Oberhausen. Eine Oberhausenerin ist impfberechtigt, aber nicht an der Reihe. Deshalb sichert sie sich für ihre Corona-Impfung Termine in der Nachbarstadt.
Die Ungeduld wächst und mit ihr die Verunsicherung. Der Startschuss für die Corona-Impfungen der dritten Priorisierungsgruppe ist in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, im Saarland, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Hamburg gefallen. Impfberechtigte in NRW und damit auch in Oberhausen benötigen dagegen einmal mehr Geduld.
Denn im bevölkerungsreichsten Bundesland sind nicht einmal die Corona-Impfungen in der zweiten Priorisierungsgruppe abgeschlossen. In diese Gruppe gehören etwa Über-70-Jährige und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. Nach wie vor haben Impfberechtigte aus dieser Gruppe in Oberhausen teils erhebliche Schwierigkeiten, einen Termin zu erhalten. Dazu kommt: Die Bestimmungen in NRW weichen sogar von Impfzentrum zu Impfzentrum ab. Diese Erfahrung machte jetzt auch eine Oberhausenerin, die verzweifelt Impftermine buchen wollte – und in einer Nachbarstadt welche erhielt.
Die 49-Jährige, die anonym bleiben möchte, kümmert sich um ihren 73-jährigen (noch ungeimpften) pflegebedürftigen Vater und gehört aufgrund einer starken Asthma-Erkrankung selbst der dritten Priorisierungsgruppe an. Sie erzählt: „Einige Pflegekräfte meines Vaters hatten die Astrazeneca-Impfung abgelehnt und warten nun auf ihren Impftermin für eine Biontech-Impfung.“ Da sie häufig anwesend sei, wenn die Pflegekräfte kommen, befürchtet sie, dass sich ihr Vater und sie selbst auf „den letzten Metern noch mit Corona infizieren“.
Enge Kontaktpersonen gehören in die zweite Impfgruppe
Nach dem Impf-Fahrplan NRW gehört die 49-Jährige als enge Kontaktperson eines Pflegebedürftigen über 70 Jahren ebenso wie ihr Vater zur zweiten Impfgruppe. „Ich wollte für uns gemeinsam Termine im Oberhausener Impfzentrum buchen, aber dort ist das nur für Kontaktpersonen der Pflegegrade vier und fünf möglich – mein Vater aber hat den Pflegegrad zwei.“
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Weil auch die Warteliste bei ihrem Hausarzt noch immer „unendlich lang“ sei, sah sich die 49-Jährige schließlich in den Impfzentren der Region um. In Dortmund etwa hätte sie noch vor wenigen Tagen auch als Angehörige eines Über-70-Jährigen mit Pflegegrad zwei durchaus einen Termin buchen können. „Nur leider waren die Termine schon alle weg.“ Also schaute sie einfach immer wieder nach. Von einem Tag auf den nächsten sei die Personengruppe der Kontaktpersonen auf der Homepage der Stadt Dortmund aber komplett aus dem Programm des Impfzentrums genommen worden. „Betroffene sollen sich dort zurzeit wohl nur noch an ihre Hausärzte wenden.“ Die Oberhausenerin gab nicht auf.
Nur einige wenige Termine freigeschaltet
In der Nacht zu Montag, 3. Mai, hatte das Impfzentrum in Recklinghausen schließlich einige wenige Termine für Kontaktpersonen Pflegebedürftiger „egal welchen Grades“ online freigeschaltet. „Dort habe ich jetzt zwei Termine ergattern können“, freut sich die Oberhausenerin. Ob sie damit tatsächlich zum Ziel kommt, ist noch nicht sicher. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein weist etwa darauf hin, dass eine freie Wahl der Impfzentren wegen der an der Einwohnerzahl orientierten Impfstoffzuweisungen nicht möglich sei. Dennoch sind Oberhausener inzwischen vereinzelt schon in Nachbarstädten geimpft worden.
Auf Nachfrage dieser Redaktion sagt Stadtsprecher Frank Helling mit Blick auf die Priorisierungen: „Im Moment können in Oberhausen nur Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen mit Pflegegrad vier und fünf über das Impfzentrum einen Termin erhalten.“ Und was die dritte Priorisierungsgruppe betrifft: „Das Gesundheitsministerium hat diese Personengruppe noch nicht freigegeben, wir rechnen mit der Freigabe einzelner Gruppen aber schon innerhalb der nächsten zwei Kalenderwochen.“
NRW nimmt inzwischen einen Spitzenplatz ein
Beruflich begründete Impfungen sollen dann wieder vor allem durch das Impfzentren durchgeführt werden. „Medizinisch begründete Impfungen könnten ebenfalls durch niedergelassene Ärzte erfolgen“, sagt Helling. Näheres dazu werde das NRW-Gesundheitsministerium zeitnah per Erlass regeln. Oberhausener aus der zweiten Priorisierungsgruppe würden dagegen bereits seit Wochen geimpft. „Hierzu zählen ja beispielsweise Vorerkrankte und auch Menschen über 70 Jahren.“ Während die Über-70-Jährigen über die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein längst Termine im Impfzentrum hätten buchen können, sei dies für Vorerkrankte der zweiten Gruppe erst seit dem 30. April möglich. Einzelne Berechtigte aus dieser Gruppe, wie eben manche Kontaktpersonen, seien noch gar nicht freigeschaltet.
11.600 Corona-Impfungen in den Arztpraxen
Für die 17. Kalenderwoche (26. April bis 2. Mai) standen dem Impfzentrum der Stadt Oberhausen rund 6650 Impfdosen zur Verfügung. Die durchschnittliche Ausfallquote für alle Impfungen des Impfzentrums Oberhausen lag im April im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Zirka ein Drittel derer, die nicht zur Impfung erscheinen, melden sich im Vorfeld telefonisch oder per E-Mail bei der Stadt Oberhausen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein listet für Oberhausen bislang insgesamt (Stand: 30.04.2021, 12 Uhr) gut 11.600 in den Arztpraxen durchgeführte Corona-Impfungen auf.
Obwohl es auf den ersten Blick so scheint, als hinke NRW dem bundesweiten Impftempo hinterher – dieser Eindruck täuscht. Wer am 3. Mai einen Blick auf das aktuelle Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Institutes wirft, stellt sogar fest: NRW nimmt bei der Quote der durchgeführten Erstimpfungen mit 29,6 Prozent inzwischen sogar bundesweit den dritten Spitzenplatz hinter dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern ein. „Und genau in diesem Bereich bewegen sich auch die Zahlen der Stadt Oberhausen“, stellt Helling fest.
Das Impftempo hat also tatsächlich zugenommen. Die 49-jährige Oberhausenerin weist aber auch darauf hin: „Zu viele Berechtigte müssen noch immer zu häufig mit zu hohen Hürden kämpfen und zu lange auf ihre rettende Impfung warten.“