Oberhausen. Weil Corona die Bühnenschau unmöglich machte, drehten Theater Oberhausen und Künstlergruppe Fux einen Film – und der ließ wenige Wünsche offen.
Mancher Film lebt davon, dass alles vorgezeichnet scheint: Clark Kent wird Superman, hat natürlich Zweifel, verdaut Rückschläge, doch am Ende schlägt er in der ultimativen Schlacht zurück. Soweit, so gut. Das kennt der Zuschauer. Schwieriger wird’s, wenn der Zuschauer sagt, was er will, allerdings die Freiheit damit ebenso einschränkt wie fördert. So geschehen beim neuen Genre-Mix „From Horror Till Oberhausen“, der am Freitagabend seine Premiere auf nachkritik.de feierte. Weil Corona bundesweit die Bühnenschau unmöglich macht, drehte das Ensemble einen zweistündigen Spielfilm fürs Netz. Erste Kommentare zeigen: Nur wenige Wünsche bleiben offen.
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Die wichtigste Frage zuerst: Wie hat der Doppelpass aus Theater und Künstlergruppe Fux funktioniert? Zur Erinnerung: Nele Stuhler und Falk Rößler von Fux befragten 2019 das Oberhausener Publikum in zwei Abstimmungsmarathons zu Titel, Genre, Musik und Ausstattung. Als alles feststand und die Proben liefen, kam Corona und aus dem Schauspiel im Großen Haus wurde ein Spielfilm, der glasklar zwiegespalten ist.
Ziemlich blass im Gesicht und vor einer ziemlich kargen Ausstattung eröffnen die Hauptdarsteller Shari Asha Crosson als Janette, Ronja Oppelt als Maren und Torsten Bauer als Bernd den Film hinter den Kulissen. Dort also, wo Tacheles gesprochen wird, sind die Vampire des Films ehrlich. „Diese Stadt war schon damals eine der hässlichsten Städte, die ich kannte“, sagt der ostdeutsche Vampir Bernd über Oberhausen offen. „Aber: Das Tolle war, es war für mich auch eine der tollsten Menschenansammlungen, die ich gefunden habe.“
Die drei Hauptakteure flattern durch die Stadt
Als Teil des blutsaugenden „Panorama-Kollektivs“ flattern die drei Hauptakteure anfangs durch Oberhausen, sammeln Ideen auf der Markstraße, vorm Stadion oder am Centro von Bürgern ein, um einen Film zu drehen, der repräsentativ für die Wünsche der Oberhausener sein soll. Eine Mund-Nasen-Maske trägt keiner der Schauspieler im Film. Denn für viele Teile griff das Ensemble Corona-konform in die Trickkiste und täuschte am „Green-Screen“ Nähe vor, die derzeit so schmerzlich vermisst wird.
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Was jedoch keiner wissen darf: Die inkognito Vampire casten so ihre Opfer für den geschichtsbedingten Blutbad-Boogie. Strombergsche Archetypen wie „Frank“ oder Cordula (Anna Polke) ergänzen das fiktive Ensemble aus Vampir und Mensch. Frank, herausragend gespielt von Torsten Bayer, hieße andernorts vielleicht sogar „Ernie“ und wie im Büro-Original streut der heimliche Favorit der Zuschauer Szene für Szene gruselige Kommentare zum Totlachen ein.
Das neue Format als Zukunft der Unterhaltung
Skurrile Momente bietet „From Horror Till Oberhausen“ viele an und wenig subtiler wird Corona und Vampirismus verglichen. Als Bernd sagt, man wisse nie, wer in der Bahn ein Vampir ist oder „Kate“ alias „Rocco“ (Henry Morales) als einzige Überlebende des Gemetzels im „Transatlantik-Titty-Twister“ sein und aller Spezies „Happyend“ sucht. „Lass dich beißen“, fordern da die anderen Untoten längst von ihm. Lass dich impfen, assoziiert manch Zuschauer vorm Bildschirm. Im Netz orakelt sogar jemand, dass das Format die Zukunft der Unterhaltung sei. Theater bei Netflix oder Amazon? Als VR-Variante oder in hochauflösendem 4K?
Noch bis Ende 2020 streamen und teilen
Mit der „Rocky Horror Show“ (1973) von Richard O’Brien und „From Dusk Till Dawn“ (1996) nach dem Drehbuch von Quentin Tarantino (Regie: Robert Rodriguez) haben sich die Oberhausener für einen Genre-Mix von zwei Kult-Vorlagen entschieden.
Gefördert wird das Projekt vom Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes. Bis zum 31. Dezember ist der Film unter fromhorrortilloberhausen.de oder auf nachtkritik.de verfügbar. Die Webseite von Fux ist zudem ausreichend bestückt mit Bonusmaterial zum Projekt.
Die Sehnsucht nach der Bühne ist im Spielfilm aber allgegenwärtig. Wenn in der letzten Dreiviertelstunde getanzt, gesungen und gemetzelt wird, wächst der Wunsch nach der Theaterkarte statt des schnellen Klickvergnügens weiter. Auch wenn „From Horror Till Oberhausen“ wirklich gelungen ist: Künstler aller Couleur haben genug geblutet.