Oberhausen. Spatzen-Sänger Norbert Rier verrät, wie seine Maske verziert ist, wo er Solidarität vermisst und warum Volksmusik in Corona-Zeiten wichtig ist.

Die Kastelruther Spatzen gehören zu den erfolgreichsten Interpreten der volkstümlichen Musik. Das neue Album „Liebe für die Ewigkeit“ ist frisch erschienen. Nach regelmäßigen Gastspielen in Oberhausen müssen sich die Fans in Corona-Zeiten gedulden: Am Mittwoch, 20. April 2022, wollen die sieben Musiker wieder die König-Pilsener-Arena ansteuern. Vorher spricht Sänger Norbert Rier im Interview offen über seine Gemütslage in schwierigen Zeiten. Ein Telefonat nach Südtirol.

Herr Rier, wie geht es Ihnen im Lockdown?

Norbert Rier: Eine komische Zeit ist das. Die Pandemie schränkt uns ja schon zum zweiten Mal ein. Es hat keiner damit gerechnet, dass ein Virus die Welt einmal so stark im Griff haben könnte.

In Kastelruth haben sie den Spatzen ein eigenes Museum gewidmet. Von der betagten Boyband aus Südtirol werden sogar flauschige Fan-Kissen angeboten.
In Kastelruth haben sie den Spatzen ein eigenes Museum gewidmet. Von der betagten Boyband aus Südtirol werden sogar flauschige Fan-Kissen angeboten. © FUNKE Foto Services | Dirk Hein

Alle Konzerte sind verschoben worden. Wir haben vor dem zweiten Lockdown gehofft, dass wir wenigstens unsere Weihnachtstournee spielen können. Aber wir müssen versuchen, damit umzugehen.

Was haben Sie gedacht, als Sie Ihre Mund-Nasen-Maske zum ersten Mal getragen haben?

Norbert Rier: Wenn man damit im vergangenen Jahr in eine Bank gegangen wäre, hätten alle gedacht, dass sei jetzt ein Überfall. Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt.

Hand aufs Herz, mit welchem Motiv ist Ihre Maske verziert?

Norbert Rier: Ich habe eine neutrale Maske. Aber es gibt auch Mund-Nasen-Masken mit uns Spatzen darauf. Die Masken kommen bei den Fans wirklich gut an. Wir hoffen aber, dass man sie irgendwann nicht mehr braucht.

Denken Sie oft an Ihr letztes Live-Konzert zurück?

Norbert Rier: Das war im Februar zur Biathlon-WM in Antholz. Wir hatten im Winter ein wenig pausiert. Walter (Mauroner) und Valentin (Silbernagl) sind leidenschaftliche Ski-Fahrer.

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Mit dem Wissen von heute hätten wir wahrscheinlich vorher mehr Konzerte gespielt. Aber hinterher ist man immer schlauer.

Wird Ihnen schnell langweilig?

Norbert Rier: Nein. Ich hatte auf meinem Hof eine Menge Arbeit und konnte mich ohne Zeitstress um meine Tiere kümmern.

Und jetzt auch noch ein weiteres Album. Hat die Pandemie die Arbeit behindert?

Norbert Rier: Nein. Zum Glück hatten wir die Titel schon Anfang des Jahres festgelegt. Und ich konnte nach den ersten Lockerungen auch wieder ins Studio fahren. Die CD haben wir genau zu der Zeit veröffentlicht, in der wir sonst unser Spatzenfest in Kastelruth gefeiert hätten. Das Album ist also eine kleine Wiedergutmachung für unsere Fans.

Zählen Sie Ihre Alben eigentlich noch?

Norbert Rier: Hm… ich habe mehr als 600 Lieder gesungen. Manchmal höre ich ein Lied und denke: Das kommt mir aber bekannt vor. Und dann merke ich plötzlich: Hoppla, das ist ja von uns.

Suchen die Leute gerade jetzt eine heile Welt?

Norbert Rier: In dieser Zeit ist es wichtiger denn je, die Leute zu unterhalten und ein wenig von ihrem grauen Alltag abzulenken. Die Fans sollen auf andere Gedanken kommen.

Da konnten sie noch eng zusammenstehen: Die Kastelruther Spatzen vor der Corona-Pandemie in der heimatlichen Kulisse in Südtirol. 
Da konnten sie noch eng zusammenstehen: Die Kastelruther Spatzen vor der Corona-Pandemie in der heimatlichen Kulisse in Südtirol.  © Handout | Semmel Concerts

Die Jahreszeit ist sowieso schon dunkel, dazu kommen die ganzen Einschränkungen. So etwas schlägt aufs Gemüt, das darf man nicht unterschätzen.

Schreiben Ihnen die Fans momentan häufiger als sonst?

Norbert Rier: Schon. Die meisten freuen sich auf die Zeit, wenn es wieder weitergehen kann. Natürlich werden manche auch ungeduldig. Ich nehme darum Videobotschaften auf, sende kurze Grüße zu Geburtstagen. Die Fans trösten sich ansonsten mit der Musik.

Gibt es genug Solidarität unter den Künstlern?

Norbert Rier: Wir sitzen alle im gleichen Boot. Es tut mir für die jungen Künstler leid. Es gab zwar TV-Veranstaltungen ohne Publikum, aber bei diesen Shows waren überwiegend die großen, bekannten Künstler zu Gast. Da hätten mehr Jüngere eine Chance bekommen müssen. Aber es ist auch schlimm für die Leute, die hinter der Bühne stehen. Aufbauhelfer, Techniker – das hängt alles zusammen.

Kastelruth und Südtirol sind abhängig vom Tourismus. Wie ist die Stimmung im Ort?

Norbert Rier: Die Osterferien sind komplett ins Wasser gefallen, obwohl das Wetter ja passte. Zumindest der Sommer lief zum Glück besser. In unserer Gegend konnte der Tourismus zufrieden sein. Aber die Einheimischen haben vor der Wintersaison investiert. Nun folgt wieder eine Durststrecke.

Die Berge spielen in Ihren Songs eine große Rolle. Was ist Ihnen sonst wichtig?

Norbert Rier: Wir singen über unsere schöne Bergwelt, das stimmt. Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz. Aber es geht nicht nur um Glanz und Gloria.

Spatzen seit 40 Jahren im Geschäft

Die Kastelruther Spatzen stehen seit mehr als 40 Jahren mit volkstümlicher Musik auf der Bühne, allerdings mit wechselnden Besetzungen. Sänger Norbert Rier ist bereits seit 1979 mit dabei. Schlager wie „Eine weiße Rose“, „Gott hatte einen Traum“ und „Das Lied der Dornenvögel“ sind bei den Fans besonders beliebt.

Die Musiker aus Südtirol gastierten zuletzt am 22. Februar 2019 in der König-Pilsener-Arena in Oberhausen. An diesen Ort wollen die sieben Musikanten am Mittwoch, 20. April 2022, zurückkehren. Das Konzert soll um 19.30 Uhr beginnen. Eintrittskarten sind ab 41,90 Euro erhältlich.

Den Titel „Aus Trümmern kann man Schlösser bauen“ hatten wir schon vor der Pandemie ausgesucht. Aber, ich finde, er passt trotzdem besonders gut in diese Zeit.

Sie singen „60 ist das neue 30“. Meinen Sie das ernst?

Norbert Rier: (lacht) Das ist ein Song, der ganz auf mich zugeschrieben ist. Ich bin heuer 60 Jahre alt geworden. Man sollte keine Angst vor dem Älterwerden haben, sondern alles mit Humor nehmen. Manchmal fühle ich mich wie 30 und dann wieder wie 80. Als ich 30 und 50 Jahre alt geworden bin, waren das Knackpunkte – das gebe ich zu. Aber es ist wichtiger, dass man sich gesund fühlt und zufrieden ist.

Was bereitet Ihnen Sorgen?

Norbert Rier: Die Menschen werden immer abhängiger und verwöhnter von der Technik. Was ist nur los, wenn einmal das Internet ausfällt? Die Möglichkeit, wie Menschen überwacht werden können, ist manchmal beängstigend.

Was hat die Pandemie in den Köpfen verändert?

Norbert Rier: Das Internet hat vielen Menschen ermöglicht, ihren Beruf über das Homeoffice weiterzuführen. Andere sind aber auch häufiger in der Natur unterwegs gewesen. Sie fahren herunter und merken vielleicht, dass viele automatisierte Dinge aus unserem Alltag überflüssig sind.

Mit wem möchten Sie feiern, sobald es wieder erlaubt ist?

Norbert Rier: Mit der Familie und guten Freunden. Meinen runden Geburtstag konnte ich im April ja gar nicht feiern. Ich hoffe auch, dass ich unsere Konzerte oder das große Spatzenfest bald wieder genießen kann.