissenschaftliche Arbeit. So erzählt denn Magnus Dellwig, wie er als Historiker dazulernte: „Als wir am 2. Januar mit unseren Gesprächen begannen, dachte ich erst an eine chronologische Erzählung in Epochen“ – und erfuhr: „Künstlerisches Herangehen ist ganz anders.“ Amira Bakhit betont: „Für uns sind Emotionen wichtig. Diese Geschichten haben ganz viel Herz“ – das könne man nicht auf Zahlen reduzieren.

Jede Anekdote ist hoch willkommen

Das erste Zoom-Treffen mit den zahlreich erwarteten Mitwirkenden wollen die so unterschiedlichen Partner als „schönes buntes Programm“ gestalten, wie Daniel Simon Böhmer sagt. Man werde sich und die weiteren Partner vorstellen, zu denen auch die unter dem Kitev-Dach heimische Freie Universität Oberhausen zählt, und nach den besonderen Interessen der Besucher fragen.

Wer Theater nicht nur als Publikum erleben möchte

Wer beim „Kick off“ des Projekts zur Migrationsgeschichte am Sonntag, 16. Mai, um 16 Uhr (bis voraussichtlich 17.30 Uhr) dabeisein möchte, kann sich im Besucherbüro des Theaters anmelden: Die Antwortmail von besucherbuero@theater-oberhausen.de enthält dann den Einladungslink für die Zoom-Konferenz. Amira Bakhit kündigt aber auch an, einen Zugang über die Facebookseite des Theaters zu ermöglichen.

Die Theaterfaktorei bietet Projekte und Werkräume für alle, die Theater nicht nur als Publikum erleben möchten und ist zu erreichen per Mail an theaterfaktorei@theater-oberhausen.de.

Wann die gemeinsame Arbeit aus der digitalen Sphäre heraustreten und zu persönlichen Begegnungen werden kann, hängt natürlich am Verlauf der Pandemie. Immerhin sind Recherchen im Stadtarchiv bereits nach Anmeldung möglich. Die Freie Uni möchte Vorlesungen und Seminare, sobald es die Regularien erlauben, im Sommer ins Freie verlegen. Und die eigentliche Bühnenarbeit beginnt ohnehin erst in der kommenden Spielzeit, voraussichtlich im Oktober.

Interessenten, versichert Amira Bakhit, müssen sich nicht gleich für ein ganzes Jahr an das große Projekt binden: „Auch wer uns nur eine vielsagende Anekdote erzählen möchte, ist herzlich willkommen.“