Oberhausen. Noble Jugendstil-Bauten von Bruno Möhring gibt’s an Emscher, Mosel und Spree. Seine GHH-Ausstellungshalle reiste 1903 sogar über den Atlantik.
Ihren heutigen Bewohnern – und den Generationen davor – hinterließ Bruno Möhring hochgeschätzte Bauten für das gehobene Zuhause. Fast unverändert blieb bis heute die von diesem Baukünstler des Jugendstils gestaltete Siedlung Grafenbusch: Die Ingenieure und Manager der Gutehoffnungshütte, damals „Beamte“ genannt, wohnten im Grünen und doch fast vor den Werkstoren. Heidrun Bernitt, Designerin und Autorin aus Bernkastel-Kues, legt nun erstmals einen umfassenden Bildband auf über Bruno Möhrings Bauten von Oberhausen bis Mexiko.
Denn auch an der Mosel hat der Baukünstler, in dessen Atelier auch der Architektur-Neuerer Bruno Taut in die Lehre ging, einen exzellenten Ruf: In Traben-Trarbach hinterließ Möhring „etliche sehr ausgefallene Villen“, wie Heidrun Bernitt erzählt, dazu ein Brückentor von barocker Dimension und Anmutung. In diesem elegant-asymmetrischen Bau begann auch das Buchprojekt „Bruno Möhring – Architekt des Jugendstils“ mit dem langen Untertitel „Spurensuche in Königsberg und Traben-Trarbach, Oberhausen, Berlin und Schreiberhau“. Dieses Städtchen heißt heute Szklarska Poręba und ist das touristische Zentrum des schlesischen Riesengebirges.
So ging’s los: Heidrun Bernitt wurde gebeten, im leerstehenden Brückentor an der Mosel eine Bruno Möhring (1863 bis 1929) gewidmete Ausstellung einzurichten. Zu ihrem eigenen Erstaunen betrat sie damit Neuland: „Selbst das Architektur-Museum am Frankfurter Museumsufer wusste nichts mit ihm anzufangen.“ Immerhin: Vor 14 Jahren zeigte der westfälische Landschaftsverband LWL in der Maschinenhalle der Dortmunder Zeche Zollern II/IV – einem weiteren ikonischen Möhring-Baudenkmal – die Ausstellung „Bruno Möhring und der Deutsche Werkbund“.
Komplette Architekturbüros pilgerten zur Möhring-Schau
Die Resonanz auf ihre eigene Brückentor-Schau (inzwischen eine Daueraustellung) erlebte die Designerin als mitreißend: Komplette Architekturbüros pilgerten dafür nach Traben-Trarbach. Heidrun Bernitt machte sich ans Materialsammeln – das Reisen zu den Bauwerken hatte ihr die Pandemie leider vermasselt: „Aber der Kontakt war so vielleicht noch intensiver.“ Beglückt erzählt sie von der hohen Qualität des gesammelten Materials: Aktuelle Ansichten Möhring’scher Villen und Industriebauten plus historische Fotos. Großen Wert legte die Autorin auf Scans von Möhrings eigenen Zeichnungen: „die Handschrift des Architekten“.
Tausend Aufnahmen sammelten sich so auf dem heimischen Datenspeicher – weit mehr, als sie in einen 180-seitigen Band aufnehmen könnte. Vom heimischen Schreibtisch aus überzeugte sie selbst einen skeptischen Berliner Apotheker, der nicht nur in einem Möhring-Haus arbeitet, sondern in einer großteils originalen Möhring-Einrichtung: Schließlich war es das von großen Jugendstil-Baukünstlern wie Charles Rennie Mackintosh propagierte Ideal, ihre Bauten vollendet zu gestalten: bis hin zum Mobiliar und den Wohntextilien.
Nur an Bilder aus Mexiko-Stadt scheint schwerer heranzukommen zu sein: Das vor wenigen Jahren aufwendig restaurierte „Museo Universitario del Chopo“ für moderne Kunst in der Neun-Millionen-Metropole ist nämlich ein fast 120 Jahre alter Ausstellungspalast „made in Oberhausen“: Der Stahlbau mit Jugendstilschmuck entstand 1902 im Auftrag der Gutehoffnungshütte und der Gasmotorenfabrik Deutz in bewährter Kooperation von Bruno Möhring mit dem GHH-Chefkonstrukteur Reinhold Krohn. Es war die exquisite Messehalle für die Rheinisch-Westfälische Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf.
Köln vermarktet sein „Möhring-Quartier“
„In Köln-Mülheim“, weiß Heidrun Bernitt, „steht noch ein weiterer Rest dieser Halle“: Die Stadt Köln versucht seit einigen Jahren dieses „Möhring-Quartier“ im alten Industriegebiet am Rhein zu vermarkten, Motto: „Wohnen in historischen Mauern“. Auch dieses Möhring-Relikt steht unter Denkmalschutz – so wie fast alle in Bernitts Buch vorgestellten Bauten. So hatte die Autorin eine bessere Gewähr, dass die Villen und Industriehallen noch dem „Look“ entsprechen, den der vielseitige Gestalter – von tonnenschweren GHH-Stahlbauteilen bis zu fein geschwungenen Lampen und Möbeln – für sie entworfen hatte.
Im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse
Der 180 Seiten starke Bildband „Bruno Möhring – Architekt des Jugendstils“ erscheint, voraussichtlich im August, im Rhein-Mosel-Verlag in einer 1000er Auflage. Im Verleger Arne Houben fand die Autorin Heidrun Bernitt „jemanden, der ebenfalls für mein Thema brennt“. Im Herbst wollen beide das Buch, es wird 25 Euro kosten, auf der Frankfurter Buchmesse vorstellen – „ob live oder virtuell“.
Wer sich ein Exemplar sichern will, kann schon jetzt per E-Mail an hjabernitt@googlemail.comKontakt zur Autorin aufnehmen.
Die kleine Dauerausstellung in Traben-Trarbach, ahnt Heidrun Bernitt, „werde ich komplett überarbeiten müssen“. Schließlich war unter den neuen Bilderschätzen ihrer stetig wachsenden Korrespondenz „ein Foto schöner als das andere“.