Oberhausen. Anna Polke sieht ihre Stiftung auf bestem Wege. Zum 80. ihres Vaters, des berühmten Malers Sigmar Polke, kündigt sich sogar ein Schauspiel an.

Vor zwei Jahren erfüllte sich Anna Polke „einen Herzenswunsch“ und gründete die nach ihr benannte Stiftung. Für die Tochter von Sigmar Polke (1941 bis 2010), der mit Gerhard Richter einst unter dem Motto „Leben mit Pop“ den Kapitalistischen Realismus erfunden hatte, beginnt nun – mit dem 80. Geburtstag des Künstlers am 13. Februar – ein „Polke-Jahr“, das nicht einmal der lang und länger anhaltende Lockdown ausbremsen kann.

„Wir haben Arbeit en masse“, sagt die 56-Jährige beglückt. Das gilt zwar leider nicht fürs Theater Oberhausen, dessen Ensemble sie seit 29 Jahren angehört. Doch die Anna Polke Stiftung mit ihrem Team aus fünf Kunsthistorikerinnen hat tüchtig Schwung aufgenommen. Dazu zählt nicht nur aktuell die dritte Ausschreibungsrunde für Stipendiaten, die das vielfältige Leben und Werk von Sigmar Polke erforschen wollen. Für den November kündigt sich zudem in der Düsseldorfer Kunsthalle eine spannend kuratierte Ausstellung plus Festival an der Kunstakademie an.

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Die Zwischenbilanz der bisherigen Stipendien, so wie Anna Polke sie beschreibt, kann sich ebenso sehen lassen wie die internationale Resonanz: „Wir haben Bewerber von Schottland bis Brasilien“, sagt die Tochter des zeitlebens so hochproduktiven wie experimentierfreudigen Malers. Zu den ersten von der Stiftung geförderten Themen zählten etwa die Resonanz auf Sigmar Polke in der französischen Kunstkritik, eine weitere Arbeit über seine Künstlerbücher oder ein umfassender Vergleich der Dürerzeit mit Polkes 1960ern und 70ern.

Die Schauspielerin Anna Polke, Tochter des bekannten Malers Sigmar Polke, erfüllte sich vor zwei Jahren „einen Herzenswunsch“ mit der Anna Polke Stiftung.
Die Schauspielerin Anna Polke, Tochter des bekannten Malers Sigmar Polke, erfüllte sich vor zwei Jahren „einen Herzenswunsch“ mit der Anna Polke Stiftung. © FUNKE FotoServices | Gerd Wallhorn

„Es sind immer wissenschaftliche Stipendien“, betont Anna Polke, „keine künstlerischen“. Ihr ist wichtig, dass aus der jährlich mit zwei Mal 5000 Euro geförderten Forschung auch der Fachwelt zugängliche Texte werden: sei es als Teile einer Dissertation oder Beiträge für Zeitschriften. Am „Alchimisten“ Sigmar Polke, der als unermüdlicher Materialforscher der Kunst immer wieder neue Stoffe erschloss, lässt sich nach wie vor trefflich forschen.

Filmisches Archiv mit Zeitzeugen-Interviews

Die Auswahl der Stipendiaten überlässt die Gründerin der Stiftung einem bestens besetzten Fachgremium. Sich selbst hatte Anna Polke eine andere Aufgabe gestellt: Sie will ein filmisches Archiv anlegen mit Interviews von Zeitzeugen. Diese Gespräche, von denen einige bereits aufgezeichnet sind, liegen nun pandemiebedingt auf Eis. Für den Geburtstags-Start des Polke-Jahres am 13. Februar öffnet dafür der „Polke Salon“ zumindest im Online-Format. Unter dem typischen Motto „Leicht kann jeder“ sprach Anna Polke mit Mike Karstens, Galerist, Grafiker und ein langjähriger Weggefährte ihres Vaters. Den „Salon“ als Ort des Austausches wünscht sich die Stifterin natürlich am liebsten live vor Publikum – wenn’s wieder möglich ist im Stiftungs-Domizil an der Kölner Domstraße.

Die künstlerische Neugierde ihres Vaters, der zum Vernissagen-Betrieb stets ironische Distanz wahrte, sieht Anna Polke im „Salon“-Format gespiegelt. Als „schönen Ort legendärer Ausstellungen“ beschreibt sie die Düsseldorfer Kunsthalle: eine erste Adresse der Landeshauptstadt, der Kunstsammlung NRW gleich gegenüber – und zur Kunstakademie ist’s auch nur ein kurzer Spaziergang. An diesem Schauplatz planen zwei Kuratorinnen der Stiftung den Coup des Jubiläumsjahres: Vom 13. November 2021 bis 6. Februar 2022 soll eine große Ausstellung die Werke Sigmar Polkes mit denen junger Künstler vereinen. Die Schirmherrschaft hat Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen übernommen.

Die Kunsthalle werde dann keineswegs „Neo-Polkes“ versammeln, versichert Anna Polke. Dazu war ihr Vater in seinem Schaffen viel zu sehr ein Solitär. Allenfalls seien seine Arbeitsweisen mit denen der ausgewählten jungen Künstler verwandt. Anna Polke verweist auf den Arbeitstitel „Produktive Bildstörung“ und meint: „Meinen Vater haben immer die Fehler interessiert – und die hat er mit Humor und Witz betrachtet.“

Unübertroffen: Die größte Einzelausstellung zum Werk Sigmar Polkes zeigte 2014 unter dem Titel „Alibis“ das berühmte „MoMA“, New Yorks Museum of Modern Art mit Arbeiten aus Malerei, Fotografie und Film sowie Zeichnungen und Drucken.
Unübertroffen: Die größte Einzelausstellung zum Werk Sigmar Polkes zeigte 2014 unter dem Titel „Alibis“ das berühmte „MoMA“, New Yorks Museum of Modern Art mit Arbeiten aus Malerei, Fotografie und Film sowie Zeichnungen und Drucken. © dpa | Justin Lane

Beispielhaft nennt sie die (auch noch „Failures“ betitelten) Werkreihen des Schweizers Raphael Hefti: „Ein entzückender Mensch“, der mit dem Bunsenbrenner an Fotopapier experimentiert und dessen Farb-Flüsse sich über die Böden der Ausstellungshallen verströmen dürfen. Das Werk ihres Vaters solle eben „nicht nur archiviert werden“. Und an der berühmten Kunstakademie Düsseldorf begleitet vom 25. bis 27. November ein Festival plus Symposium die „Produktive Bildstörung“.

Altmeisterlich: Sigmar Polkes „Zweite niederländische Reise“, hier in der Hamburger Kunsthalle zwischen textilen Skulpturen von Haegue Yang.
Altmeisterlich: Sigmar Polkes „Zweite niederländische Reise“, hier in der Hamburger Kunsthalle zwischen textilen Skulpturen von Haegue Yang. © The Estate of Sigmar Polke | Kay Riechers

Auch im niederländischen Tilburg und im bayrischen Regensburg sind Ausstellungen zum Polke-Jahr geplant. „Aber Düsseldorf ist mein Beitrag“, sagt Anna Polke stolz. Dafür investiert sie etliche Wochenenden („Auf die Zeit gucke ich nicht“) – nicht zuletzt, auch um Sponsoren für die Digitalisierung ihrer Stiftung zu gewinnen: „Das ist schon eine Aufgabe.“

Ein Polke-Drama fürs Landestheater in Bregenz

Zwischendurch sehnt sich die Schauspielerin nach der seit über drei Monaten gesperrten Bühne: „Ich möchte so gerne wieder „Herkunft“ spielen.“ Dabei ist im Jubiläumsjahr sogar ein Schauspiel zum Thema Sigmar Polke in Arbeit – allerdings nicht in Oberhausen. Für die nächste Spielzeit am Vorarlberger Landestheater in Bregenz schreibt der Züricher Autor Gerhard Meister ein Künstler-Drama. Es ist zwar kein Werk ihrer Stiftung, passt aber zum Anspruch Anna Polkes: „alte Bekannte“ ebenso für die Kunst ihres Vaters zu begeistern wie junge Leute.