Oberhausen. . Anna Polke über ihre preisgekrönte Rolle in „Das dritte Leben des Fritz Giga“. Die Folgen von Diktatur und Weltkrieg sieht sie prägend bis heute.

„Ogottogott“, sagt Anna Polke am Café-Tisch, „bei der Premiere waren auch Angehörige von Fritz Giga da: Was werden Sie denken?“ Die nach Berufsjahren erfahrenste Schauspielerin im Oberhausener Ensemble ist ohnehin vor jeder Aufführung aufgeregt. Und nun, im April, ein großes Solo – noch dazu mit einer zeitgeschichtlichen Figur im Mittelpunkt der dramatischen Handlung.

Anna Polke und Christian Franke als Autor und Regisseur machten daraus einen großen Erfolg der ersten Spielzeit von Florian Fiedler. Für die 54-Jährige gab’s dafür vor einer Woche gleich zwei Oberhausener Theaterpreise: den Publikumspreis und den ersten Preis der Jury. Aber der Darstellerin der aufrechten Krankenschwester Martha geht es um mehr. Denn sie glaubt nicht, dass „Das dritte Leben des Fritz Giga“ nur den ohnehin Überzeugten predigt.

Theater erklärt dem Publikum etwas

Anna Polke liest während der Gala zur Spielzeit-Eröffnung aus E. T. A. Hoffmanns
Anna Polke liest während der Gala zur Spielzeit-Eröffnung aus E. T. A. Hoffmanns © Heinrich Jung

„Ich bin ein optimistischer Mensch; ich denke, dass Theater seinem Publikum etwas erklärt und es bereichert. Sonst würde ich es nicht machen.“ Auf den Namen und die wenigen bekannten Fakten über das kurze Leben des Oberhausener Antifaschisten Fritz Giga (1899 bis 1937) war der 35-jährige Christian Franke gestoßen, als er über Robert Capa recherchierte, den berühmten Foto-Chronisten des spanischen Bürgerkriegs. Auf Seiten der Volksfront-Kämpfer ist Fritz Giga gefallen.

Anna Polkes Rolle jener Krankenschwester, die 1934 den aus dem dritten Stock des Oberhausener Polizeipräsidiums gestürzten Fritz Giga pflegte – und rettete – ist eine historische Mutmaßung, allerdings eine überaus plausible. „Über sie haben wir nichts gefunden – aber es gibt die Verhör-Protokolle.“

Kauziger Dialog zur Eröffnung

Die Schauspielerin, Fotografin und gelegentlich selbst Regisseurin nennt sich selbst „einen Ensemble-Spieler“. Christian Frankes klugen Text – ein Monolog, den sie in der Rathaus-Kantine vor jeweils 50 Zuschauern spielt – nennt sie „ein nettes Geschenk“. Einerseits. „Es hat mich viel Kraft gekostet.“

Als positiv gestimmter Mensch war es ihr wichtig, dass dieses „Dritte Leben“ mit dem Moment der Befreiung beginnt: Die Stadt erwartet 1945 die amerikanischen Truppen – und Martha räsoniert mit dem alten Willy. „Es hat auch Humor“, betont Anna Polke. Christian Franke habe ihr erlaubt, hier „hin und her zu springen“, das schwere Solo mit einem fast kauzigen Dialog zu eröffnen.

Eltern als „Kriegskinder“ geprägt

Denn Bedenken, wie sich die Terrorzeit vor 84 Jahren auf der Bühne zeigen lässt, gab es genug. „Im Text kam so oft Heil Hitler vor.“ Anna Polke fragte sich „Sollen wir den Hitlergruß zeigen?“, betont aber: „Es wurde nie zur Karikatur.“

Sie ist überzeugt, dass die Jahre von Diktatur und Weltkrieg bis in die Gegenwart ihre Spuren hinterlassen haben. Ihre Eltern nennt sie „Kriegskinder – sie haben viel davon erzählt“. Ihr Vater, der Maler und Fotograf Sigmar Polke (1941 bis 2010), war als Kind zweifach Flüchtling: zunächst aus Niederschlesien, 1953 aus der DDR in die Bundesrepublik. Seine Tochter verweist auf Polkes „Kartoffelbilder“: Sie sprächen von der Nachkriegsnot.

Die überzeugte Ensemble-Spielerin nennt die im Vorjahr wieder mal neu zusammengemixten Kollegen „eine gute Truppe“ – hat allerdings noch gar nicht mit allen „Neuen“ spielen können. „Oberhausen war immer ein engagiertes Theater“, das hat sie seit 26 Jahren gerne hierbleiben lassen. Und die „Unmittelbarkeit“, mit der das Publikum hier auf ihr Spiel reagiert: „Die ist ganz wertvoll.“

>>> Das Solo spielt sie für jeweils 50 Zuschauer

Miterleben können „Das dritte Leben des Fritz Giga“ nur jeweils 50 Zuschauer. Der Eingang zur Spielstätte Rathaus-Kantine befindet sich neben dem Haupteingang des Rathauses.

Bis Ende Oktober gibt es sechs Aufführungen: an den beiden Sonntagen, 30. September und 7. Oktober, jeweils um 18 Uhr, am Donnerstag, 11., Samstag, 20. und Mittwoch, 24. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr, sowie am Dienstag, 30. Oktober, um 20 Uhr. Nach allen Aufführungen bietet das Theater ein Nachgespräch an.

Karten kosten 14 Euro, ermäßigt 5 Euro, 0208 - 8578 184, online theater-oberhausen.de